Rürup Rente ist der Vertrag fair?

  • Hallo zusammen,


    Ich bin 24 Jahre alt und selbstständig (psychologischer Berater in der Kinder-Jugendhilfe und will das auch mein Leben lang bleiben) und würde gerne, weil ich nicht in die Rentenversicherung einzahle irgendwie (neben meinem monatlichen ETF-Sparplan) in meine Altersvorsorge investieren. Eigentlich dachte ich kommt für mich die Rürup-Rente in Frage, als ich jedoch jetzt mal ein konkretes Angebot von einem Bekannten (der bei Tecis arbeitet) bekommen habe, habe ich mich gefragt, ob die Kosten (Verwaltungs-, Abschluss und Vertriebskosten über 8.600€) normal sind? Die wurden von dem Vertriebler natürlich nicht erwähnt, sondern nur die 1,1% jährliche Kosten, die sich ja erstmal normal anhören. Ich habe im Anhang mal die Kosten (S.21) angehängt.


    Habe ich solche Kosten auch, wenn ich die Empfehlung von Finanztip abschließe (den Raisin.pensions-Fond)? Der Tecis Mitarbeiter hat das Angebot ziemlich schlecht geredet, ich weiß gar nicht mehr ganz warum. Aber zum einen, dass die dahinterstehende Bank wohl Treuhändern gehört und demnächst wieder verkauft werden könnte (oder so ähnlich) und das es da auch noch versteckte Kosten gibt...

    Zudem auf S.6 sieht man eine Beispielrechnung, wo ich sehen kann, das sich das jährliche guthaben erst nach 10 Jahren um mehr als 7.200 Euro erhöht (was bei 600 Euro im Monat), das ist doch nicht fair oder?


    Für eine kurze Antwort, ob mein komisches Bauchgefühl richtig liegt oder ihr sagt, dass ist doch ganz normal, wäre ich sehr dankbar, da ich nicht weiß an wen ich mich sonst wenden kann.


    Mit den besten Grüßen


    Tim

  • Ich frage mich, ob so eine Rürup-Klamotte überhaupt für so einen jungen Menschen als AV infrage kommt ;)


    Wenn überhaupt, dann mit einem Netto-Tarif... (gibbet die noch?)


    Und zu Vertriebsbuden nach dem Strickmuster derjenigen, bei der dein ehemaliger Bekannter wurstelt, folgender Gedanke: Als Mitarbeiter*innen (meist Freie, Selbständige) werden primär unbedarfte, unbeleckte Heios angeworben, die nicht wirklich weit über den Tellerrand hinaus blicken. Oft sind's 'arme Schweine', die vom großen Geld träumen ;)

    Nur wer ordentlich ignorant ist, kann mit dem Brustton der Überzeugung 'falsch' beraten... und sollte jemand den Durchblickerlehrgang absolviert haben, so muss diese Person einfach nur entsprechend kaltschnäuzig sein und folglich gegen besseres Wissen beraten (verkaufen).


    Im Zuge von Gesprächen mit solchen Vertriebsfuzzis wird dann auch häufig zwischen Altersvorsorge und Vermögensaufbau differenziert und das Thema des sog. Langlebigkeitsrisikos wird wohl auch aufs Brot geschmiert...


    Was du mMn brauchst ist eine gescheite BU (z.B. mal Dr. Schlemann fragen...), eine Berufshaftpflichtversicherung... und den Vermögensaufbau (ordentliche Sparrate in Aktien-ETF mit breiter Streuung, sowie ein ausreichendes Cash-Polster (Notgroschen, Reserve für geplante Anschaffungen).

    Wenn du jetzt und während deines geplanten Arbeitslebens ein ordentliches, überdurchschnittliches Einkommen erzielst, dann brauchst du im Rentenalter - nach heutigen Maßstäben - mal locker eine Depot im Bereich von 2 Millionen (kaufkraftbereinigt deutlich mehr).

    1 Mio reicht über'n dicken Daumen für eine private (über-lebenslange) Rente von rund 2.500 Öcken im Monat...

  • Erst mal ein Kompliment an trollix für sein vorausschauendes Denken: Die meisten "Jungselbstständigen" erfreuen sich am im Verhältnis zum Angestellten höheren Einkommen, übersehen aber, dass 19,2% nicht ihnen selbst "gehören", sondern zur Kompensation der fehlenden Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung für Altersvorsorge investiert werden sollten.


    Eine Rürup Rente ist aus meiner Sicht nicht per se "schlecht". Ich darf unsere Website hier leider nicht verlinken. Einfach mal nach "ETF oder Fondsrente: Was ist die bessere Altersvorsorge?" googeln, da haben wir Pros und Contras sehr ausführlich beschrieben inkl. konkreten Rechenbeispielen. Die im abgebildeten PIB ausgewiesenen 1,1% sind übrigens die Reduction in Yield / Renditeminderung einschließlich Abschlusskosten.


    Bei trollix frage ich mich, ob eine so langfristige, wenig flexible, nicht frei vererbbare etc. Geldanlage zu seiner aktuellen Lebenssituation passt. Genau wie tom70794 schreibt, hat man mit 24 vielleicht erst mal Pläne wie einen Immobilienkauf oder braucht als Selbstständiger flexiblere Rücklagen, wenn das Geschäft mal nicht so läuft. So wie meine Vorredner würde ich mein Geld da im Zweifel erst mal flexibler anlegen.


    Was hat Tecis denn zu den wichtigen Themen Berufsunfähigkeit und Berufs-/Vermögensschadenhaftpflichtversicherung gesagt und war auch ein Wechsel in die private Krankenversicherung Thema trollix ?


    Über welche (weiteren) finanzielle Themen junge Selbstständige nachdenken sollten findet sich bei Google unter "Finanzberatung für Existenzgründer". :)

    Dr. Schlemann unabhängige Finanzberatung GmbH & Co. KG
    Von Finanztip empfohlene Spezialisten für Berufsunfähigkeit und private Krankenversicherung | Angaben gem. § 11 VersVermV, § 12 FinVermV: https://schlemann.com/erstinformationen | Beiträge in der Finanztip Community erstelle ich mit größtmöglicher Sorgfalt, jedoch ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität. Deren Nutzung erfolgt auf eigene Gefahr.

  • Auch wenn man aktuell nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, können könnte man das schon. ;)


    Nur als Benchmark:

    Aus 7200 Euro Beitrag im Jahr 2022 wird ein monatlicher Rentenanspruch von aktuell 33,56 Euro. Ggf. kommt ein Zuschuss zur (privaten) Krankenversicherung dazu, der freundlicherweise steuerfrei ist.

    Das sollte jede private Vorsorge schlagen können. Wenn nicht, lohnt sich die Diskussion nicht.

  • Auch das ist richtigerweise eine zu prüfende Option Referat Janders . Angesichts der bestehenden und sich künftig noch drastisch verschärfenden demographischen Schieflage der gesetzlichen Sozialsysteme halte ich es allerdings für etwas gewagt, aktuelle Zahlen einfach zu extrapolieren. :)

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  • Hallo Tim, Du hast die Sache wie Referat Janders schon zart andeutet eher ungünstig begonnen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein im Finanzstrukturvertrieb tätiger Bekannter Dich fachkundig und unabhängig bei dieser wichtigen Entscheidung berät. Wahrscheinlicher ist aber, dass er basierend auf bestimmten Stichworten aus dem Bauchladen seines Arbeitgebers ein halbwegs passend erscheinendes Produkt vorschlägt und sich auf die Provision freut. Den Fehler hast Du aber schnell korrigiert, das Produktdatenblatt gelesen, nachgedacht und nachgefragt. Weiter so!


    Ist Rürup/Basisrente das richtige für Dich? Wenn ja, ist es dieses Produkt? Wenn ja, was ist der beste Vertriebsweg? (Der Begriff Nettotarif fiel oben schon.)


    Ich bleibe zunächst beim ersten Punkt. Das coole am System ist, dass Du jährlich grob gesagt bis zu 25.000 € investieren kannst und dafür die Einkommensteuer zurückbekommst. Wenn Du gut verdienst also knapp die Hälfte. Für gut 1000 € monatliche Nettoinvestition hast Du nach 10 Jahren schon 300.000 € auf dem Tacho und dazu kommt noch die Rendite. Das klingt nach einem richtig guten Deal. Klar, die Rente musst Du später versteuern, aber der Steuerstundungseffekt in der Ansparphase ist über die Jahrzehnte enorm. Das wird Dein Bekannter Dir auch so ähnlich erzählt haben und im Prinzip hat er auch recht.


    Aber hat er auch von den Nachteilen berichtet? Hier geht es um Flexibilität und renditefressende Kosten. Bei den Kosten lässt sich was machen, der Mangel an Flexibilität ist systematisch.


    (Hier muss ich für den Moment den Griffel fallen lassen. Vielleicht schreibt ihr schon mal weiter...)

  • Der Steuerstiefel bei Rürup/Basis ist ja 1:1 bei der gesetzlichen Rente abgeschrieben worden. (Das mag einem der Vermittler regelmäßig auch nicht sagen.) ;)

  • Jo, stimmt - Wagnisse würde ich aber lieber an anderen Stellen eingehen als ausgerechnet bei der Altersvorsorge. Also z.B. mal ganz gewagt Rotwein aus einem Weißweinglas trinken oder so. :)

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  • Der Steuerstiefel bei Rürup/Basis ist ja 1:1 bei der gesetzlichen Rente abgeschrieben worden. (Das mag einem der Vermittler regelmäßig auch nicht sagen.) ;)

    Dann müsste ein Verfechter der gesetzlichen Rente ja auch ein Rürup-Fan sein? :)

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  • Nicht zwingend, aber das Prinzip leuchtet mir schon ein.

    Liegt ja auf der Hand: Tausche unkalkulierbares Demographierisiko gegen kalkulierbares Kostenrisiko. :)

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  • Ich hatte einen Rürup von der Heidelberger Leben (MLP), den habe ich beitragsfrei gestellt, zu teuer, zu unflexibel.


    Inzwischen habe ich andere Bausteine. Am Ende geht nichts über ein Depot, das sich binnen kurzem in Cash umwandeln lässt, groß genug, dass man Schwankungen aushält, an dem werde ich noch ein paar Jahrzehnte arbeiten. Dazu GKV, Betriebsrente, Langzeitkonto, Beamtenrente meiner Frau, die ersten Werte wurden von den Eltern überschrieben, da kommt aber noch mehr.


    Mit 24 würde ich jeden Monat einen fixen Prozentsatz meines Nettos Faustregel 15% in ETF investieren und jährlich Bilanz ziehen, ob ich auf einem guten Weg bin. Dann mit 50 gucken, ob man die Anlagen Richtung krisenfest umschichtet. Ich möchte mit 65 ein 250 k Tagesgeldkonto haben. Dann bin ich 5 Jahre safe. Das wird jährlich wieder aufgefüllt.

  • Oh, lag das an der letzten weisen Antwort, dass ich gerade zur Koryphäe wurde? ^^

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  • Ich hatte einen Rürup von der Heidelberger Leben (MLP), den habe ich beitragsfrei gestellt, zu teuer, zu unflexibel.

    Das ist ja auch so ziemlich der extremste Negativfall unter den Rürup Renten wie auf unserer Website nachzulesen. Einfach mal nach Heidelberger Leben googeln. :)

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  • Oh, lag das an dieser weisen Antwort, dass ich gerade zur Koryphäe wurde? ^^

    Glückwunsch!


    Koryphäe wird man mit 10.000 Punkten. Sie haben schon ein paar mehr. Jetzt geht es steil auf die Ehrenmitgliedschaft bei 50.000 Punkten zu :)

  • Das ist ja auch so ziemlich der extremste Negativfall unter den Rürup Renten wie auf unserer Website nachzulesen. Einfach mal nach Heidelberger Leben googeln. :)

    Ja, ich war du dumm :thumbup: Hätte auf die Warnungen meines WG-Mitbewohners hören sollen :thumbup:. Aber ich hab dem eloquenten, kumpelhaften "Berater" vertraut. Naja, ist nicht existenzgefährdend. 5 Jahre eingezahlt, dann war Schluss :thumbup: