Nur Beihilfe ohne PKV-Grundlage

  • Die Mutter einer Bekannten hat es allem Anschein nach geschafft, als Beamtin im Ruhestand nicht in einer privaten oder gesetzlichen Krankenkasse versichert zu sein und Geldersatzleistungen ausschließlich von der Beihilfe zu beziehen und den Rest der Rechnungen aus eigener Tasche zu zahlen. Das ging dank gesunder Lebensführung und mit etwas Glück über 30 Jahre bis heute gut. Nun kam im Arztgespräch die Frage auf, an welche Pflegekasse man sich zwecks Beratung wenden könne. Eine Pflegekasse der Beihilfe gibt es in dieser Form natürlich nicht. Vor der Versicherungs-"optimierung" war sie privat versichert.


    Die wichtige Frage: Was muss die Mutter jetzt tun? Wie ist der rechtliche Rahmen?


    Die unwichtige aber interessante Frage: Wie konnte das passieren?

  • Ich bin verblüfft, daß gerade Du das hier fragst. Hätte jemand anderes diese Frage gestellt, hätte ich den Frager umstandslos an Dich verwiesen.


    Schon seit etlichen Jahren besteht im Lande Krankenversicherungspflicht. Wenn jemand seine Krankenversicherung kündigt, bleibt dennoch die ehemalige Krankenversicherung in der Pflicht. Ob diese nach 30 Jahren noch Unterlagen vorliegen hat? Ob es die Versicherungsgesellschaft in der damaligen Form überhaupt noch gibt?


    Meiner Kenntnis nach muß die ehemalige private Krankenversicherung die ehemalige Versicherung wieder aufnehmen, zumindest im Basistarif, kann allerdings Beiträge für die unversicherte Zeit nachfordern (Ich weiß nicht, für welchen Zeitraum).


    So ein Extremfall dürfte selbst Dir das erste Mal untergekommen sein!

  • Ich hatte schon mehrfach Betreute, die selbst gedacht haben, sie wären aufgrund fehlender Beitragszahlung nicht mehr in der Krankenversicherung (GKV), obwohl sie es die ganze Zeit waren. Die sind schnell wieder "drin". Hier ist das ein anderes Kaliber.


    In den letzten Jahren war es so gut wie unmöglich, das Krankenversicherungssystem absichtlich oder unabsichtlich komplett zu verlassen. Wie war es vor 30+ Jahren? Hätte damals die alte Kasse für die Kündigung den Nachweis der Anschlussversicherung verlangen müssen? Hätte der Dienstherr sich die Krankenkassenmitgliedschaft bestätigen lassen müssen?


    Im VZ-Artikel genannte Bedingungen für PKV-Heimkehrer mit 6 Monaten volle Prämie, denn 1/6 des Beitrags werfen erstens die Fragen auf wie "1/6 von welchem Beitrag" und führen im zweitens zum Ergebnis "egal von was, es wird viel zu viel sein".

  • Ich hatte schon mehrfach Betreute, die selbst gedacht haben, sie seien aufgrund fehlender Beitragszahlung nicht mehr in der Krankenversicherung (GKV), obwohl sie es die ganze Zeit waren. Die sind schnell wieder "drin". Hier ist das ein anderes Kaliber.

    Ja :)

    In den letzten Jahren war es so gut wie unmöglich, das Krankenversicherungssystem absichtlich oder unabsichtlich komplett zu verlassen. Wie war es vor 30+ Jahren? Hätte damals die alte Kasse für die Kündigung den Nachweis der Anschlussversicherung verlangen müssen? Hätte der Dienstherr sich die Krankenkassenmitgliedschaft bestätigen lassen müssen?

    30 Jahre sind eine lange Zeit. Da stellt sich beispielsweise die Frage, ob überhaupt noch Unterlagen existieren. Obwohl: Computerisiert dürfte das vor 30 Jahren schon gewesen sein, da stellt sich die Frage nach dem Platzbedarf nicht in dem Maße wie bei Papier. Papierunterlagen dürften nach dieser Zeit geschreddert sein. Hast Du schon die Vorversicherung herausbekommen und angeschrieben. Man darf gespannt sein, was diese antwortet.

    Im VZ-Artikel genannte Bedingungen für PKV-Heimkehrer mit 6 Monaten volle Prämie, denn 1/6 des Beitrags werfen erstens die Fragen auf wie "1/6 von welchem Beitrag" und führen im zweitens zum Ergebnis "egal von was, es wird viel zu viel sein".

    Was wäre das Leben - Dein Leben! - ohne derartige Fälle? :)

  • Andere machen Extremsportarten. Mir würde ein Gespräch bei der Debeka (nur geraten)-Spezialabteilung für Sonderfälle schon reichen. Gesprächseröffnung: "Ich habe eine neue Kundin für Sie. Eigentlich ist es eine alte. Im doppelten Sinne alt. Haben Sie noch die Unterlagen aus den 70er und 80er Jahren? Die Gesundheitsprüfung entfällt. Der Tarif steht auch schon fest.* Keine Vertriebskosten. Chefarztbehandlung lassen wir heute weg."


    * Der Tarif steht vielleicht fest, aber welcher wird das?

  • Eine einfache Patentlösung fällt mir hier auch nicht ein. Die Dame hat ja vielleicht selbst noch Unterlagen zur früheren PKV? Dann diese Gesellschaft ansprechen und nach einer Lösung fragen. Könnte durchaus sein, dass die Nachzahlung der ganzen bisherigen + künftige Beiträge sie insgesamt teurer kommt als künftig zu erwartende Leistungen.

    Dr. Schlemann unabhängige Finanzberatung GmbH & Co. KG
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  • Was tun bei Beitragsschulden in der privaten Krankenversicherung? | Verbraucherzentrale.de
    Wer seine Beiträge für die private Krankenversicherung (PKV) nicht zahlen kann, verliert seine Versicherung nicht. Dann werden Sie in den Notlagentarif…
    www.verbraucherzentrale.de


    Laut der Verbraucherzentrale müsste man theoretisch nur 15 Monatsbeiträge in der PKV nachzahlen. Die Krankenversicherungspflicht gilt erst seit 2009. Eventuell müsste man von diesem Datum ausgehen und dann 6 Monate voll + für jeden Monat 1/6. Bei 30% Versicherungspflicht relativ überschaubar, vielleicht so 10-15k Euro.


    Jedenfalls dürfte es sehr schwer werden, die ursprüngliche PKV überhaupt zu finden. Nach 30 Jahre sind 99% der Unterlagen vermutlich vernichtet, außer die Dame hat selber noch Unterlagen.


    Vielleicht bestand auch zwischenzeitlich eine Familienversicherung in der GKV, dann dürfte es teurer und komplizierter werden. Aus der Ferne alles schlecht zu beurteilen.


    Ggf. muss man das alles vor dem Sozialgericht klären, das ist auch bei privat Versicherten für die Pflegeversicherung zuständig.


    Ob die Beihilfe ein Pflegegutachten von Medicproof als Selbstzahler anerkannt, wären weitere Fragezeichen, falls es dringend ist.

  • Hallo,


    die Grundfrage kann ich auch nicht beantworten, aber drei Bemerkungen:


    Es würde mich sehr wundern, wenn die allgemeine zivilrechtliche Verjährungsfrist von 30 Jahren nicht auch im SGB greifen würde, zumal § 45 SGB I auf das BGB verweist.


    Ich entsinne mich dunkel, dass Versicherungen geschlossene Akten noch 10 Jahre aufbewahren müssen und dann auf jeden Fall auch vernichten.


    Vor 30+ Jahren gab es noch keine elektronische Aktenführung. Maximal wurden die Beiträge und Leistungen mit Großrechnern bearbeitet. Die damaligen Rechner und Programme sind längst ausgetauscht und ob abgeschlossene Vorgänge in die neue Systemumgebung migriert wurden, ist mehr als fraglich.


    M.E. stehen die Chancen nicht gut, noch den alten PKV- Versicherer zu finden. Zumal der sicherlich auch kein Interesse daran hat, gefunden zu werden, selbst wenn die Versicherte noch irgendwelche Unterlagen haben sollte.


    Gruß Pumphut

  • Die Mutter einer Bekannten hat es allem Anschein nach geschafft, als Beamtin im Ruhestand nicht in einer privaten oder gesetzlichen Krankenkasse versichert zu sein und Geldersatzleistungen ausschließlich von der Beihilfe zu beziehen und den Rest der Rechnungen aus eigener Tasche zu zahlen. Das ging dank gesunder Lebensführung und mit etwas Glück über 30 Jahre bis heute gut. Nun kam im Arztgespräch die Frage auf, an welche Pflegekasse man sich zwecks Beratung wenden könne. Eine Pflegekasse der Beihilfe gibt es in dieser Form natürlich nicht. Vor der Versicherungs-"optimierung" war sie privat versichert.


    Die wichtige Frage: Was muss die Mutter jetzt tun? Wie ist der rechtliche Rahmen?


    Die unwichtige aber interessante Frage: Wie konnte das passieren?

    Das war früher vor der Versicherungspflicht tatsächlich möglich...

    Pflegekasse ist jetzt zu (vermutlich) 70% die Beihilfe. Der Rest bleibt leider Eigenbehalt, außer man kommt jetzt irgendwo unter.

    Taxation is not charity. It is not voluntary. As we shrink the state and make government smaller, we will find that more and more people are able to take care of themselves.


    Grover Norquist

  • Wie war es vor 30+ Jahren? Hätte damals die alte Kasse für die Kündigung den Nachweis der Anschlussversicherung verlangen müssen? Hätte der Dienstherr sich die Krankenkassenmitgliedschaft bestätigen lassen müssen?

    Nein. Bis vor ca. 20 Jahren musste man sich nicht versichern.

    Taxation is not charity. It is not voluntary. As we shrink the state and make government smaller, we will find that more and more people are able to take care of themselves.


    Grover Norquist

  • Das war früher vor der Versicherungspflicht tatsächlich möglich...

    Pflegekasse ist jetzt zu (vermutlich) 70% die Beihilfe. Der Rest bleibt leider Eigenbehalt, außer man kommt jetzt irgendwo unter.

    Angenommen, der jetzige Zustand wurde regulär erreicht. Dann gäbe es keinen ruhenden Vertrag, der sich wieder aufleben ließe. Man hätte die Wahl zwischen einem Neuabschluss und Fortführung der jetzigen Situation.


    Die Mutter ist sicher dem PKV-System zuzurechnen. Ein Neuabschluss einer PKV im Normaltarif würde wohl schon daran scheitern, dass die Computer der Versicherungen beim Berechnen der Prämie abstürzen.


    Allerdings gibt es den PKV-Basistarif:

    Die privaten Krankenversicherungen müssen Personen, die bisher keinen Krankenversicherungsschutz hatten und sich nicht gesetzlich versichern können, zumindest den so genannten Basistarif anbieten. Der Basistarif entspricht dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung ... der Gesamtbetrag ... etwas mehr als 1.000 Euro ... Risikoausschlüsse und -zuschläge wegen Vorerkrankungen sind im Basistarif nicht gestattet.

    Vielleicht gibt es noch einen Basistarif bei Beihilfe, der nur 300 Euro kostet, da 70 % der Kosten bereits gedeckt sind. Unklar ist auch noch, ob auch in diesem Szenario Nachzahlungen für die Zeit der Nichtversicherung fällig werden. Das ginge aber insgesamt in Richtung einer Lösung. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass die Kostenerstattung beim Basistarif noch unter GKV-Niveau liegt. Von einer Rechnung auf Beihilfe-Niveau bliebe also immer noch ein u.U. happiger privat zu tragender Anteil.


    Wenn Basistarif doch nicht möglich oder sich nicht lohnt, wären wir beim Szenario "30 % Selbstbeteiligung an allen Kosten ohne Höchstbetrag". Also wie bisher. Wenn nicht teure Krankenhausaufenthalte kommen, wäre das im Bereich Krankenversicherung wahrscheinlich tragbar.


    Im Bereich Pflegeversicherung müsste es bei ambulanter Pflege in normalem Umfang auch gehen. Bei größerem Pflegebedarf im Heim kann es nicht mehr ausgeglichen werden. Allerdings ist dann auch mit vollen Pflegeversicherungsleistungen oft die Unterstützung des Sozialamtes erforderlich.


    Ungünstig wäre die Kombination von einer langen Krankenhausbehandlung, dann Reha und dann mit mittelgroßem Pflegebedarf zurück in die eigene Wohnung.

  • Das war früher vor der Versicherungspflicht tatsächlich möglich...

    Pflegekasse ist jetzt zu (vermutlich) 70% die Beihilfe. Der Rest bleibt leider Eigenbehalt, außer man kommt jetzt irgendwo unter.

    Die Beihilfen richten sich aber nach der privaten Pflegeversicherung und übernehmen nur alle Daten von dieser. Unter anderem auch die Gutachten. Habe bisher noch nicht gehört, dass eine Beihilfe einen Pflegeantrag oder Gutachten eingeleitet hat.

  • Die Beihilfen richten sich aber nach der privaten Pflegeversicherung und übernehmen nur alle Daten von dieser. Unter anderem auch die Gutachten. Habe bisher noch nicht gehört, dass eine Beihilfe einen Pflegeantrag oder Gutachten eingeleitet hat.

    Das weiß ich nicht, so tief bin ich in dem Thema nicht drin.

    Aber irgendeine Möglichkeit muss es da ja geben.

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    Grover Norquist

  • Die Beihilfe hat schon mechanisch auf die Zuständigkeit der Pflegekasse der privaten Krankenkasse für die Beauftragung einer Begutachtung verwiesen. Dass es die in diesem Fall nicht gibt, wurde dabei nicht bedacht. Auf der Website von Medicproof ist auch kein Formular zur direkten privaten Beauftragung... Aber vielleicht gibt es dort jemand, der sich mit dem Thema beschäftigt hat?

  • Die Beihilfe hat schon mechanisch auf die Zuständigkeit der Pflegekasse der privaten Krankenkasse für die Beauftragung einer Begutachtung verwiesen. Dass es die in diesem Fall nicht gibt, wurde dabei nicht bedacht. Auf der Website von Medicproof ist auch kein Formular zur direkten privaten Beauftragung... Aber vielleicht gibt es dort jemand, der sich mit dem Thema beschäftigt hat?

    Aus dem entsprechenden Merkblatt des Bundesverwaltungsamts:


    "Besteht keine Pflegeversicherung, hat die Beihilfestelle ein Gutachten über die Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu einem bestimmten Pflegegrad einzuholen."


    Das BVA ist allerdings nur für Bundesbeamte zuständig, in den Ländern kann das anders geregelt sein.

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    Grover Norquist

  • Dein Fall ist halt selten (aber möglich, wie man sieht). Darum wird sich ein Mensch kümmern müssen (genauer: ein Mensch, der im Bedarfsfall die Form zerbrechen darf, somit reicht ein einfacher Sachbearbeiter nicht). Einen automatisierten Ablauf gibt es dafür vermutlich nicht.

  • "Besteht keine Pflegeversicherung, hat die Beihilfestelle ein Gutachten über die Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu einem bestimmten Pflegegrad einzuholen."


    Das BVA ist allerdings nur für Bundesbeamte zuständig, in den Ländern kann das anders geregelt sein.

    Die Beihilfestelle in Bremen hat etwas überrascht reagiert, nimmt sich aber nun der Sache an.


    Wie sich herausstelle, ist die Mutter besser krankenversichert als befürchtet, hat aber eigene Akzente bei der Auswahl der Tarifbausteine gesetzt: Es besteht zwar keine PKV-Grundversicherung, dafür aber eine Zusatzversicherung für Einzelzimmer und Chefarzt.