Rentenfaktor und Bewertung der DRV

  • Moin,


    hier wir ja des öfteren über Rentenfaktoren diskutiert und alles im Bereich 25 als schlecht dargestellt und ab 35 akzeptabel.


    Mir ist jetzt eine Tabelle der Deutschen Rentenversicherung in die Hände gefallen. Demnach entspricht eine Einzahlung von 1000€ pro Monat (=12.000 pro Jahr) 1,4954 Rentenpunkten und somit aktuell 56,23€. Bereinigt auf die üblichen 10k€ wäre dies ein Rentenfaktor von 46,85.


    Das finde ich ehrlich gesagt gar nicht sooo schlecht. Oder wie seht ihr das?


    Grund meiner Recherche ist, dass ich derzeit darüber nachdenke mich selbtständig zu machen und mir mitgeteilt wurde, dass ich einen Antrag auf Pflichtversicherung stellen kann. Klar ist die Kohle dann fix wech, auf der anderen Seite aber auch sicher falls das bei mir den Bach runter geht.


    Angenommen ich zahle 10 Jahre lang die 12k€ im Jahr ein, dann bringt mir das (Stand heute) 562,30€ an Rente. Hiervon gehen noch KV und ggf. Steuern ab.


    Spare ich die 12k€ zu 120k€ und lasse mir das über angenommene 25 Jahre auszahlen und setze den Zins bei 2% an dann kommen da "nur" 506€ raus: https://www.zinsen-berechnen.d…an.php?paramid=eypib84nvc


    Zumindest die Zinserträge oberhalb von 2000€ müsste ich wohl auch versteuern, so dass sich beide Varianten doch sehr ähnlich sind.


    Bei der Rentenversicherung verliert man etwas die Flexibilität, bei dem Entnahmeplan hat man halt das Langlebigkeitsrisiko... Dafür ist die Kohle für den ggf. überlebenden Partner in cash da und nicht nur eine Witwenrente, bei der noch andere Einkommen angerechnet werden. Vorteil der Rentenversicherung ist, dass während des Berufslebens das Risiko der Erwerbsminderung mit abgesichert wäre (nach Antrag auf Pflichtversicherung).


    Man kann wohl auch freiwillig in die Rentenversicherung einzahlen, verliert dann aber die Absicherung der Erwerbsminderung. Ehrlich gesagt kann ich nicht abschätzen, ob man diese braucht oder nicht...


    Es geht mir hier nicht darum das letzte zehntel Prozent herauszuholen sondern erstmal grundsätzliche Überlegungen.


    Wer kann einem in sowas beraten? Wäre Dr. Schlemann hier der richtige?

  • Hallo.


    Dr. Schlemann wird zumindest gut erklären können, welche Lücken eine Erwerbsminderungsrente nicht abdeckt und welche Punkte somit privat abzudecken wären.


    Wer vernünftig gegen Berufsunfähigkeit abgesichert ist, benötigt eigentlich keine Erwerbsminderungsrente und könnte theoretisch auch nur freiwillige Beiträge leisten mit der entsprechenden deutlich höheren Flexibilität. Allerdings wäre der Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ("Reha") auch zu betrachten und da wäre die Pflichtbeiträge wieder gefragt.

    Es ist kompliziert.

  • Horst Talski : Deshalb schrieb ich ja "Stand heute".


    Auf der anderen Seite erwirtschaftet das angesparte Kapital für den Entnahmeplan ja auch in der Ansparphase Zinsen. Daher müsste man beim Entnahmeplan eigentlich mit etwas mehr Geld rechnen, bei der DRV mit einem höheren Rentenwert pro Punkt. Ich vermute mal das nimmt sich nicht viel...

  • Genau das wollte ich anmerken loennermo . Mindestens genau so wichtig wie der Rentenfaktor ist die Rendite. Rechne ich in Ihrem Beispiel mit einer durchaus realistischen Rendite von 6%, bekomme ich bei gleichen Annahmen eine Rente von rund 760 EUR. Und in der Auszahlungsphase wird ja auch noch weitere Rendite erwirtschaftet.


    Nebenbei sind Rentenfaktoren bei privater Absicherung ambivalent. Je mehr garantiert wird, desto weniger Geld steht in der Ansparphase für aktienbasierte Investments zur Verfügung, d.h. hoher Rentenfaktor = geringeres Kapital, niedriger Rentenfaktor = mehr Kapital zur Verrentung.


    In Ihren Überlegungen noch gar nicht berücksichtigt ist der auf die gesetzlichen Sozialsysteme (GRV, GKV) zurollende Demographie-Tsunami - um das mal etwas pointierter zu formulieren.

    Ich an Ihrer Stelle würde deshalb glaube ich lieber privat sparen und mich vernünftig gegen BU absichern.

    Dr. Schlemann unabhängige Finanzberatung GmbH & Co. KG
    Von Finanztip empfohlene Spezialisten für Berufsunfähigkeit und private Krankenversicherung | Angaben gem. § 11 VersVermV, § 12 FinVermV: https://schlemann.com/erstinformationen | Beiträge in der Finanztip Community erstelle ich mit größtmöglicher Sorgfalt, jedoch ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität. Deren Nutzung erfolgt auf eigene Gefahr.

  • Dr. Schlemann


    Selbst in kapitalgedeckten Systemen arbeitet nicht das Geld selbst, sondern es findet die klassische Faktorkombination (Arbeit, Boden, Kapital) statt.

    Es ist doch immer die aktuell arbeitende Bevölkerung, die die nicht arbeitende Bevölkerung (z. B. zu jung oder zu alt zum Arbeiten) unterhält.

    Demografie wirkt auf die gesamte Bevölkerung, nicht nur auf die gesetzlich Versicherten.


    Wenn Sie private Absicherung vorziehen und dies auch anderen als Überlegung nahelegen, dann kann das durchaus nachvollziehen, indes ist "Demografie-Tsunami" ein Beispiel für eine Rhetorik, die Sie nicht nötig haben.

  • Das ist das alte Problem, das Vergleiche zwischen verschiedenen Altersvorsorge-Produkten immer schnell hinken.


    Langfristig kann man nur mit Aktien und Immobilien die Inflation schlagen. Daher ist gerade für junge Leute ein ETF-Sparplan eine tolle Lösung. Aber die Rendite über die nächsten 10-15 Jahre ist eben unbekannt und kann stark unterschiedlich ausfallen. Daher wird ein Sicherheitsbaustein als Ergänzung meist empfohlen.


    Wer sowieso Pflichtmitglied der GRV ist, kann diese Rente als ausreichenden Sicherheitsbaustein betrachten oder eben noch ergänzen.


    Wer keine GRV hat, sollte sich m.E. auf jedem Fall Gedanken über einen Sicherheitsbaustein machen. In der Tat ist die freiwillige GRV dann eine attraktive Möglichkeit, sicherlich besser, als jede private Versicherung.


    Ich habe übrigens eine alte KLV, die fällig wird. Rentenfaktor 39. Ist mir zu schlecht, ich rufe das Kapital ab. Ein Teil davon kommt in die GRV, der Rest ins Depot. Durch die Rentenanpassungen wird der Rentenfaktor noch höher sein, als von Dir errechnet, hinzu kommt ein weiterer Zuschuss zur PKV!

  • Demografie wirkt auf die gesamte Bevölkerung, nicht nur auf die gesetzlich Versicherten.

    Lieber Referat Janders, ich hatte gehofft, dass die Anmerkung "pointierter" dem geneigten Leser verdeutlicht, dass der Begriff Tsunami bewusst überzeichnet gewählt wurde, um eine drohende Katastrophe größeren Ausmaßes zu beschreiben. Abgesehen davon kennen Sie die Systemunterschiede zu gut, um eine solche in die Irre führende pauschale Aussage zu tätigen.


    Ja, Demographie (ich bevorzuge die dem Original nähere ältere Schreibweise mit ph) wirkt sich grundsätzlich auf alle aus, alleine weil auch der PKV Versicherte z.B. um Dienstleistungen für Ältere wie z.B. die Altenpflege konkurriert, die von deutlich weniger jüngeren Arbeitenden erbracht werden.


    Was allerdings das System Krankenversicherung und deren prognostizierte Beitragsentwicklung angeht, ist die PKV deutlich weniger betroffen als die GKV! Statt vieler Worte erlaube ich mir einen Hinweis auf den hier verlinkten Bericht der Deutschen Aktuarvereinigung "Auswirkungen demografischer Effekte auf die Krankenversicherung": https://aktuar.de/unsere-theme…nisbericht_Demografie.pdf.

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  • Lieber Referat Janders, ich hatte gehofft, dass die Anmerkung "pointierter" dem geneigten Leser verdeutlicht, dass der Begriff Tsunami bewusst überzeichnet gewählt wurde, um eine drohende Katastrophe größeren Ausmaßes zu beschreiben. Abgesehen davon kennen Sie die Systemunterschiede zu gut, um eine solche in die Irre führende pauschale Aussage zu tätigen.


    Ja, Demographie (ich bevorzuge die dem Original nähere ältere Schreibweise mit ph) wirkt sich grundsätzlich auf alle aus, alleine weil auch der PKV Versicherte z.B. um Dienstleistungen für Ältere wie z.B. die Altenpflege konkurriert, die von deutlich weniger jüngeren Arbeitenden erbracht werden.


    Was allerdings das System Krankenversicherung und deren prognostizierte Beitragsentwicklung angeht, ist die PKV deutlich weniger betroffen als die GKV! Statt vieler Worte erlaube ich mir einen Hinweis auf den hier verlinkten Bericht der Deutschen Aktuarvereinigung "Auswirkungen demografischer Effekte auf die Krankenversicherung": https://aktuar.de/unsere-theme…nisbericht_Demografie.pdf.

    Zunächst ist festzuhalten, dass der Bericht auf das "ph" zugunsten des "f" verzichtet. ;)

    Und wenn ich die Seite 58 des PDFs nehme, dann klingt insbesondere der letzte Absatz eher entspannt als alarmierend.

  • Stimmt, die Aktuare neigten 2018 halt nicht zu Alarmismus. :)


    Zwei Absätze weiter vorne liest man aber:


    In der GKV sind ohne Inflation Steigerungen von ca. 30% (MTF=0,4% p.a.) bis 50% (MTF=0,75% p.a.) zu beobachten. Neben der medizinischen Inflation zeigt das GKV-Modell eine starke Abhängigkeit von den beitragspflichtigen Einkommen. Hier ist seit ca. 2000 ein Zurückbleiben der beitragspflichtigen Einkünfte im Vergleich zum BIP pro Erwerbstätigen zu beobachten. Wie beschrieben, ist dies allgemein als strukturelle Einnahmenschwäche (SES) bekannt. Sollte dieser Effekt auch zukünftig anhalten, wäre eine Beitragssatzanhebung um 35% nötig. In Zusammenspiel mit einem stark steigenden medizinisch technischen Fortschritt wäre ein Anheben von ca. 60% des Beitragssatzes nötig, um die Finanzierung des GKV-Umlagesystems zu ermöglichen.

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  • Stimmt, die Aktuare neigten 2018 halt nicht zu Alarmismus. :)


    Zwei Absätze weiter vorne liest man aber:


    In der GKV sind ohne Inflation Steigerungen von ca. 30% (MTF=0,4% p.a.) bis 50% (MTF=0,75% p.a.) zu beobachten. Neben der medizinischen Inflation zeigt das GKV-Modell eine starke Abhängigkeit von den beitragspflichtigen Einkommen. Hier ist seit ca. 2000 ein Zurückbleiben der beitragspflichtigen Einkünfte im Vergleich zum BIP pro Erwerbstätigen zu beobachten. Wie beschrieben, ist dies allgemein als strukturelle Einnahmenschwäche (SES) bekannt. Sollte dieser Effekt auch zukünftig anhalten, wäre eine Beitragssatzanhebung um 35% nötig. In Zusammenspiel mit einem stark steigenden medizinisch technischen Fortschritt wäre ein Anheben von ca. 60% des Beitragssatzes nötig, um die Finanzierung des GKV-Umlagesystems zu ermöglichen.

    Mit anderen Worten, es ist das Geld, nicht das Alter der Leute! ;)

  • Möglicherweise hat das eine aber mit dem anderen zu tun. :)

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  • Möglicherweise hat das eine aber mit dem anderen zu tun. :)

    Aus dem Bericht (Seite 57)


    Wer finanziert die erhoffte Zinserholung? Arbeitnehmer, die weniger Geld bekommen (SES), weil die Ergebnisse Ihrer Arbeit nicht Ihnen selbst zugute kommen, sondern Investoren, die Rendite sehen wollen?


    Zitat

    Möglicherweise hat das eine aber mit dem anderen zu tun. :)

  • Hm, KaffeeOderTee , da werde ich jetzt nicht so richtig schlau draus. :/

    Zinsen für Geldanlagen von Versicherern werden doch nicht von armen unterdrückten Arbeitnehmern erwirtschaftet? SES?

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  • Hm, KaffeeOderTee , da werde ich jetzt nicht so richtig schlau draus. :/

    Zinsen für Geldanlagen von Versicherern werden doch nicht von armen unterdrückten Arbeitnehmern erwirtschaftet? SES?

    Zinsen für Geldanlagen werden nicht von Arbeitnehmern erwirtschaftet?

    Dann vermehrt sich das Geld doch von alleine im Tresor?

    Was Zinsen angeht gibt's nur zwei Möglichkeiten: entweder a) man bekommt mehr Zinsen, als man zahlt oder b) man zahlt mehr Zinsen, als man bekommt. Und damit meine ich "Zinsen" im weiteren Sinne. Also auch deren Anteil im Preis von Produkten. Z.B. auch im Preis eines Brötchens, für dessen Herstellung der Bäcker einen Kredit aufnehmen müsste, um den Backofen zu kaufen. Oder den Mietzins, den der Vermieter eines Hauses für die Investition in den Hausbau sehen will. Oder den Zins, den eine Firma finanzieren muss, weil sie kreditfinanzierte Schulden für Investitionen abzahlen muss. Finanziert werden muss letzteres durch die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer im Unternehmen. Kein Unternehmer wird das dauerhaft aus eigener Tasche zahlen.

    Ich stelle mal die kühne These in den Raum: Wenn ein Arbeitnehmer für seine private Rentenversicherung eine Rendite sehen will, dann muss er die selber erwirtschaften. Oder sein Kollege (und er erarbeitet dann dessen private Rente). Oder ein Arbeitnehmer in einer anderen Firma unseres Landes. Oder ein Arbeitnehmer in einem anderen Land, in das investiert wird. Warum das kein Umlagesystem sein soll, verstehe ich nicht. Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren.

  • Ui. Näherst Du, KaffeeOderTee, Dich dem Gedanken, dass - sowohl bei Privatmenschen als auch der Gesellschaft insgesamt - alles, was ausgegeben oder umverteilt werden soll, zunächst von irgendwem erwirtschaftet werden muss?

  • Selbst in kapitalgedeckten Systemen arbeitet nicht das Geld selbst, sondern es findet die klassische Faktorkombination (Arbeit, Boden, Kapital) statt.

    Es ist doch immer die aktuell arbeitende Bevölkerung, die die nicht arbeitende Bevölkerung (z. B. zu jung oder zu alt zum Arbeiten) unterhält.

    Wobei halt Arbeit als demographieabhängiger Faktor nur einer von drei ist, während es in der GRV den einzigen darstellt. Die letzten Jahrzehnte wurden hohe Produktivitätsgewinne durch den Einsatz von Maschinen und Digitalisierung erzielt (=Kapital), durch globale Konkurrenz kommt davon aber eher wenig beim Arbeitnehmer an. Dazu lässt sich Kapital auch leicht außerhalb von Deutschland anlegen, Arbeit im Ausland ist dagegen nicht mehr für die GRV relevant.

  • Im Inland mag das noch halbwegs umsetzbar sein, im Ausland wird es schwierig. Da ist der Zugriff über die Unternehmensgewinne deutlich einfacher, auch im Hinblick auf komplexe Steuersparmodelle internationaler Großkonzerne.