Gründe gegen ein komplettes USA ETF Portfolio?

  • Hallo Liebe Community,


    ich hab mich die letzten Tage ziemlich viel mit dem Thema ETF’s beschäftigt und wollte mir jetzt auch ein Portfolio zusammen stellen.


    Ich muss jedoch zugeben das ich größtenteils auf USA Foren unterwegs war bzw. USA Videos angeschaut habe. Da raten viele einen Teil in den S&P 500, einen Teil in einen “High Dividend” ETF und einen Teil in einen strong growth wie den NASDAQ zu investieren.


    Hier in Deutschland sehe ich aber das viele einen großteil in den Vanguard FTSE All World/ MSCI World investieren und dann noch einen kleinen Teil in einen zb. Emerging Market ETF.


    Gibt es einen Grund warum die herangehensweise hier in Deutschland sich so stark von der, der Amys unterscheidet? Hat das was mit den Steuern bzw. dem TER zu tun?


    Sorry falls die Frage offensichtlich ist, bin noch recht neu in den ganzen Gebiet.

  • Gibt es einen Grund warum die herangehensweise hier in Deutschland sich so stark von der, der Amys unterscheidet? Hat das was mit den Steuern bzw. dem TER zu tun?

    Ich denke das liegt vor allem an dem "Home Bias", also dem Phänomen, dass InvestorInnen dazu neigen überproportional auf dem Heimatmarkt zu investieren. Hinzu kommt die ausgeprägte Aktienkultur in den USA und dem stärkeren Glauben in den Kapitalismus vor Ort.


    Es gibt in der Tat Unterschiede bei der Besteuerung. Ich bin da zwar nicht wirklich Experte, aber Dividenden werden in den USA wohl mit 30% und in Deutschland mit 25% besteuert. Das könnte natürlich erklären, warum Unsereins weniger in den USA investiert ist. Ich persönlich halte jedoch die kulturellen und psychologischen Gründe für ausschlaggebend.

  • Grund ist m.E. Nach der Homebias. Viele in Deutschland unterliegen diesem auch und sind im DAX investiert. Wovon ich und viele andere abraten würden. Deshalb sind sie in den World oder All-World investiert.


    Ein Homebias aus Sicht eines US-Amerikaners ist ebenso wenig schlau - kann aber funktionieren, wenn man sich alleine die Anzahl der Positionen, die Sektorenverteikung und die Marktkapitalisierung des S&P500 anschaut…

  • Bei den US-Amerikanern kommt wahrscheinlich noch die enorme Größe des Landes. Wir hier in Deutschland sind innerhalb weniger Stundrn mit dem Auto in einem Dutzend anderer Länder. In Amerika kann man Tausende Kilometer fahren und ist immer noch im gleichen Land. Da kann man leicht die Vorstellung kriegen, das sonst nichts anderes existiert. Wir sind da vielleicht etwas weltoffener, was sich dann auch bei der Geldanlage auswirkt.


    Allerdings machen die Amerikaner mit der Anlage im eigenen Land zur Zeit auch nichts falsch.

  • Ich meinte eigentlich jeweils einzelnes Land, also montags nach Frankreich, Dienstag nach Belgien, etc.


    Aber ja, fünf Länder in einem Tag geht auch, wenn man auf Schlaf verzichtet, vielleicht auch 6 ;)


    Wie auch immer, die US-Amerikaner können den ganzen Tag unterwegs sein, und sind immer noch in ihrem Land.

  • Die Sichtweise der Amerikaner unterscheidet im Wesentlichen einfach nur zwischen US und international stocks. Die Unterschiede zwischen EU, Asien, EM usw. sind da weniger entscheidend. Das ist einfach alles "international". Der relevanteste und vor allem auch sicherste Kapitalmarkt ist aus dieser Perspektive der US-amerikanische. Das wird sicherlich nicht nur ein Home Bias sein, sondern auch historische Gründe haben, da die Entwicklung des US-Kapitalmarktes anders verlaufen ist und dieser auch eine ganz andere gesellschaftliche Relevanz hat.


    Interessant ist auch, dass die Amerikaner dieselben Diskussionen über die Gewichtung zwischen US und international stocks führen, wie sie hierzulande auch geführt werden, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Da geht es nicht darum, ob 60-70% US-Anteil im Depot zu hoch sind, sondern genau andersherum, ob 30-40% International-Anteil ein zu hohes Risiko darstellen. Wenn hier oder in anderen Foren mal wieder hitzige Diskussionen um den US-Anteil in einem Welt-ETF geführt werden, lohnt sich ein Blick über den Ozean, um die ganze Diskussion etwas gelassener zu betrachten

  • Da geht es nicht darum, ob 60-70% US-Anteil im Depot zu hoch sind, sondern genau andersherum, ob 30-40% International-Anteil ein zu hohes Risiko darstellen.

    Hmm, so hat jeder seine Perspektive. Was ist, wenn wir als Westen z.B. das Potenzial z.B. von Indien völlig unterschätzen? :/

    Fürchte neben einem Home-Bias hat jede Perspektive so ihre ihre blinden Flecken…


    Ich sehe das größere Problem nicht in der US-Fokussierung bzgl. der Unternehmen sondern in der US-Dollar-Perpektive der ganzen Betrachtung. Ist uns klar, dass wir mit den allermeisten Indizes und ETF mit einer in US-Dollar gerechneten und gewichteten Brille auf den Weltmarkt unterwegs sind? Kann man ja machen mit Verweis auf Weltleitwährung und so, hat aber auch gewisse blinde Flecken und Risiken…

  • Wie sagen die Kölner so schön:


    et hätt noch immer jot jejange

  • Wenn die Gewichtung der Welt "falsch" ist, dann wird sie sich bald ändern. Dann ändert sich aber der Welt-Index mit. Automatisch sind so wir wieder "richtig" investiert bzw. waren es die ganze Zeit.


    Wenn wir mehr wissen als der Markt und eigene Investment-Akzente setzen wollen, dann können wir auf so Sachen wie Regionen-ex-Land setzen. Es ist unwahrscheinlich, dass wir schlauer sind als der Rest der Welt, aber es könnte sein. Wir könnten aber auch einfach Glück damit haben.

  • Wenn die Gewichtung der Welt "falsch" ist, dann wird sie sich bald ändern. Dann ändert sich aber der Welt-Index mit. Automatisch sind so wir wieder "richtig" investiert bzw. waren es die ganze Zeit.

    Und wenn dein „richtig“ und „falsch“ bemessen wurde von einem US-Unternehmen (MSCI) gerechnet in US-Dollar? Und der ist dann vll. irgendwann gar nicht mehr die Weltleitwährung? Und du stellst fest, dass eine Berechnung und Gewichtung des Weltmarktes in Yuan oder Rupien gerechnet ohne die Verzerrungen der Wechselkursverhältnisse viel „richtiger“ gewesen wäre?! ;)


    Du setzt „den Markt“ gleich mit der in USD gerechneten Marktkapitalisierung. Den Markt könnte man aber auch sehr anders berechnen, zuschneiden und gewichten…

  • Und wenn dein „richtig“ und „falsch“ bemessen wurde von einem US-Unternehmen (MSCI) gerechnet in US-Dollar? Und der ist dann vll. irgendwann gar nicht mehr die Weltleitwährung?

    Das ist jetzt aber recht hypothetisch.

  • Dass dein ETF von einem US-Unternehmen nach Marktkapitalisierung in US-Dollar gerechnet und gewichtet wurde ist ganz praktisch der Fall! Oder hast du einen Vanguard? Da würde dann ein britisches Unternehmen nach US-Dollar rechnen und gewichten und den Markt zuschneiden… ;)

  • Wie sehe denn eine abweichende Marktkapitalisierung aus, die nach Euro berechnet und zugeschnitten wird?

    Spannende Frage! Ich würde argumentieren: Deutlich Euro-Zentristischer… 😎


    Wenn man sich mal den Gap zwischen Marktkapitalisierungsgewichtung und BIP-Gewichtung anschaut, dann ist diese bei den USA schon gewaltig. Nach Zahlen, die ich so gelesen habe, machen die USA etwa 30% des Weltmarktes aus aber fast 70% der Marktkapitalisierung der Unternehmen. Das ist sicher zu Recht dem Umstand geschuldet, das riesige US-Unternehmen weltweit aktiv und weltweit marktbeherrschend sind. Nur: Ist diese Übergewichtung gerechnet in US-Dollar nicht auch zu einem erheblichen Anteil geschuldet der relativen Währungsstärke des US-Dollar? Wenn ausländische Unternehmen gemessen in USD einfach durch ein eher schwaches Tauschverhältnis der Währungen wenig wert sind, werden sie eben geringer gewichtet. Und weil der USD nun mal Weltleitwährung ist, ist diese Währung Stand heute nunmal stärker als viele andere Währungen insb. in den Emerging-Markets.


    Meine Frage: Sorgt das nicht systematisch für eine Verzerrung, bei der alle nicht-USD Währungsräume eher abgewertet und runtergewichtet werden? Und würde dass nicht massiv drehen bzw. die Gewichtungen der Weltregionen und Unternehmen verschieben, wenn der Yuan Weltleitwährung würde und ein Chinesischer Index-Anbieter anfangen würde zu rechnen und die Welt durch seine Yuan-Brille einzuordnen, zuzuschneiden und zu gewichten? :/