
Ist das Komma verrutscht? Gab es 2011 noch fast 3 Prozent Zinsen pro Jahr auf Tagesgeld, muss man heute schon über 0,3 Prozent froh sein. Etliche Banken verzinsen das flexible Konto überhaupt nicht mehr. Und auch die größte deutsche Direktbank ING, die das Tagesgeld einst so populär machte, zahlt nur noch 0,001 Prozent pro Jahr – also nicht mehr als zehn Cent Zinsen auf 10.000 Euro Sparsumme.
Was bringt das Tagesgeldkonto dann eigentlich noch?
Die Inflation nicht vergessen
2011 gab es allerdings nicht nur 3 Prozent Zinsen, es gab auch eine Inflation von über 2 Prozent. Dass man mit dem risikoarmen Tagesgeldkonto (oder früher mit dem Sparbuch) mühelos reich werden konnte, war schon damals eher Wunschvorstellung als Realität. Die höheren Zinsen sahen schöner aus als sie nach Abzug der Inflation waren.
In der aktuellen Coronakrise sagen die Zentralbanken weiterhin eine extrem niedrige Inflation voraus. Die EZB wird die Leitzinsen kaum anheben, was den Zinssatz auf Deinem Konto im Null-Komma-Bereich verharren lässt. Als Sparer hast Du also nur die Wahl, ob Du für Deine 10.000 Euro 30 Euro Jahreszins bekommen willst (Leaseplan Bank), 25 Euro (Opel Bank) – oder eben zehn Cent bei der ING. Große Sprünge sind nicht drin.
Stabilitätsanker statt Renditekracher
Dass es keine fetten Zinsen gibt, ist aber nicht schlimm. Im Mix Deiner Geldanlage ist Tagesgeld der solide Grundbaustein. Jederzeit verlässlich parat, kein Kursrisiko wie an der Börse, aber eben auch keine Renditechance. Dem Torwart eines Fußballteams würde ja auch niemand vorwerfen, dass er selbst keine Tore schießt. Das wiederum wäre die Aufgabe der Stürmer (also bei uns: der ETFs. Auf die kommen wir in einer späteren Folge zu sprechen).

Für den Moment nur dieser Gedanke: Wenn die Weltbörsen in einer Extremsituation um 40 Prozent einbrechen, zerrt das an den Nerven und an Deinem Depotstand. Hast Du aber nicht Dein ganzes Erspartes in Aktienfonds gesteckt, sondern – sagen wir – halbehalbe mit Tagesgeld gemacht, sinkt das Minus in Deiner gesamten Anlage auf 20 Prozent. Du kannst entspannter abwarten, bis sich die Börsen erholen.
Es geht ums Sparen an sich
Und es geht ja nicht nur um Rendite. Du wirst staunen, wie beruhigend es ist, wenn Du jeden Monat einen festen Betrag von Deinem Girokonto aufs Tagesgeld abzweigst. 100 Euro nicht auszugeben, bringt mehr als jeder Zins!
Wenn Du noch kein Tagesgeldkonto hast, schau Dir auf jeden Fall unsere Empfehlungen an. Die findest Du auf unserer Website oder am Ende jedes Newsletters in den Empfehlungstabellen. Und die sind garantiert ohne Minuszins. Für längere Zeiträume ist Festgeld unser Tipp.
Geh zur passenden Bank
Wenn Du die stabilisierende und defensive Rolle des Tagesgeldes erkennst, wird auch klar, dass der Zinssatz nicht alles ist: Es geht vor allem um die Sicherheit Deines Kontos. Finanztip verzichtet bewusst auf Tagesgeld in Ländern wie beispielsweise Italien, Spanien oder Rumänien.
Wir trauen mehr den nationalen Einlagensicherungen in wirtschaftsstarken Staaten wie Deutschland oder Frankreich. Denn wenn bei einer größeren Bankpleite der Sicherungstopf leer wäre, müsste der jeweilige Staat die Entschädigung der Sparer organisieren.
Ins Minus rutschen solltest Du mit dem Tagesgeld natürlich trotzdem nicht. Über 100 meist kleinere Volksbanken oder Sparkassen berechnen Neukunden ab einer bestimmten Schwelle Negativzinsen von meistens 0,5 Prozent pro Jahr. Eigentore schießen sollte der Torwart nun auch nicht.
Korrektur: Unserem Autor ist bei den kleinen Zinsen leider selbst das Komma verrutscht. In der ersten Fassung des Texts hieß es, die ING würde pro 10.000 Euro jährlich einen Euro Zinsen zahlen. Tatsächlich sind es sogar nur 10 Cent. Wir bitten, das Versehen zu entschuldigen.
Finanztip-Serie Geldanlage
1. Tagesgeld im Tiefflug: Was bringt das noch?
2. Anleger-Nepp: So schützt Du Dich
3. Aktien – nimm die ganze Pizza, nicht nur die Olive
4. Anleihen: Sind sie besser als Festgeld?
5. Nachhaltig denken – geht das nicht etwas grüner?
Redakteur im Team Bank und Versicherung. Vor seiner Zeit bei Finanztip berichtete er für die Radioprogramme des Hessischen, später des Westdeutschen Rundfunks über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Hendrik hat in Münster und Exeter VWL studiert. Erste berufliche Erfahrungen sammelte er bei Radio Q und im Lokalfunk Recklinghausen. Gespartes Geld investiert er gern in Reisen.
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9 Kommentare
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Ich hatte während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr für meinen Rentenfonds bei der DEKA ca. 1000 € verloren. Nur langsam erholte sich der Fonds im Laufe des letzten Halbjahres.
Jetzt, kurz vor dem zweiten Lockdown habe ich keine Nerven mehr, dass sich wieder alles nach unten bewegt, und habe mich kurzerhand von meinen Fondsanteilen getrennt. Da ohnehin keine 6 Stellen vor dem Komma, parke ich das Geld vorerst mal als 3 – oder 6 monatiges Festgeld und setze es, so der Plan, zusammen mit anderen Ersparnissen im kommenden Jahr zum Erwerb einer kleiner Immobilie ein.
Aufgrund gemachter Erfahrungen vielleicht schon in Richtung einer Vorphase zum betreuten Wohnen.
Die Jahre vergehen schnell im fortgeschrittenen Alter, die Krankheiten werden eher mehr statt weniger, und spöter ist man froh früh genug die Weichen gestellt zu haben.
Alles andere kommt für meine Frau und mich, welche sich im mittleren Rentenalter befinden, nicht mehr in Frage.
Die Niedrig Zinsphase wird wohl noch auf Jahre hinweg anhalten, und für Wertpapiere sind wir so gesehen auch schon zu alt…
Da jetzt ein neues Kapitel in Bezug Geldanlagen bearbeitet wird möchte ich darauf hinweisen, dass Amazone im Internet ziemlich stark Werbung für 200-/250 € Geldanlage betreibt. Soll man vorsichtig sein bzw. ist es ratsam?
„Amazone“ ??
Wenn du „Amazon“ meinst – die bieten meines Wissen keine Geldanlage.
Da scheinen Andere mit deren Namen hausieren zu gehen.
Ja, da sollte man sehr vorsichtig sein. Es gibt derzeit mehrere Internetseiten, auf denen für den Kauf der Amazon-Aktie bzw. offenbar von Bruchstücken für die genannten 200 – 250 Euro geworben wird.
Finanztip vertritt die Linie, dass man als Privatanleger lieber ETFs und nicht einzelne Aktien kaufen sollte, weil man bei letzteren immer das Unternehmensrisiko abbekommt, sollte das Geschäft dann doch mal nicht mehr so laufen. Das mag zwar bei einem Weltkonzern wie Amazon eine kleinere Gefahr sein als bei Newcomer-Firmen an der Börse, aber es ist dennoch sicherer, auf mehrere hundert Titel zu streuen. Dazu mehr in unseren Ratgebern, etwa https://www.finanztip.de/indexfonds-etf/. Im MSCI World oder MSCI ACWI ist dann ja auch ein Teil von Amazon drin.
Der zweite Punkt ist hier wahrscheinlich viel kritischer – denn man kann die Amazon-Aktie bei jedem normalen Depotanbieter kaufen, wenn man denn möchte. Das ist ein unkomplizierter Vorgang, dazu braucht man keine „Spezialseite“ wie die die hier erwähnten Anzeigen es darstellen. Die Beispiele, die ich dazu gefunden habe, sehen nicht seriös aus. Es gibt z. B. keinen Grund, seine Telefonnummer anzugeben.
@Nagi Mait – ja, mit Amazon selbst hat das nichts zu tun.
Geldanlage besteht nicht nur aus Rendite, sondern auch aus Risikoappetit und Risikomischung (nicht alle Eier in einen Korb). Deshalb kann eine Mischung durchaus sehr sinnvoll sein. Bei „Vollgas in die Börsen“ kann man sich auch mal schnell eine blutige Nase holen.
halbe / halbe Tagesgeld / ETF od. Aktien?? ihr habt sie wohl nicht mehr alle! das wäre richtige Geldvernichtung grade bei den Verlusten die man an der Börse einfängt und nicht mehr aufholen kann , auch nicht über lange Zeit….Ich werde höchstens 1/3 dafür verwenden!!
die Börse geht mal rauf, mal runter, damit muss man leben, dafür gibt es eine Dividende und etwas Risiko muss sein, allerdings muss man manche Börsenlage aussu tzen können.
Ich bin 78 Jahre alt und bin zu ca 75 % in Aktien, ETFs oder Zertifikate investiert: Depots kann man auch vererben….
w k
„ihr habt sie wohl nicht mehr alle!“ – Man kann – und sollte – seine Meinung auch ohne derartig ausfallende Bemerkungen kundtun. Hier überzeugen Argumente.
Ja, zumal ich das als leicht nachvollziehbares Rechenbeispiel gemeint habe. Wie das dann jeder für sich aufteilt, ist natürlich individuell.