Welcher ökonomischen Schule gehört Finanztip an?

  • Moin allerseits,


    ich versuche, mich neben dem Beruf, der mit Ökonomie so gar nichts zu tun hat, ein wenig ökonomisch weiterzubilden. Dazu gehört natürlich auch das Thema Umgang mit dem wohlverdienten Geld (was ich dank Finanztip geregelt habe), aber dieser Themenkomplex ist natürlich um Welten größer.


    Wenn ich mich also z.B. frage, was Geld eigentlich ist, woher es kommt, was Schulden sind, ob Schulden schlecht sind etc pp, dann stößt man auf verschiedene Denkschulen.


    Um zu wissen, auf welcher Grundlage die Tipps von Finanztip gegeben werden, fänd ich es schon interessant zu wissen, selbige Grundlage zu kennen.


    Mit freundlichen Grüßen

  • Hogwarts! (Unterkategorie Slytherin)


    Aber im Ernst, wenn das Motto ist "Geld kannst du selbst", dann ist doch klar, dass man keiner Schule angehört, sondern die Leute ermutigt, sich selbst zu bilden.


    Müssen Normalverbraucher und Kleinsparer tatsächlich in volkswirtschaftlichen Kategorien denken?


    Schulden sind Geld "bei der Arbeit", ob das gut oder schlecht ist, hängt von der Arbeit ab. ;)

  • Wenn ich mich also z.B. frage, was Geld eigentlich ist, woher es kommt, was Schulden sind, ob Schulden schlecht sind etc pp, dann stößt man auf verschiedene Denkschulen.

    Ja, aber diese Denkschulen beeinflussen dann eher die Ausrichtung in der Wissenschaft (VWL) und ggf. noch die Wirtschaftspolitik. Finanztip als Verbraucherportal? Würde ich als „marktwirtschaftlich“ bezeichnen… ;)

  • Ist es doch so einfach?


    Mich hat letztlich dazu bewegt, hier diese Frage zu stellen, weil ich aus verschiedenen Denkrichtungen auch verschiedene Vorstellungen von investiertem Geld gelesen habe. Bei Finanztip sagte Saidi z.B. im Podcast, dass die Vorstellung, man unterstütze ganz unmittelbar nachhaltige Unternehmen, wenn man einen nachhaltigen ETF bespart, völlig falsch sei. Es gibt aber auch Stimmen, die das anders sehen, also aus einer anderen Denkschule kommen.


    Dann gibt es auch welche, die unser Geldsystem an sich als falsch ansehen, als zu stark reguliert usw., andere sagen, dass unser Geldsystem total flexibel ist, diese Flexibilität aber komplett ungenutzt bleibt.


    Kann gut sein, dass ich hier auf einem falschen Dampfer bin! Trotzdem empfinde ich es so, dass man auch für Tipps in einem Verbraucherportal schon einer gewissen Denkrichtung angehören muss, um wirklich passende Tipps geben zu können.


    In der Expertenredaktion bei Finanztip sitzen doch bestimmt auch Ökonomen oder? Aus welcher Schule kommen die?

  • Wenn man Geld selbst könnte, bräuchte man keinen Finanztip :) .


    Finanztip existiert nur, weil man das Geld nicht selbst kann.

  • Kann gut sein, dass ich hier auf einem falschen Dampfer bin! Trotzdem empfinde ich es so, dass man auch für Tipps in einem Verbraucherportal schon einer gewissen Denkrichtung angehören muss, um wirklich passende Tipps geben zu können.

    Der Tipp Risikoabsicherung und Vermögensaufbau zu trennen ist doch gut, ganz unabhängig davon, ob der Tippgeber Keynes oder Hayek auf den Oberarm tätowiert hat.


    Und welche Denkschule ist das bitte, die ein Investment über einen ETF (Ich kaufe nicht selbst Aktien eines bestimmten Unternehmens.) als "ganz unmittelbare" Unterstützung eines Unternehmens sieht?

  • Herr Tenhagen hat einen Abschluss in Politikwissenschaften und u.a. VWL studiert.


    Die Frage nach der Schule, die die Ausrichtung von Finanztip vorgibt, finde ich durchaus interessant, obgleich ich sie mir bislang nicht gestellt habe.


    Ich nehme an, Finanztip ist eher pragmatisch und praxisorientiert ausgerichtet.


    Die Antwort der Redaktion würde mich allerdings auch interessieren.

  • Trotzdem empfinde ich es so, dass man auch für Tipps in einem Verbraucherportal schon einer gewissen Denkrichtung angehören muss, um wirklich passende Tipps geben zu können.

    Also wenn ich mir die Tips von Finanztip, Finanztest oder der Verbraucherzentrale so ansehe fällt mir eher eine Sache auf: Pragmatismus. ;)

    Und das gefällt mir! Das große Rad überlasse ich den Spezialisten.

    Und die Kochen auch nur mit Wasser, wie man immer wieder an den Prognosen der Ökonomen sehen kann. Eigentlich nennen Sie uns immer erst im Nachhinein die Gründe, warum es jetzt wie und warum in der Wirtschaft hakt. :/


    PS: Meine Lieblingsexperten sind immer noch die Jungs von LTCM. Da mußten dann auch Nobelpreisträger erleben, dass Wirtschaft doch weit komplexer ist als gedacht.

  • Je nach Denkschule wirst Du vermutlich zu anderen Prognosen über die Zukunft kommen.

    Wer prognosefrei investiert, braucht sich da nicht so viele Gedanken zu machen.


    Das bedeutet nicht, dass mich Wirtschaftstheorien wenig oder nicht interessieren würden! Aber es hat halt wenig Einfluss auf mein ETF-Portfolio.

  • Apropos "Denkschule" und vorab: Für meinen Teil begegne ich - aus guten Gründen sprich eigenen Erfahrungen und auch aufgrund der Beschäftigung mit der Finanzgeschichte - Banken, Versicherungen, Vermögensverwaltern, Fondsmanagern, Maklern etc. pp. mit der gleichen sachlich-kritischen Haltung sprich Herangehensweise wie staatlichem Papiergeld, einer staatlichen Notenbank, staatlichen Systemen wie GRV und GKV, staatlicher Steuer- und Wirtschaftspolitik etc. pp.


    Die Frage, welcher "ökonomischen Schule" Finanztip angehört hatte ich mir auch schon mal kurz gestellt.

    Wenn ich mich also z.B. frage, was Geld eigentlich ist, woher es kommt, was Schulden sind, ob Schulden schlecht sind etc pp, dann stößt man auf verschiedene Denkschulen.


    Um zu wissen, auf welcher Grundlage die Tipps von Finanztip gegeben werden, fänd ich es schon interessant zu wissen, selbige Grundlage zu kennen.

    Vielleicht könnte man das Finanztip-Mantra eingedampft als "prognosefreies Investieren via passiver und kostengünstiger ETFs in den Aktienmarkt mit dem Ziel des Abgreifens der durchschnittlichen Marktrendite" bezeichnen ... ? Dann müßte man sich auch gar nicht zu irgendeiner ökonomischen Denkschule bekennen.


    Andere hier können das sicherlich treffender definieren ... ? (für meinen Teil habe ich nur Direktanlagen also keine passiven ETFs und der Aktienmarkt ist bei mir auch nur eine von mehreren Anlageklassen, in die ich investiere bzw. meine Mittel schiebe).


    Übertrage ich meine obige Denkschule samt Herangehensweise auf Finanztip meine ich da eine gewisse Unwucht bzw. Asymmetrie festzustellen. Durchaus bis überwiegend kritisch werden seitens Finanztip beispielsweise Banken, deren Produkte, deren Angestellte, deren Gebühren, das Preis-/Leistungsverhältnis usw. gesehen - eher weniger bis gar nicht kritisch aber die staatliche Kehrseite der Medaille also staatliche deutsche Systeme wie GRV und GKV, das staatliche Papiergeld oder das staatliche Experiment einer Einheitswährung (in Form einer hoch fragilen Währungsunion).


    Von daher zumindest ist es auch etwas erstaunlich, daß die Finanztip-Standardempfehlung ("ein Alle-Länder-ETF" in verschiedenen Varianten - laienhaft formuliert) ausgerechnet und im Ergebnis immer massiv ein Land wie die USA übergewichtet (in Dingern wie FTSE All World oder MSCI World beispielsweise stecken meines Wissens nach locker oder sogar über 60% bzw. 70% Prozent allein nur USA drin ... !?).


    Ausgerechnet die USA haben aber ein ganz anderes Verständnis vom Verhältnis "Bürger vs Staat" als Deutschland, demzufolge eine ganz andere (viel günstigere sprich niedrigere) Staatsquote als Deutschland, ein viel höheren Grad der wirtschaftlichen Freiheit als Deutschland, sind Spitze (Top-Ten) in Sachen Wettbewerbsfähigkeit (anders als Deutschland, welches seit 2014 diesbezüglich geradezu abgestürzt ist), eine deutlich stärkere marktwirtschaftliche Ausrichtung als Deutschland, setzen zudem auf Autarkie in Sachen Verteidigungsfähigkeit - ganz im Gegensatz zu Deutschland usw. usw.


    Pointiert betrachtet bedeutet dies jedenfalls vom Ergebnis her, daß man seitens Finanztip das staatliche Modell samt staatlicher Systeme (wie auch GRV, GKV usw.) hierzulande offenbar nicht kritisch sieht oder sogar gut findet - aber empfiehlt seine eigenen ersparten Mittel lieber und ganz schwerpunktmäßig da zu investierten, wo überwiegend ganz andere Rahmenbedingungen herrschen als hierzulande ...


    Als lediglich Finanz-Laie aber auch Laie in Sachen ökonomischer Denkschulen (wenn auch ein an solchen Themen Interessierter) meine ich da eine gewisse Unwucht (um nicht zu sagen einen gewissen Widerspruch) auszumachen.

  • Pointiert betrachtet bedeutet dies jedenfalls vom Ergebnis her, daß man seitens Finanztip das staatliche Modell samt staatlicher Systeme (wie auch GRV, GKV usw.) hierzulande offenbar nicht kritisch sieht oder sogar gut findet - aber empfiehlt seine eigenen ersparten Mittel lieber und ganz schwerpunktmäßig da zu investierten, wo überwiegend ganz andere Rahmenbedingungen herrschen als hierzulande ...

    Aus welchen Informationen deutest Du, ob Finanztip GRV oder GKV gut/schlecht findet? :/

    Findet ein Herr Raffelhüschen oder Herr Werding die GRV grundsätzlich schlecht? Oder sind Sie der Ansicht, dass das System der Umlagefinanzierung grundsätzlich 'gut' ist und nur in (vielen) Details reformiert werden muss? :/

    Immerhin versucht Finanztip den Menschen seit Jahren aufzuzeigen, dass es neben der GRV noch privaten Vermögensaufbau braucht um später den Lebensstandard zu halten.

    Als lediglich Finanz-Laie aber auch Laie in Sachen ökonomischer Denkschulen (wenn auch ein an solchen Themen Interessierter) meine ich da eine gewisse Unwucht (um nicht zu sagen einen gewissen Widerspruch) auszumachen.

    Insofern ist eine Investition in den weltweiten Aktienmarkt (aktuell 60-70% USA) aber als echte Diversifikation zu sehen. Weit besser als z.B. ausschließlich in deutsche Aktien zu investieren. ;)

  • Aus welchen Informationen deutest Du, ob Finanztip GRV oder GKV gut/schlecht findet?

    Wirklich Kritisches habe ich dazu von Finanztip jedenfalls nicht gelesen (wobei ich zugegebenermaßen von Finanztip auch wenig gelesen habe). Lösungen (Reformen) laufen zudem dann vom Tenor her in Richtung noch mehr Kollektivismus denn eher privater und individueller ergänzender Elemente. Das mit dem eher wenig Kritisches gilt aber auch bezüglich der anderen von mir erwähnten Themen wie dem staatlichen Papiergeld, der staatlichen Notenbank, dem Experiment Einheitswährung usw. ...

    Immerhin versucht Finanztip den Menschen seit Jahren aufzuzeigen, dass es neben der GRV noch privaten Vermögensaufbau braucht um später den Lebensstandard zu halten.

    Wer nicht völlig ignorant und völlig unwissend ist - dem dürfte dieser Sachverhalt (Melange aus Umlagesystem und diesbezüglich sehr bis extrem ungünstiger demographischer Entwicklung) samt daraus resultierendem Bedarf (private AV) seit vielen Jahrzehnten bekannt sein. Ansonsten hätte es gereicht der Politik zu lauschen, die dieses Mantra ebenfalls permanent verbreitet hatte (daß die gleiche Politik die Rahmenbedingungen für private AV so traurig gestaltet hat, wie diese eben gestaltet waren, ist wieder ein anderes Thema).


    Für Politiker und/oder Beamte (manchmal trifft das ja auch kumulativ zu) gelten wieder andere, eigene Regeln - da mag der Bedarf an privater AV geringer oder sogar entbehrlich sein ...

    Insofern ist eine Investition in den weltweiten Aktienmarkt (aktuell 60-70% USA) aber als echte Diversifikation zu sehen.

    Als "echte Diversifikation" innerhalb einer Anlageklasse jedenfalls. Unter "echter Diversifikation" in meinem Sinne verstehe ich eine solche über mehrere Anlageklassen hinweg.


    Es bleibt für mich dennoch auffällig, daß man die von mir genannten Besonderheiten der USA gerade im Vergleich zu Deutschland (siehe Nr. 11 Aufzählung im drittletzten Absatz) hierzulande eher kritisch sieht - diese Kritik dann aber ganz offensichtlich nicht bezüglich der Investition der eigenen Mittel Anwendung findet, da man diese schwerpunktmäßig in ein Land wie ausgerechnet die USA schiebt.


    Da kann, mag und muß sich jeder ein eigens Urteil bilden. Was ich für mich auch getan habe.

  • Ich finde es gut, dass Finanztip sich auf Verbraucherberatung beschränkt und keine Politik betreibt.

    Mir als Verbraucher fällt es recht leicht, meine Aktienallokation zu beeinflussen.

    Die GRV kann ich als Arbeitnehmer kaum beeinflussen, sondern nur im Rahmen der Regeln nutzen. Die GKV habe ich (im Gegensatz zu Dir??) verlassen, aber das ist keine Lösung für Jeden.

  • Ich finde es gut, dass Finanztip sich auf Verbraucherberatung beschränkt und keine Politik betreibt.

    Ob Finanztip wirklich keine Politik betreibt, wäre eine eigenständige Frage.


    Bin beispielsweise mal über die Finanztip Aktion für Schulen ("Bildungsinitiative") drüber geflogen. Wenn man da beispielsweise unter den Grundlagen (Basics) "das magische Dreieck" jeder Geldanlage erklärt (Spannungsverhältnis zwischen den Aspekten "Verfügbarkeit", "Sicherheit" und "Rendite"), dann ist das meines Erachtens zu begrüßen. Wobei mir praktisch kaum jemand bekannt ist, der daraus nicht längst in praxi ein "Fünfeck" gemacht hat mit den ergänzenden sehr bedeutsamen präziser entscheidenden Aspekten "Inflation" und "Steuern" (spielentscheidend gerade bei langfristigen Spar- und Anlagevorgängen wie etwa der privaten Altersvorsorge). Der Hinweis auf diese beiden äußerst wichtigen Aspekte unterbleibt aber - dafür wird als vierter möglicher Aspekt ("Vom Dreieck zum Viereck") nur die sog. "Nachhaltigkeit" als weitere "Dimension" ins Spiel gebracht und ein diesbezügliches Video von Saidi verlinkt. Kann man machen, die "Nachhaltigkeit" der eigenen Finanzen samt Altersvorsorge unter besonderer Berücksichtigung der Aspekte "Inflation" und "Steuern" dürfte aber meines Erachtens mindestens ebenso bedeutsam sein, wie der Klimaschutz im Allgemeinen (ohne jetzt die Frage zu stellen, wie seriös diese Etikettierungen (wie ESG) überhaupt sind).


    Aus meiner Sicht kann man seine Finanzen ohnehin nicht planen und bewirtschaften ohne nicht auch auf politische Aspekte zu beachten und diese ggf. zu berücksichtigen (angefangen vom Geldsystem über den Umgang der Staaten und staatlichen Notenbanken damit bis hin zu Währungsexperimenten, Fragen der Steuerpolitik, der Wirtschaftspolitik usw.). Das kann natürlich, wie immer, jede(r) halten, wie sie bzw. er das mag. Für meinen Teil sehe ich das so und bin damit auch gut gefahren.

    Die GRV kann ich als Arbeitnehmer kaum beeinflussen, sondern nur im Rahmen der Regeln nutzen.

    Das dies ein Obligatorium ist (um die pointierte Formulierung Zwangssystem zu vermeiden), stimmt dies für typische Arbeitnehmer. Man kann aber seinen Status gestalten (z. B. Tätigkeit als Selbständiger, Freiberufler, Unternehmer usw.), um den Rahmen neu zu setzen und dies dann auf diesem Weg "beeinflussen".

    Die GKV habe ich (im Gegensatz zu Dir??) verlassen ...

    Nein. Bin seit meiner Geburt in der GKV. Zuerst über meine Eltern, dann als fest Angestellter, dann als freiwillig gesetzlich Krankenversicherter und nunmehr mit dem Status KVdR.


    Die GKV hatte ich schon vor vielen Jahrzehnten mit einer privaten Zusatzversicherung für den stationären Bereich ergänzt und vor gut 10 Jahren (um 2012) mit einer privaten Pflegetagegeld-Versicherung im Pflegefall (war lediglich eine kleine Trotzreaktion gegen die damals bevorstehende Umstellung auf sog. Unisextarife). Vom Prinzip finde ich den Ansatz PKV besser - mit hat aber damals nicht behagt, daß ein Versicherungswechsel zu einer anderen Assekuranz im PKV-Bereich praktisch ausgeschlossen ist, da man (damals jedenfalls) Altersrückstellungen nicht mitnehmen konnte (keine Ahnung, wie das heute ausgestaltet ist). Man stelle sich vor, man würde beim Wechsel seiner Kfz-Versicherung (SF-Klassen von Null bis 50) den alten erreichten Schadensfreirabatt verlieren und müßte wieder nach dem Wechsel der Versicherungsgesellschaft in der SF-Klasse Null wie ein Fahranfänger starten ... Damit ist man sozusagen an seinen Versicherer gekettet und zwar lebenslag. Ein solche Art der "Kundenbindung" fand ich damals für mich nicht passend.

    ... aber das ist keine Lösung für Jeden.

    In Sachen PKV jedenfalls ist das wohl so zutreffend.