Kleiner ETF Anteil bei kurzfristigem Sparen

  • Hallo zusammen,

    ich versuche seit einiger Zeit eine mathematische Formel aufzubauen um eine rationelle Entscheidung zu treffen.
    Die Situation ist die folgende: ich werde in den nächsten Jahren eine Immobilie kaufen und habe dafür ein gewisse Summe Eigenkapital aufgesammelt. Ich weiß nicht wie lange es noch dauern wird, vielleicht 1 Jahr, vielleicht 3. Es sollte aber relativ kurzfristig sein.
    Mir ist schon klar, dass das investieren in globalen ETF eigentlich auf langfristiger Perspektive (15+ Jahre) erfolgen sollte. Ich habe mir aber die folgendenden Überlungen gemacht:

    Wenn ich z.B. 100.000 € habe und davon nur 1.000€ in einem ETF lege, dann würde ich ja die Schwankungen innerhalb des ETF kaum mitbekommen. Denn sogar wenn ich extrem viel Pech habe und der ETF 50% runter geht, dann habe ich dafür nur 500€ verloren. Und daneben habe ich 95.000€ ins Tagesgeld gesteckt, wo z.B. ein Unterschied zwischen 5,5% Verzinsung oder -0,5% Verzinsung (beides Extreme aber beides möglich) eine Differenz von 5.700€ ergeben würde. Bei den aktuellen 3% wären es 2.850€ Gewinn. Dann würde mich tatsächlich der Einbruch des ETFs kaum kümmern und der Zins auf dem Tagesgeld eigentlich die große Rolle spielen.
    Daher würde ich behaupten, dass sogar kurzfristig ein gewisser Anteil meiner Anlage in einem globalen ETF gesteckt werden könnte. Schließlich ist da die durchschnittliche zu erwartende Rendite (7%) höher als bei dem Tagesgeld/Festgeld.

    Ich würde gerne eine rationelle mathematische Formel aufbauen, um zu berechnen, wie viel Geld ich tatsächlich in den ETF stecken sollte. Es fällt mir aber schwierig.
    Ich hatte erstmal gedacht, den maximalen Verlust den ich verkraften kann zu nehmen und ihn x2 zu multiplitzieren (mit der klassischen Idee, dass der schlimmste Einbruch nicht über ca. 50% liegen sollte). Diesen Maximalen Verlust würde ich wahrscheinlich so rechnen, dass ich nicht in Schwierigkeiten gerate um das Eigenkapital der Immobilie zu bezahlen.

    Das Problem ist, dass diese Rechnung nicht die aktuellen Zinsen berücksichtigt. Denn ich würde behaupten, dass es eine große Rolle spielt, wie hoch die Zinsen sind. Bei Zinsen von 5,5% habe ich ja weniger Anreiz in einem ETF zu investieren, als bei Zinsen von -0,5%. In dem ersten Fall bringt mir die durchschnittliche zu erwartende Rendite des ETF (7%) relativ wenig und rechtfertigt das Risiko nur gering. Bei -0,5% hätte ich mehr Bereitschaft in einen ETF zu investieren, da in dieser Variante die Rendite des ETF eine höhere Chance hat die Rendite des Tagesgelds zu überschreiten. Daher würde ich meinen, dass man bei hohen Zinsen ein bisschen weniger ins ETF investieren sollte und bei niedrigen Zinsen ein bisschen mehr. Ich würde also gerne die Differenz zwischen 7% und den zu erwartenden Zinsen in die Formel einfließen lassen. Die Tatsache, dass ich eine gewissen Verlust machen kann, nehme ich absolut in Kauf. Ich finde, dass die Schwelle "ich möchte nie weniger als meinen Einsatz bekommen" ziemlich psychologisch ist. Schließlich empfindet man es kaum als einen Verlust, wenn die Verzinsung unter der Inflation liegt. Ich bin bereit einen gewissen Verlust zu machen (den ich beziffern möchte), da die Wahrscheinlichkeit höher ist, einen Gewinn zu machen. Wegen der wahscheinlich niedrigeren Rendite des Tagesgelds sehe ich es nämlich auch als einen relativen Verlust nicht teilweise in den ETF zu investieren.

    Ich kann kaum glauben, dass niemand sich ähnliche Gedanken macht. Bisher habe ich aber nichts gefunden. Daher freue ich mich sehr, wenn Ihr mir Eure Gedanken dazu teilen würdet.

  • Danke für die Antwort. Handelt es sich hier tatsächlich um Value at Risk? Dient diese Berechnung nicht eher dazu ein worst case Szenario zu skizzieren?

  • Ich würde sagen ja. Oder ich habe dich falsch verstanden ;)

    Der Zinsertrag des anderen Anteils spielt nur insofern eine Rolle, dass er den maximal tragbaren Verlust erhöht. Und wenn du von Worst-Case-Szenarien redest, würde ich pauschal -50% annehmen. Ist nur eine grobe Schätzung, aber dann weiß man wenigstens, dass man nur geschätzt hat.

  • Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Aufgabenstellung vollständig durchdrungen habe. Wenn Du Deinen maximalen Verlust begrenzen willst, suchst Du dann nicht eher ein Worse-case-Szenario?


    Wenn ich Dich richtig verstanden habe, könnte man folgendes Beispiel betrachten:

    f= Festzinsanteil in %, e=ETF-Anteil in %,

    Laufzeit 1 Jahr, Festzins 4%, erwartete ETF-Rendite 7%, maximaler ETF-Verlust 50%, maximaler Eigenverlust 5%.


    Worse-case: f*1,04 + e*0,50 = 0,95

    Mit f+e=1 ergibt sich e=1/6=16,67%


    Also wenn Du 16,67% in den ETF steckst, wirst Du insgesamt höchstens 5% verlieren.

    Die erwartete Endsumme ist dann jedoch f*1,04 + e*1,07 = 1,045


    Wenn der Festzins jedoch 0% ist, darfst Du nur 10% in ETFs investieren, der erwartete Ertrag ist dann 0,7%.


    In beiden Fällen hast Du also 5% Verlustrisiko um die erwartete Rendite im Vergleich zu einer reinen Festzinsanlage um 0,5% bzw. 0,7% zu erhöhen.

  • Danke für die Reaktionen, die Diskussion ist spannend!


    Die Berechnung kann ich nachvollziehen, das war auch meine erste Überlegung. Aber gerade die zwei Beispiele die Hornie liefert, belegen das Problem das ich mit der Methode habe.


    Wenn man dieser Formel folgen würde, würde man bei niedriegeren Tagesgeldzinsen weniger in ETF investieren. Aus meiner Sicht sollte es ja das Gegenteil sein! Wenn ich mit dem Tagesgeld fast so viel wie mit der ETF Erwartung erreichen kann, dann würde sich das Risiko eines großen Verlustes weniger lohnen. Umgekehrt wenn ich auf mit dem Tagesgeld schon Negativzinsen zahlen muss, dann bin ich eher dafür bereit, mit dem ETF möglicherweise auch Verluste einzugehen, weil ich dafür auch Chancen auf Gewinne habe.


    Ich würde auch behaupten, dass der Markt allgemein dieser Tendenz folgt. Wenn die Zinsen steigen, dann wird oftmals weniger in Aktien investiert. Wenn die Zinsen sinken, dann wir oftmals mehr in Aktien investiert. Nur würde ich das gerne rationnel mit einer mathematischen Formel machen.

  • Daher meine Nachfrage, ob Du wirklich den maximalen Verlust begrenzen willst. Denn dann bekommst Du eben die oben beschriebene Worse-case-Betrachtung.


    Für den Erwartungswert der Gesamtrendite ist natürlich eine höhere Aktienquote besser, solange die erwartete Aktienrendite höher als die Festzinsrendite ist. Das gilt umso mehr, je größer die Differenz zwischen den beiden Renditen ist.


    Wenn der Betrachtungszeitraum 1 Jahr ist, und Du den Festzinsteil für 1 Jahr fest anlegst, dann entspricht das Festzins-Ergebnis am Ende genau der erwarteten Festzinsrendite.


    Bei Aktien gilt das eben nicht. Bei einer erwarteten Rendite von 7% kann das Ergebnis nach einem Jahr eben auch +30% oder -25% sein.

    Du kannst also höchstens mit Wahrscheinlichkeiten rechnen. Die Wahrscheinlichkeiten sind sicherlich keine Normalverteilung und können nur aus historischen Daten abgeschätzt werden. Im besten Fall bekommst Du also eine Aussage, dass Du mit einer Wahrscheinlichkeit von x% nicht mehr als 5% Verlust machst.


    Das ist aber eben keine Begrenzung eines möglichen Verlustes!


    Fazit und nicht überraschend:

    1. Je höher der Aktienanteil, desto höher mögliche Verluste.

    2. Je höher (sichere) Zinseinnahmen, desto mehr Risikokapital kannst Du Dir leisten.

    3. Aber auch: Je höher das Risikokapital, desto höher auch die Chancen ;) .