Hat Socially Responsible Investing einen tatsächlichen Vorteil?

  • Ich habe ein recht schlichtes Depot mit ETFs auf MSCI World SRI und MSCI Emerging Markets SRI. Wenn man sich die Top Holdings anschaut, dann ist in World SRI vor allem Tesla und Microsoft drin, im normalen World ist dann aber auch Apple, Meta, Google, NVIDIA, Exxon Mobil (Öl) und Lilly (Pharma) drin. So richtig verstehe ich nicht, warum Tesla und Microsoft besser sein sollen als die anderen IT-Firmen. Bei der Ölfirma bin ich aber ganz froh, dass sie nicht drin ist.


    Aber was bringt es denn überhaupt diese Firmen nicht im Fonds zu haben? Den Teil mit der Rendite verstehe ich noch ein bisschen. Ich wette darauf, dass nachhaltige Dinge langfristig besser laufen. Aber wieso sollte die Welt besser werden, wenn ich in einen nachhaltigen Fonds investiere? Die Aktien kaufe ich ja nicht der Firma ab, sondern anderen Leuten auf dem Markt. Und die Firma bekommt davon nicht wirklich was mit.


    Falls Firmen aber noch Aktien halten und diese irgendwann verkaufen, profitieren sie von hohen Kursen. Wenn man also keine Aktien einer Ölfirma hat, so gibt es etwas weniger Nachfrage und die Preise sind etwas geringer. Und wenn die Firma dann neues Kapital braucht, ist es minimal weniger lukrativ. Aber passiert das wirklich so?


    Oder anders herum gefragt: Welchen Schaden richtet man an, wenn man Aktien von einer bösen Firma hat?

  • Aber wieso sollte die Welt besser werden, wenn ich in einen nachhaltigen Fonds investiere?

    Das ist eine schöne Frage. Ich glaube, das man nicht-nachhaltige Firmen besser durch Konsumverzicht abstraft, als deren Aktien nicht zu kaufen. Von daher verzichte ich auf SRI. Die Zeit wird zeigen, ob mein Glaube richtig ist...

  • Deine Denkweise ist veraltet. Was gerade gut oder böse ist, entscheidet der Zeitgeist wie er gerade lustig ist. Müller Milch einschließlich Weihenstephan und was sonst so dazu gehört, ist beispielsweise gerade böse. Darfst du also nicht kaufen, falls die mal an die Börse gehen. Tesla war bis vor kurzem gut, ist jetzt aber auch böse. Rheinmetall, Diehl, Lockheed Martin oder Raytheon sind dagegen jetzt keine Paria mehr, sondern nachhaltig gut. Die bauen alles, was die Zeitenwende braucht, um das böse konsequent in Grund und Boden zu bomben, sind zum Teil sogar im Recyclinggeschäft tätig und machen eingemottete 60er-Jahre-Panzer wieder einsatzfähig.

  • Bei https://www.finanzfluss.de/etf/thema/nachhaltige-etf/ unter der Überschrift »Wie sehr hilft man wirklich der Umwelt?« steht das mit dem Konsumverzicht ebenfalls. Da Privatanleger nur über den Sekundärmarkt an Aktien kommen, spüren die Unternehmen da nichts.


    Und die Einteilung in Gut/Böse ist in der Tat auch bei mir schon gekippt. Rüstung finde ich jetzt gar nicht mehr so schlimm, Tesla aber schon fragwürdig. Wahrscheinlich wollte ich einfach was gutes tun, aber das ist halt nicht so eindimensional möglich.


    Ich habe mich jetzt entschieden einfach in einen MSCI ACWI (ohne SRI oder ESG) zu investieren. Das ist breit gestreut und spiegelt den Weltmarkt wieder. Nicht mehr, nicht weniger.

  • Naja, für diese Phase. Aber nun habe ich schlecht geschlafen, weil Tesla das Top-Holding ist und mir NVIDIA gefehlt hatte. Mir kam es immer mehr so vor, als wäre MSCI SRI irgendwie ein Greenwashing und fühlte mich zunehmend verarscht. Ich nehme die Welt auch zunehmend in Graustufen wahr. Wenn zum Beispiel RWE zwar Kohle abbaut, allerdings mit der größte Betreiber von erneuerbaren Energien ist, ist die Firma dann wirklich »böse«? Wenn Rheinmetall oder KMW Panzer für die Ukraine bauen und damit Profit machen, ist das nicht mehr böse, das ist schon gut.


    Auch stört mich, dass ich explizit zwischen MSCI World und MSCI Emerging Markets das Rebalancing machen muss. Das war früher kein Problem, inzwischen ist das Depot so groß, dass ich durch das Verkaufen Gewinne jenseits des Freibetrages realisieren würde. Und ich spüre, wie ich in die nächste Lebensphase komme und ich Investieren inzwischen einfach spröde finde. Entsprechend wollte ich lieber ein Ein-ETF-Depot haben.


    Vielleicht ist es nur eine dünne Ausrede sich auf den Sekundärmarkt und zu beziehen und sagen, dass ich durch mein Investment keinen Einfluss auf die Welt habe. Aber ich möchte jetzt einfach nur am Weltmarkt möglichst ohne zusätzlichen Bias teilhaben. Nicht versuchen clever zu sein, nicht versuchen moralisch überkorrekt zu handeln. Dann investiere ich lieber simpler und stecke die Energie und Zeit in mein Ehrenamt.

  • Zum Rebalancing wird man nicht gezwungen.

    Wenn man sich mit Rebalancing besser fühlt, dann sollte man es machen, wenn nicht, dann nicht. Sagt ja auch keiner, dass das Rebalancing in einem Schrritt erfolgen muss. Durch Anpassung der Sparraten lässt sich über die Zeit einiges regeln.

    Das kann jeder nach persönlichen Vorlieben und den eigenen Möglichkeiten gestalten.

  • Als jahrelanger 1 ETF Sparer habe ich mich nicht mit Rebalancing beschäftigt. Ob am Ende mehr raus kommt weiß man hinterher. Im Freundeskreis habe ich ein Beispiel, er schiebt dann jährlich hin und her, zufrieden ist er aber auch nicht. In meinem Spielgeld Depot habe ich auch ein bisschen rumgebastelt, insgesamt ist mein ETF auf den MSCI World für die Altersvorsorge am ertragreichsten gewesen, ohne Arbeit und nachdenken. Jeder macht mit seinem Geld was er für richtig hält, wenn er sich nicht verzettelt ist alles gut. Gleiches gilt für mich für mich für die Auswahl am Inhalt des Fonds, da ist für mich nicht immer klar welche Unternehmen sind nun gut und welche böse, zumal das auch jeder anders einschätzt.

  • Naja, für diese Phase. Aber nun habe ich schlecht geschlafen, weil Tesla das Top-Holding ist und mir NVIDIA gefehlt hatte. Mir kam es immer mehr so vor, als wäre MSCI SRI irgendwie ein Greenwashing und fühlte mich zunehmend verarscht. Ich nehme die Welt auch zunehmend in Graustufen wahr. Wenn zum Beispiel RWE zwar Kohle abbaut, allerdings mit der größte Betreiber von erneuerbaren Energien ist, ist die Firma dann wirklich »böse«? Wenn Rheinmetall oder KMW Panzer für die Ukraine bauen und damit Profit machen, ist das nicht mehr böse, das ist schon gut.

    Die Welt hat schon immer aus Graustufen bestanden und jedes Unternehmen, ja auch Blackrock (iSHares) hat ein Interesse daran, seine Produkte zu verkaufen. SRI ist ein hype und es gibt genügend Leute, die es kaufen ohne darüber nachzudenken. Ist genau so bei Wahlen.

  • Das Ganze hat zwei Dimensionen:

    1. was ist "gut" und was ist "böse"

    2. haben "gute" Unternehmen wirklich eine Überperformance?


    Die erste Frage ist im Wesentlichen Willkür. Entsprechende Ratingagenturen stellen ein Scoringsystem auf und am Ende kann man ausrechnen, wie viele Frauen man in den Vorstand befördern muss, damit man die Umwelt verseuchen darf oder wie groß die PV-Anlage auf dem Lagerhaus sein muss, damit man Arbeiter schlecht behandeln darf.

    Die zweite Frage ist deutlich eindeutiger. Sofern man an einigermaßen effiziente Märkte glaubt, sind gute und schlechte Zukunftsaussichten bereits eingepreist. Eine Überperformance ist also wenig wahrscheinlich. Mehr noch, das Ziel nachhaltigen Investierens ist ja, die Kapitalkosten der nachhaltigen Unternehmen zu senken. Die Kapitalkosten* der Unternehmen sind aber genau die Rendite des Investors. Wenn das Ziel erreicht wird, kommt also zwingend eine Unterperformance gegenüber einem marktneutralen Portfolio heraus.




    *ein Unternehmen kann neues Kapital auf zwei Arten beschaffen. Entweder es nimmt Fremdkapital auf, z.B. per Anleihe. Zahlt eine grüne Anleihe weniger Zinsen, ist das direkt der Schaden des Anlegers. Ein Unternehmen kann aber auch Eigenkapital erhöhen, durch die Ausgabe neuer Aktien. Übernahmen werden gerne mit Aktien bezahlt statt in Cash. Je höher das Unternehmen bewertet ist, desto geringer die zukünftige Rendite des Investors.

  • Ich geb auch mal meinen Senf dazu (was ich nicht so oft mache...). Das Thema "Nachhaltiges Investieren" wird von den alten Hasen hier im Forum sehr häufig belächelt. Hier gibt es vermutlich auch einfach einen Generationenkonflikt (Gen Z vs Boomer). Aber darauf will ich gar nicht näher eingehen, denn das war ja nicht die Frage. Aus meiner Sicht hat SRI mehrere Ebenen:


    Ebene 1: ESG-Rating

    Ein ESG-Rating bewertet ja erst mal einen Risikofaktor. Also nicht, wie toll nachhaltig das Unternehmen ist, sondern eher, wie gut das Unternehmen auf das Risiko ESG vorbereitet ist. Die Welt, Anforderungen und Vorschriften werden sich ändern. Wer die Risiken nicht berücksichtigt, wird früher oder später schlechtere Ergebnisse liefern.


    Ebene 2: Ausschluss aus dem Index

    Wird ein Unternehmen aus dem Index ausgeschlossen, hat dies zwar erst mal wenig Einfluss auf die Kapitalbeschaffung, allerdings in gewissem Umfang auf den Aktienkurs. Das dürften die Aktionäre vermutlich mäßig begeistert sein. (Vor 1 - 2 Jahren gab es eine Studie, die ich leider nicht mehr finde, die hier auch die Auswirkungen analysiert hat. Unternehmen die aus dem Index ausgeschlossen wurden oder nahe dran waren, haben ihre Aktivitäten zum Thema Nachhaltigkeit hochgefahren und ihren CO₂-Ausstoß gesenkt.)


    Ebene 3: Engagement

    Häufig als wichtigster Einflussfaktor genannt. Wie stimmt die Investmentgesellschaft bei Hauptversammlungen ab. BNP Paribas und Amundi nutzen auch ihre Stimmrechte aus ETF-Anteilen. Die eigentliche Arbeit "zahlen" die aktiven Fonds der jeweiligen Gesellschaft. Damit mehr Gewicht in der Waagschale liegt, werden aber die Stimmen der ETFs mitgenutzt.

  • haben ihre Aktivitäten zum Thema Nachhaltigkeit hochgefahren und ihren CO₂-Ausstoß gesenkt

    Und die Firmen haben dann die dreckige Tochter ausgegliedert damit sie nicht mehr unter ihrem Namen ganz normal den Dreck weiter in die Luft pustet….


    Wenn der Druck nicht aus der Politik kommt wird sich global wenig ändern.


    Als Verbraucher habe ich die Macht im Portemonnaie und kann bei jeder Kaufentscheidung mich für nachhaltige und regionale Produkte entscheiden.


    Aber was nutzt der nachhaltige ETF wenn der dritte SUV vor der Tür steht und dreimal im Jahr um die Welt geflogen wird?


    Nichts….der Impakt sich selbst einzuschränken wäre viel größer als durch hellgrünes Investieren am Kapitalmarkt. Für mich ist das ein moderner Ablasshandel……aber jeder wie mag.

  • Aber was nutzt der nachhaltige ETF wenn der dritte SUV vor der Tür steht und dreimal im Jahr um die Welt geflogen wird?


    Nichts….der Impakt sich selbst einzuschränken wäre viel größer als durch hellgrünes Investieren am Kapitalmarkt. Für mich ist das ein moderner Ablasshandel……aber jeder wie mag.


    Da stimme ich dir zu. Welche Partei ich wähle und wie ich mich persönlich verhalte, hat genauso Auswirkungen. Das sind alles einzelne Bausteine. Dass ich mir jeden Tag meine 4 kg Rindfleisch vom Discounter mit meinem SUV abhole, kann ich nicht mit einem nachhaltigen ETF kompensieren. Aber wenn mir das Thema Nachhaltigkeit wichtig sind, dann fahre ich sowieso schon Fahrrad und engagiere mich politisch entsprechend. Da passt der grüne ETF dazu.


    Die Frage war ja auch, ob ein SRI ETF positive Auswirkungen hat. Und diese sehe ich durchaus. Er ist aber natürlich nicht das Allheilmittel.

  • Oder anders herum gefragt: Welchen Schaden richtet man an, wenn man Aktien von einer bösen Firma hat?

    Diese Fragestellung ist grundsätzlich auch sehr interessant beim Thema SRI. Ist dein ETF/Fonds /du in die "bösen" Firmen nicht investiert, hat die Fondsgesellschaft auch kein Mitspracherecht. Das Thema Impact entfällt also vollständig.


    Ein sehr häufig genanntes Beispiel ist "Engine No 1" und Exxon Mobile. Engine No 1 hat, obwohl es nur 0,02% der Anteile von Exxon gehalten hat, drei ihrer Leute in den Aufsichtsrat von Exxon bekommen: Artikel beim Manager Magazin


    Mein eigenes Portfolio habe ich die letzten Jahre übrigens ziemlich umstrukturiert. Von vielen dunkelgrünen teuren aktiven Fonds, bin ich zu eher hellgrünen SRI ETFs gewechselt. Der echte Impact der dunkelgrünen war mir zu schlecht zu erkennen. Das Reporting zu umständlich und verständlich. Und da es auch um meine Altersvorsorge geht und ich mit meiner Fondsauswahl nicht die Welt retten werde, hab ich hauptsächlich nur noch diese Kerlchen hier im Depot: BNP Paribas Easy MSCI World SRI S-Series PAB 5% Capped (A2DVEZ)

  • Die Aktien kaufe ich ja nicht der Firma ab, sondern anderen Leuten auf dem Markt. Und die Firma bekommt davon nicht wirklich was mit.

    Ich glaube über den Punkt müsste man nochmal nachdenken und sprechen…! 😜


    Wenn dem so wäre, dann würde der gesamte Aktienhandel keinen Sinn machen! Unternehmen refinanzieren sich nunmal an der Börse in Punkto Eigenkapital. Ob beim IPO oder bei späteren Kapitalerhöhungen: Eigenkapital ist knapp und teuer und Unternehmen haben ein gesteigertes Interesse an hohen Aktienkursen um sich hier nicht unter Wert zu verkaufen bzw. zu refinanzieren!


    Und genau da setzt SRI an: Für weniger nachhaltige Unternehmen wird es teurer, was zumindest das Potenzial hat, Veränderungen anzustoßen. Die Auswahl der Unternehmen ist natürlich nie trennscharf oder schwarz/weiss. Aber ich für meinen Teil bin froh, nicht von Erdölkonzernen, Streumunitionsherstellern u.s.w. oder von Google/Facebook zu profitieren, wenn ich mir anschaue, was diese Konzerne mit dem Planeten, unserer Demokratie oder den Bürgerrechten machen. Mir ist von den IT-Unternehmen Microsoft trotz der aktuellen Diskussionen wirklich am sympathischsten. Da sehe ich mit klassischer Softwareentwicklung noch am ehesten eine sinnvolle Wertschöpfung. Tesla betrachte ich auch als das geringere Übel u.s.w!


    Mein Fazit: SRI-ETFs sind nicht perfekt. Nachhaltiger wäre aus meiner Sicht z.B. der (aktive) GLS-Aktienfonds. Aber mit den SRI-ETFs kann ich persönlich besser schlafen oder meinen Kindern später erklären, warum ich in diese investiert habe…! 🙂