negativer Cost-Averaging-Effekt?

  • Ich habe zufällig eine Aussage von Hartmut Walz in seinem Blog gefunden:

    https://hartmutwalz.de/finanzblog/ (Artikel vom 1.11.2024, Covered C*** ETF, dieses Forum hier lässt mich den Begriff nicht posten...)


    • Auch mit einem regelmäßigen Verkauf von ETF-Anteilen kann monatliches Einkommen erzielt werden. Hiervon rate ich jedoch ab – Stichwort: negativer Cost-Averaging-Effekt aufgrund des Rendite-Reihenfolge-Risikos (=Sequence of Return Risk, vgl. hierzu ab Seite 296 im Buch „Geld- und Finanzfragen“)

    Ich weiß was das Sequence of Return Risk ist. Aber ich habe mich gefragt, wie man denn sonst ein regelmäßiges Einkommen erzielen sollte, nachdem man jahrelang einen Thesaurierer bespart hat, wenn nicht durch den Verkauf von Anteilen? Wieso rät er davon ab? Soweit ich weiß ist er ein seriöser Finanzexperte.


    Ich habe leider keinen Zugriff auf seinen Link (sein Buch).


    Kann das jemand einordnen?

  • Kann das jemand einordnen?

    Ein Versuch kann nicht schaden:
    1) Er ist damit - ausnahmsweise!! - schlicht und einfach auf dem Holzweg.

    2) Er hat ja nicht gesagt, dass es nicht geht. Er rät ja nur davon ab. Das ist kein Widerspruch.


    Eine von den beiden Antworten trifft nicht zu.


    Was tun? Wenn Du in der Ansparphase z.B. immer am 8. d.M. gekauft hast, und damit erfolgreich warst, dann verkaufst Du zum Entsparen immer am 23. d. M. Ob das funktioniert, weißt Du natürlich erst am Ende deines Lebens oder am Ende deines Anteilsbestandes, je nachdem.

    "Unhappy Wife - Unhappy Life!" Roger Murgatroyd, 1977

  • Da muss wohl jemand das Buch kaufen... ;)


    Vieleicht rät er im Buch davon ab, monatlich zu verkaufen und rät zu jährlicher Entnahme?


    Er hat ja auch mal die Vanguard-Entnahmestrategie vorgestellt. Also Entnahmen sind für ihn nicht ausgeschlossen...


    Vieleicht findet sich ja jemand, der das Buch hat?

  • Ich weiß was das Sequence of Return Risk ist. Aber ich habe mich gefragt, wie man denn sonst ein regelmäßiges Einkommen erzielen sollte, nachdem man jahrelang einen Thesaurierer bespart hat, wenn nicht durch den Verkauf von Anteilen?

    Niemand hat gesagt, dass es an der Börse ein "regelmäßiges Einkommen" geben wird.


    Deshalb droht bei jedem Versuch, ein solches aus Börsenwerten zu generieren, der negative "cost-average-Effekt", der in der Ansparphase noch positiv war.


    Dabei ist es letztlich egal, ob man versucht, solche regelmäßigen Einkünfte durch Stillhalterprämien (Covered-C***-ETFs) oder durch den regelmäßigen Verkauf von ETF-Anteilen zu erzeugen. Sobald die Kurse schwanken, macht sich der cost-average-Effekt bemerkbar.


    Die einzige Lösung, die ich sehe, wäre ein "unregelmäßiges Einkommen", das sich nicht nach dem eigenen Bedarf oder Wünschen, sondern allein nach dem aktuellen Marktumfeld richtet und mit diesem steigt oder (aus-)fällt.


    Man könnte z.B. nur die tatsächlich gezahlten Dividenden der Aktien/ETFs und ggf. Kursgewinne einstreichen. Zumindest, soweit diese die Geldentwertung übersteigen. Auch dann bliebe die Frage, was bei Kursverlusten zu tun wäre (= negative Einkünfte!).


    In allen anderen Fällen wird tatsächlich die Gans kleiner - und dann macht sich auch der negative cost-average-Effekt mehr oder weniger schnell bemerkbar.

  • Die einzige Lösung, die ich sehe, wäre ein "unregelmäßiges Einkommen", das sich nicht nach dem eigenen Bedarf oder Wünschen, sondern allein nach dem aktuellen Marktumfeld richtet und mit diesem steigt oder (aus-)fällt.

    Ich denke, dass eine sinnvolle Entnahmestrategie immer mindestens zwei Töpfe enthalten sollte, um sowohl die Unregelmäßigkeit, als auch das sequence of return risk abzumildern oder ganz auszuschalten.


    Sobald man dem risikobehafteten Teil (Aktien-ETF) einen risikoarmen bzw. risikoärmeren Teil beimischt (z.B. Geldmarkt oder Staatsanleihen), sinkt das srequence of return risk erheblich. Das kostet langfristig Rendite, aber die Senkung der Volatilität ist m.E. die einige Möglichkeit diesem Risiko zu begegnen.


    Mit einem ausgewogenen Portfolio aus z.B. 60% Aktien und 40% Anleihen, kann man nun entweder monatlich oder jährlich einen fixen Betrag aus dem Gesamtportfolio entnehmen und regelmäßig der Inflation anpassen oder (besser) gezielt nach Marktlage aus einem der beiden Töpfe entnehmen.


    • in ,,schlechten Zeiten" wird aus dem risikoarmen Teil entnommen
    • in ,,guten Zeiten" wird aus dem risikobehafteten Teil entnommen
    • in ,,guten Zeiten" wird der risikoarme Teil aus dem risikobehafteten Teil befüllt


    Die Aufteilung risikobehaftet/risikofrei muss nicht nach festen Prozentzahlen geschehen, sondern kann auch über einen safe asset floor gebildet werden. Z.B. könnte man 5 oder gar 10 Jahre Lebenshaltungskosten risikoarm halten und den Rest in Aktien investiert lassen. In Krisen hätte man so 5 oder 10 Jahre Zeit diese auszusitzen und aus dem risikoarmen Teil zu entnehmen. Erholt sich die Börse wieder, befüllt man den risikoarmen Topf erneut.


    Problematisch wird es erst, wenn man sich die Details überlegt (das ist auch mein Problem momentan):


    • Wie viel risikoarm? Wie viel risikobehaftet?
    • Wie definiere ich ,,gute Zeiten"? Wie ,,schlechte Zeiten"?
    • Wie viel entnehme ich pro Jahr?


    Vor allem der zweite Punkt ist nicht einfach. Nach einem 50% Rücksetzer ist das leicht zu beantworten. Aber was dann? Haben die guten Zeiten nach einer 20% Erholung eingesetzt? Oder erst nach dem nächsten All-time-high? Was, wenn es für 15-20 Jahre nicht kommt? Was ist, wenn es nur um 5% oder 10% fällt? Immer noch ,,gute Zeiten?


    Viel zu denken für einen Rentner mit Zeit. Und viele Möglichkeiten Fehler zu machen.


    Deshalb kann ein ,,Multi-Asset-ETF" mit einer fixen Entnahme eine Alternative sein.

  • Er empfiehlt ausschütten ETF.


    Das wäre die Lösung

    Diese Lösung hat mehrere Probleme:

    • Steuerlich sind Ausschüttungen deutlich schlechter als Entnahmen aus einem Thesaurierer, weil sie komplett versteuert werden müssen. Bei Entnahmen nur der Ertragsanteil.
    • Die Ausschüttungen aus einem marktkapitalisierenden ETF liegen unter 2%. Das dürfte für viele nicht ausreichen.
    • Ein Dividenden-Fokus, also Dividenden-ETF, underperformen einen neutralen Index erheblich. Man lässt also viel Rendite liegen. Bei gleichem oder gar höherem Risiko.
    • Die Dividenden steigen zwar langfristig, schwanken aber erheblich. In einem Jahr gibt es 1000 Euro pro Monat. In einem anderen Jahr 600 Euro. Und dann wieder 1500 Euro.
  • Hallo,


    Hier hat er die Antwort selbst gegeben Prof. H. Walz Cost-Averaging


    "Liquiditätsreserve zum Aussitzen von Börsentiefs schlägt Entsparplan

    Zum Abschluss noch ein letztes Scheinargument bzw. eine Plausibilitätsfalle. Häufig wird als Problemlösung gegen den Verkauf im Crash ein simpler Entsparplan empfohlen. Bei dem der Anleger monatlich einen festen Geldbetrag durch Auflösung der Aktien bzw. ETF-Anteile erhält.

    Hierbei wird jedoch gerne übersehen, dass beim Entsparen der Cost-Averaging-Effekt gerade negativ wirkt.

    Denn bei hohen Kursen werden nur wenige Aktien bzw. ETF-Anteile, in Crashsituationen jedoch viele veräußert.

    Um das zu vermeiden, hilft nur eine ausreichende Liquiditätsreserve, auf die in Phasen einer Börsenbaisse zurückgegriffen werden kann. Dass die Entscheidung, in bestimmten Phasen (z.B. nach einem Aktiencrash) keine Aktien oder Anteile zu verkaufen, auch eine Form des Market Timing ist, sei der Vollständigkeit halber erwähnt."


    Es wird bei vielen Entnahmestrategien empfohlen ein paar Jahresausgaben als Cashbestand zu halten, da ist Herr Prof. Walz nicht alleine.

  • Der negative Cost Averaging Effekt hat mit der Steuer primär nicht so viel zu tun, denke ich, es geht wohl eher darum, dass man auch zu ungünstigen Zeiten verkauft, was die Rendite nach unten zieht.


    Dividenden-ETFs oder -Fonds wären eine Option, da bleibt das Kapital selbst erhalten, es werden nur die Überschüsse (oder ein Teil davon) ausgeschüttet und versteuert.


    Ich persönlich setze aus Renditegründen auf Akkumulierer und habe vor, jeweils einen Puffer von einigen (4-5?) Jahren "flüssig" (vermutlich Tagesgeld, vielleicht auch Teile von Festgeld) zu halten. Sollte innerhalb dieser "einigen Jahren" der Kurs auf neue Höhen steigen, so kann ich diesen Zeitpunkt nutzen, um wieder eine Charge für ein paar Jahre verkaufen.

  • Hierbei wird jedoch gerne übersehen, dass beim Entsparen der Cost-Averaging-Effekt gerade negativ wirkt.

    Denn bei hohen Kursen werden nur wenige Aktien bzw. ETF-Anteile, in Crashsituationen jedoch viele veräußert.

    Um das zu vermeiden, hilft nur eine ausreichende Liquiditätsreserve, auf die in Phasen einer Börsenbaisse zurückgegriffen werden kann. Dass die Entscheidung, in bestimmten Phasen (z.B. nach einem Aktiencrash) keine Aktien oder Anteile zu verkaufen, auch eine Form des Market Timing ist, sei der Vollständigkeit halber erwähnt."

    Ich sehe das grundsätzlich genauso und werde es auch so machen. Man sollte aber nicht den Fehler machen und die Strategie ,,Liquiditätsreserve" als perfektes Allheilmittel darstellen. Diese Strategie hat auch Nachteile und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass man sehr viel Rendite liegen lässt. Warum? Jeder Euro im risikoarmen Teil hat Opportunitätskosten.


    Man erkauft sich also ein geringes sequence of return risk mit sehr viel Geld. Kommen nämlich die schlechten Börsenjahre nicht am Anfang der Entnahmephase, sondern erst später, zahlt man drauf. Das ist für mich kein Grund es nicht zu machen, aber man sollte sich dessen bewusst sein: There is no free lunch.

  • Jeder Euro im risikoarmen Teil hat Opportunitätskosten.


    Man erkauft sich also ein geringes sequence of return risk mit sehr viel Geld. Kommen nämlich die schlechten Börsenjahre nicht am Anfang der Entnahmephase, sondern erst später, zahlt man drauf. Das ist für mich kein Grund es nicht zu machen, aber man sollte sich dessen bewusst sein: There is no free lunch.

    Stimme ich Dir völlig zu. Lass uns mal rechnen...


    Wenn man - um eine Hausnummer zu sagen - beim Eintritt in den Ruhestand ein ETF-Vermögen von 500.000 € angespart haben sollte. Ich wünsche mir eine Entnahme von 4 % im Jahr, möchte die aber auf einen Schlag für - wieder eine Annahme - 5 Jahre im Vorhinein abheben, weil der Kurs des ETFs gerade so schön hoch steht. Das wären dann also 20 % auf einen Schlag, also 100.000 €, die dann aufs nahezu unverzinste Tages- oder Festgeld kommen (dafür sicher vor Kursschwankungen).


    Pro Monat habe ich dann - zusätzlich zu meiner gesetzlichen Rente - eine Summe von 1667 € (natürlich minus der auf die Ertragsanteile anfallenden Steuern) entnehmen können. Was passiert mit den verbleibenden 400.000 € in diesen 5 Jahren? Mit einer angenommenen durchschnittlichen Rendite von 7 % kämen wir bis zum Ende dieses Zeitraums wieder auf 561.000 €, also wieder ein schöner Batzen für eine weitere Entnahme.


    Mir ist klar, dass es sich hier um eine realitätsferne Rechnung handelt, da jegliche Schwankung hier ausgeblendet ist. Ich wollte lediglich mal ein Gefühl für die Größenordnung leisten. Das Problem, dass die Entnahme in dieser Zeit nicht arbeitet, dass also Rendite verloren geht, besteht, ist aber angesichts der (hoffentlich) hohen Grundkapitalsumme beim Renteneintritt und den Zeiträumen, in denen das Kapital dann nicht angetastet wird, nicht ganz so gravierend...