Wie schädlich ist die vorzeitige Entnahme aus dem ETF

  • Hallo,


    ich habe vor 2-3 Jahren mit dem ETF-Sparen begonnen und wollte das als Altersvorsorge nutzen. Ich spare monatlich. Aktuell habe ich ein deutliches Plus seit der Einzahlung und es ist verlockend, dort etwas rauszuholen. Das fühlt sich ja an wie geschenktes Geld. Ich frage mich nur, wie sehr das auf lange Sicht schadet?


    Wenn ich beispielsweise jetzt 15 % im Plus bin und nächste Woche nur noch 2 % im Plus. Kann ich dann froh sein, die 15 % in 20 Jahren "drin" gelassen zu haben? Summieren sich die Zinsen, selbst wenn ich nur kurzzeitig so hoch im Plus bin? Oder habe ich mehr davon, wenn ich jetzt schon 15 % raushole und den Gewinn einfach realisiere?


    Danke!

  • Altersvorsorge sollte für das Alter sein. Man sollte also möglichst konsequent und regelmäßig sein Ruhekapital aufbauen und nicht vorzeitig anfassen.


    Aber natürlich ist der Begriff "Altersvorsorge" nur ein gedankliches Schild, dass von Dir an diesen Sparplan geheftet wurde und Du kannst mit Deinem Geld machen, was Du willst. Überlege es Dir aber gut. Der Zugewinn soll ja auch die Inflation ausgleichen.

  • Du gehst ja vielleicht auch davon aus, dass die ETF mal steigen und auch mal fallen, aber meistens und auf lange Sicht immer steigen. Wann sie steigen oder fallen, weißt Du nicht. (Jedenfalls nicht vorher.) Dann ist es also sinnvoll, in denen investiert zu bleiben.


    Mal angenommen, der ETF "macht" jedes Jahr 6 % und Du entnimmst X Euro. Dann hast Du in Y Jahren X*1,06^Y Euro weniger als ohne die Entnahme . Beispiel: 2000 Euro bei gleichmäßig 6 % Wertsteigerung in 20 Jahren: 2000*1,06^20 = 2000*3,21 = 6414 Euro.

  • Die Frage ist, was Du unter 'rausholen' genau verstehst. ;)

    Ich habe z.B. in den letzten Jahren meinen Freibetrag optimal ausgenutzt, in dem ich ETF-Anteile mit Gewinnen verkauft und anschließend gleich wieder gekauft habe (Rollen von ETF-Anteilen).

    Ich habe damit also Buchgewinne in meinem Depot dauerhaft steuerfrei gemacht. Ich habe aber kein Geld aus meinem Depot 'herausgeholt'. Der Wert des Depots blieb gleich.


    Wenn Du Gewinne realisierst und das Geld aus dem Depot heraus nimmst, kann dieses Geld halt keine Rendite mehr erzielen.

  • Ich habe vor 2-3 Jahren mit dem ETF-Sparen begonnen und wollte das als Altersvorsorge nutzen. Ich spare monatlich. Aktuell habe ich ein deutliches Plus seit der Einzahlung und es ist verlockend, dort etwas rauszuholen. Das fühlt sich ja an wie geschenktes Geld. Ich frage mich nur, wie sehr das auf lange Sicht schadet?

    Sehr.


    Genau das macht den entscheidenden Unterschied: Der eine legt Geld zur Seite und schaut es nie mehr an, bis er in Rente geht, freut sich dann aber über das erfreuliche Ergebnis.


    Der andere schaut dauernd nach, zieht jeden überdurchschnittlichen Gewinn heraus, steht hinterher mit einer überschaubaren Summe da und wundert sich: "Die paar kleinen Entnahmen sollen solche Auswirkungen gehabt haben?"


    Langfristiges Kapital faßt man nicht an, bis man in Rente geht. Punkt. Am besten, man wirft die Zugangsdaten zu dem betreffenden Konto weg, wenn man sich selbst anders nicht disziplinieren kann.

  • Du gehst ja vielleicht auch davon aus, dass die ETF mal steigen und auch mal fallen, aber meistens und auf lange Sicht immer steigen. Wann sie steigen oder fallen, weißt Du nicht. (Jedenfalls nicht vorher.) Dann ist es also sinnvoll, in denen investiert zu bleiben.


    Mal angenommen, der ETF "macht" jedes Jahr 6 % und Du entnimmst X Euro. Dann hast Du in Y Jahren X*1,06^Y Euro weniger als ohne die Entnahme . Beispiel: 2000 Euro bei gleichmäßig 6 % Wertsteigerung in 20 Jahren: 2000*1,06^20 = 2000*3,21 = 6414 Euro.

    Danke für die anschauliche Formel. Hier auf Finanztip wird ja auch immer so grob mit 7 % beim MSCI World gerechnet. Das hab ich auch im Hinterkopf und bin deshalb so nachdenklich, weil meiner grad bei 15 % steht. Wenn ich gegen Jahresende immer bei ca. 7 % stehe (und er wieder von 15 % runter ist), hab ich doch Geld verschenkt, wenn ich in dieser kurzzeitigen Hochphase nichts rausgenommen habe oder?

  • Hier auf Finanztip wird ja auch immer so grob mit 7 % beim MSCI World gerechnet. Das hab ich auch im Hinterkopf und bin deshalb so nachdenklich, weil meiner grad bei 15 % steht. Wenn ich gegen Jahresende immer bei ca. 7 % stehe (und er wieder von 15 % runter ist), hab ich doch Geld verschenkt, wenn ich in dieser kurzzeitigen Hochphase nichts rausgenommen habe oder?

    Klar.


    Den größten Börsenerfolg hast Du immer, wenn Du am Tiefpunkt kaufst und am Hochpunkt verkaufst. Mach hin! Du schaffst das!

  • gelbewand Das wäre denn so. Es gibt immer Spitzen, nach denen es denn erstmal runtergeht (sonst wäre es ja keine Spitze) und Täler, nach denen es wieder aufwärts geht. Das sieht hinterher immer alles ganz klar aus, aber im voraus weiß das keiner. (Am allerwenigsten die Leute, die die Prognosen schreiben.) Und weil es kurzfristig nicht vorhersehbar ist und langfristig nach oben geht ist der einzig sinnvolle Umgang dem Thema, immer voll investiert zu bleiben.

  • Moin gelbewand ,


    das was du da vor hast ist Market Timing. Klappt leider nicht gut, damit lassen viele Sparer ordentlich Rendite liegen.


    An der Börse wird nicht geklingelt: Der unerfüllte Traum vom Market Timing – Teil 1 - Prof. Dr. Hartmut Walz
    Ein Plädoyer gegen Market Timing, Aktivitätsdruck, aktives Handeln und überhöhte Erwartungen an Fondsmanager.
    hartmutwalz.de

    An der Börse wird nicht geklingelt: Unsere besten und unsere schlechtesten Tage, Market Timing – Teil 2 - Prof. Dr. Hartmut Walz
    Market Timing - nein danke! Denn: Es ist langfristig risikoreicher, NICHT an den Aktienmärkten investiert zu sein, als an den Aktienmärkten investiert zu sein.
    hartmutwalz.de


    Viel Erfolg mit deinen Finanzentscheidungen und eine ruhige Hand.

  • interessantes thema.


    der von mir sehr geschätzte dr. andreas beck hat in seinem Global Portfolio One seit jahren eine timing-strategie:

    Zitat

    Der Antizyklik Faktor

    Neben der anderen Gewichtung unterscheidet sich das Global Portfolio One von anderen Fonds vor allem durch die Investitionsreserve. Diese beträgt im “Normalzustand” 20%. Kommt es zu einer Krise, wird diese verwendet, um schrittweise Aktien günstig nachzukaufen. Und das funktioniert so:

    Für das Global Portfolio One bestehen drei verschieden Phasen oder “Regimes”:

    • Regime A: “Normal”: 80% des Fondsvolumens sind in Aktien investiert, 20% sind in der Investitionsreserve.
    • Regime B: “Eigenkapitalknappheit”: Der Aktienanteil beträgt nun 90% und die Investitionsreserve nur noch 10%.
    • Regime C: “Eskalation der Eigenkapitalknappheit”: 100% des Fondsvolumens ist in Aktien investiert.

    Wann die Wechsel zwischen den verschiedenen Regimes stattfinden, ist klar definiert:

    • A zu B: Im Vergleich zum Dreijahreshoch hat der Aktienmarkt einen Verlust von mehr als 20%. Und die Volatilität des Aktienmarkts des letzten Monats ist um das 1,5-Fache höher als die langfristige Volatilität.
    • B zu C: Seitdem der Regimewechsel (von A oder C) zu B erfolgt ist, hat der Aktienmarkt um weitere 25% verloren, die Volatilität des vergangenen Monats ist um das 1,5-Fache höher als die langfristige Volatilität. Und seit dem Regimewechsel von A zu B ist mehr als ein Jahr vergangen.
    • C zu B: Seit dem Dreijahrestief hat der Aktienmarkt um 50% gewonnen, die kurzfristige Volatilität (1 Monat) ist kleiner als die langfristige Volatilität des Aktienmarktes und seit dem Wechsel zu C ist mindestens ein Jahr vergangen.
    • B zu A: Seit dem Regimewechsel zu B hat der Aktienmarkt 25% gewonnen und die kurzfristige Volatilität (1 Monat) ist kleiner als die langfristige Volatilität des Aktienmarktes.

    Was beim ersten Lesen nach einem komplexen Regelwerk aussieht, lässt sich stark vereinfacht so zusammenfassen: Stürzt der Aktienmarkt in die Tiefe und ist zudem volatiler als im Normalzustand, wird die Aktienquote erhöht. Und erholt sich dieser, wird wieder eine Investitionsreserve gebildet. Außerdem werden einige Regimewechsel erst mindestens ein Jahr nach dem letzten Regimewechsel durchgeführt, damit starke Schwankungen nicht zu einem ständigen hin und her führen.

  • interessantes thema.


    der von mir sehr geschätzte dr. andreas beck hat in seinem Global Portfolio One seit jahren eine timing-strategie:

    Das Konzept hört sich überzeugend an und mag auch mal funktionieren, aber unterm Strich zählt halt nur, was hinten rauskommt:

    Theoretisch hat sich Georg auf seinem Blog ja schon mal mit dem GPO beschäftigt:

    Ist das Global Portfolio One einer klassischen Buy and Hold Strategie überlegen?
    So oder so ähnlich lauteten viele Fragen in der Leserpost, die ich in den letzten Wochen erhalten habe. Mir war dieses Produkt bis zu diesem Zeitpunkt nicht be
    www.finanzen-erklaert.de

    Oder einfach mal der Vergleich mit einem marktbreiten Aktien-ETF:

    Vergleichen - fondsweb



    Und hier nochmal der Vergleich mit einem Vanguard Life Strategy 80:

    Vergleichen - fondsweb


    Wozu der Aufwand und die Mehrkosten!? :/

    Die Mehrkosten von 0,7% p.a. muss der GPO halt erstmal hereinholen. Und zwar jedes Jahr!

  • Es geht mir ja nichtmal darum, dass ich jetzt unbedingt Spitzen und Täler suche und in der gefühlten Spitze verkaufe. Ich habe nur derzeit mit 15 % Plus gefühlt ein Monatsgehalt geschenkt bekommen und weiß immer noch nicht, ob mir das in 20 Jahren weh tut, wenn ich es jetzt rausnehme, oder ob das keinen großen Unterschied macht.

  • Es geht mir ja nichtmal darum, dass ich jetzt unbedingt Spitzen und Täler suche und in der gefühlten Spitze verkaufe. Ich habe nur derzeit mit 15 % Plus gefühlt ein Monatsgehalt geschenkt bekommen und weiß immer noch nicht, ob mir das in 20 Jahren weh tut, wenn ich es jetzt rausnehme, oder ob das keinen großen Unterschied macht.

    das kann dir keiner sagen.


    tendenziell schmälert wahrscheinlich jede entnahme, die du nachher nicht wieder investiert hast, deine rendite rückblickend. vor allem der zinseszins effekt wird gerne unterschätzt. gegen den "arbeitest" du jetzt, wenn du entnimmst.


    es kann aber auch sein, dass die 15% jetzt, die du "gerettet" hast, ein guter move waren, weil die kurse fallen. und evtl. musst du ja früher "raus" weil du kohle brauchst!

  • Es geht mir ja nichtmal darum, dass ich jetzt unbedingt Spitzen und Täler suche und in der gefühlten Spitze verkaufe. Ich habe nur derzeit mit 15 % Plus gefühlt ein Monatsgehalt geschenkt bekommen

    Das heißt: Dein Depot ist satte sechs Monatsgehälter schwer.

    ... und weiß immer noch nicht, ob mir das in 20 Jahren weh tut, wenn ich es jetzt rausnehme, oder ob das keinen großen Unterschied macht.

    Natürlich weißt Du es, da es in allen einschlägigen Veröffentlichungen so steht (mit beiliegender Arithmetik). Aber es juckt Dich halt in den Fingern, das "geschenkte" Geld rauszuziehen und zu verleben. Das ist genau das Mindset dessen, der mit seinem vermeintlichen Sparen auf keinen grünen Zweig kommt.


    Mal angenommen, es gäbe in einem Jahr einen Einbruch um 15%. Man hätte Dir dann also kein Monatsgehalt "geschenkt", sondern eins "gestohlen". Würde es Dich dann genauso in den Fingern jucken, das "gestohlene" Monatseinkommen zum Ausgleich dazuzulegen?

  • Es geht mir ja nichtmal darum, dass ich jetzt unbedingt Spitzen und Täler suche und in der gefühlten Spitze verkaufe. Ich habe nur derzeit mit 15 % Plus gefühlt ein Monatsgehalt geschenkt bekommen und weiß immer noch nicht, ob mir das in 20 Jahren weh tut, wenn ich es jetzt rausnehme, oder ob das keinen großen Unterschied macht.

    Konsequent sein.


    Wenn Du jetzt Dein Monatsgehalt rausnimmst, musst Du, wenn der Kurs unter Deiner 7%-Marke ist, auch mal 1-2 Monatsgehälter zuschießen. Wenn Du das dann kannst und willst, ist da zumindest eine Logik hinter.*


    Aber wenn Du alles über 7% abschöpfst und nicht nachschießt wenn der kurs schlecht läuft, dann wirst Du natürlich nicht mit durchschnittlich 7% rechnen können.


    *Das bedeutet aber auch, dass immer genug Liquidität nur für den Fall bereitgehalten werden muss, die keine Gewinne erwirtschaftet...

  • gelbewand

    Irgendwann wird Dein Depot wahrscheinlich täglich um einen Monatslohn schwanken. Prozentual ist das dann wohlmöglich nur 1-2%. Würdest Du Dir dann auch Gedanken darum machen? :/

    Ich denke nicht über den Monatslohn von heute nach, weil den bekomme ich von meinem Arbeitgeber für meine Arbeit. Und zwar jeden Monat.

    Ich denke über meinen Monatslohn in 20-40 Jahren nach, wenn ich in Rente bin. Das Geld im Depot brauch ich jetzt und solange ich arbeite nicht!

  • Ich lass es drin, Leute ^^ Ihr habt alle gut zugeredet, danke dafür. Ich brauch es halt wirklich nicht und hatte nur Angst, dass mein "Geschenk" wohlmöglich bald wieder flöten geht, wenn ich es nicht nehme.

  • Ich brauch es halt wirklich nicht und hatte nur Angst, dass mein "Geschenk" wohlmöglich bald wieder flöten geht, wenn ich es nicht nehme.

    Kann und wird bestimmt irgendwann passieren!

    Geh einfach mal davon aus, dass die Kurse wieder nachgeben oder es irgendwann einen Crash gibt. Dann kaufst Du aber mit jeder Sparplanausführung zu günstigen Kursen Anteile nach!

    Gerade am Anfang solltest Du sogar darauf hoffen, dass es zu einen längerfristigen Crash kommt, da Dir als Sparplansparer gar nicht besseres passieren kann.:)


    Wenn ich es mir aussuchen könnte hätte ich gern die nächsten 10 Jahre eher seitwärts laufende Kurse, damit ich weiter fleißig günstige ETF-Anteile einsammle. Und dann die nächsten 10 Jahre darauf ein stabiles Wachstumsjahrzehnt an der Börse! :thumbup: