Weniger arbeiten? Dein Recht auf Teilzeit - Erfahrungen von Mitforenten?

  • Mit dem Recht auf Teilzeit die Arbeitszeit reduzieren
    Als Arbeitnehmer hast Du einen gesetzlichen Anspruch auf Teilzeit. Dafür musst Du einen Antrag auf Teilzeit stellen.
    www.finanztip.de


    Zitat

    Hält Dein Chef grundsätzlich nichts von Teilzeit und blockiert erst einmal, musst Du wissen, dass Du rechtlich in einer guten Position bist. Das gilt für alle Berufsgruppen, auch bei qualifizierten Tätigkeiten und leitenden Positionen. Einfach Nein sagen darf der Arbeitgeber nicht. Außerhalb der Elternzeit besteht für ihn die Pflicht, dem Teilzeitwunsch zuzustimmen, sofern keine betrieblichen Gründe entgegenstehen.

    Das Gesetz nennt als Beispiele für betriebliche Gründe (§ 8 Abs. 4 TzBfG:(

    • eine wesentliche Beeinträchtigung der Organisation,
    • eine wesentliche Beeinträchtigung des Arbeitsablaufs,
    • eine wesentliche Beeinträchtigung der Sicherheit im Betrieb oder
    • das Entstehen unverhältnismäßig hoher Kosten für den Arbeitgeber.

    Und


    Wann Arbeitgeber Teilzeit gewähren müssen
    Es gibt viele Gründe, weshalb Beschäftigte ihre Arbeitszeit reduzieren und Teilzeit arbeiten wollen. Wann muss der Arbeitgeber Teilzeit gewähren?
    www.haufe.de


    Zitat

    Der Arbeitgeber muss grundsätzlich der Verringerung der Arbeitszeit zustimmen und diese entsprechend den Wünschen der Beschäftigten festlegen - soweit betriebliche Gründe dem nicht entgegenstehen. Solche Gründe können insbesondere dann vorliegen, wenn die Reduzierung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigen oder unverhältnismäßige Kosten verursachen würde. Die Ablehnungsgründe sind nicht abschließend und müssen im Einzelfall geprüft werden. Sie können tarifvertraglich festgelegt werden.


    Das klingt nach ähnlichen Hintertürchen für die Arbeitgebern, wie für Abfindungsangebote bei Stellenabbau, bei denen bestimmte Mitarbeiter ausgeschlossen werden, weil sie vom Arbeitgeber für den betrieblichen Ablauf als unabkömmlich angesehen werden (obwohl es sonst immer heisst "Niemand ist unersetzbar").


    Hat der eine oder andere im Forum schon Erfahrung damit gemacht, dass sein Arbeitgeber hier gemauert hat?

  • Arbeite in einem größeren Unternehmen (20k Mitarbeiter) als PL und bin seit 3 Jahren in befristeter Teilzeit. Meine Befristungen laufen immer 6 Monate und werden dann von mir verlängert. So komme ich ggf sehr flexibel auf Vollzeit zurück.

    Die Karte "betriebliche Gründe" wurde nie versucht zu spielen zumal dort der Betriebsrat mitspielt.

  • Ich arbeite schon ziemlich lang in Teilzeit und würde das in der Rückschau immer wieder so machen. Die Vereinbarung selbst war bei mir kein Problem. Dabei habe ich - ohne das damals zu ahnen - eine wesentliche Sache richtig gemacht, nämlich die Verteilung der Arbeitszeit in der Vereinbarung festgeschrieben: 80% Arbeitszeit, der Freitag frei.


    Ein Detail allerdings ist mir später auf die Füße gefallen: Zum Zeitpunkt der Vereinbarung war die allgemeine Arbeitszeit am Freitag kürzer als an den anderen Wochentagen, also entsprach der freie Freitag keiner Arbeitszeitreduktion um 20%. Daher wurde auch vereinbart, daß ich Montag bis Donnerstag voll arbeite (das war über mein Soll). Die Stunden habe ich mir aufgeschrieben und dann betriebsverträglich im Block abgegolten. Das war faktisch 1 Woche Urlaub mehr als die üblichen 6 Wochen und von beiden Seiten damals erwünscht. Win-win.


    Man muß es klar sagen: Ein Teilzeitangestellter leistet weniger als ein Vollzeitangestellter. Dafür bekommt er ja auch weniger Geld. In einem Betrieb mit Anwesenheitsunkultur (wie unserem) stört es durchaus, wenn einer regelmäßig weg ist. "Also dann verschieben wir das eben auf Freitag!" "Könnt Ihr machen, dann aber halt ohne mich." Länger als der Chef ist einer der Kollegen partout nicht darüber weggekommen, daß ich jede Woche schon am Donnerstagabend ins Wochenende verschwunden bin. Zehn Neider sind besser als ein Bedaurer.


    Mittlerweile hat sich die Arbeitswelt geändert - sie ist vielfältiger geworden. Heute kann man in verschiedenen Betrieben zu vielen Zeiten Kollegen nicht mehr physisch erreichen, muß also Dinge planen, für die physische Anwesenheit zwingend ist.


    Ein Kollege hatte eine halbe Stelle, die ursprünglich per "ganze Tage umschichtig" realisiert worden war (weite Anfahrt!). Er hatte die Arbeitsverteilung aber nicht festgeschrieben und wurde eines Tages nach einem Chefwechsel mit der Anordnung konfrontiert, daß er in Zukunft jeden Vormittag von 8 bis 12 zu erscheinen habe. Eine solche Anordnung ist arbeitsrechtlich möglich. Dieser Kollege hat dann schnell gekündigt. Eine spezielle Antipathie war dabei nicht im Spiel, der neue Chef war allerdings generell der Meinung, daß Mitarbeiter Verfügungsmasse sind, die er nach seinem Belieben auf dem Spielfeld umherschieben könne.


    Bei mir ging das nicht, weil der freie Freitag festgeschrieben war. Jahrelang hat er mich genervt, ob ich mir vorstellen könne, am Freitag anzutreten und dafür meinetwegen am Donnerstag um Mittag nach Hause zu gehen. Ich konnte es mir aber nicht vorstellen. Daraufhin hat er die Geschichte mit der internen Zeitverrechnung ausgesetzt: Ich solle nunmehr am Donnerstag genau nach Ableistung meiner Zeit nach Hause gehen, zwei Stunden vor den anderen. Das hat erwartungsgemäß nicht geklappt, weil die Kollegen diese Regelung verständlicherweise nicht auf dem Schirm hatten: "Kannst Du nicht mal eben noch?" "Nein, eigentlich habe ich schon seit 20 Minuten Feierabend!" "Ach ja! Schönes Wochenende!"


    Ich habe schließlich gegen meinen Wunsch die Arbeitszeit wieder erhöht, damit ich die Zeit, in der mich die Kollegen regelmäßig nicht weggelassen haben, wenigstens bezahlt bekomme. Der Chef hat Oberwasser gesehen, weil er in diesem Zusammenhang die Arbeitsverteilung wegverhandeln wolle. Das ahnte ich natürlich und habe mich nicht darauf eingelassen, was die Verhandlungen ziemlich in die Länge gezogen hat. Als kurz darauf die Arbeitszeit für alle am Freitag verkürzt wurde, gab es diesbezüglich eine zweite Runde. Wenn zwei sich streiten, frohlockt St. Bürokratius.


    Irgendwann war der neue Chef dann aber weg, und mit seinem Nachfolger ließ sich wieder leichter reden. Jetzt geht es (wie ehedem) wieder flexibler. Ich habe (wie ich das wollte) wieder die Woche "Urlaub*" mehr und das Abteilungsklima hat sich auch allgemein gebessert.


    Die Brechstange ist zwar ein häufig genutztes, aber kein besonders erfolgversprechendes Führungsprinzip.


    *Formal sind diese Abwesenheitstage Mehrarbeitsausgleich und kein Urlaub, unterliegen somit nicht den rechtlichen Bestimmungen für den Urlaub, sondern den nicht minder komplizierten Bestimmungen für Mehrarbeit. Wir bemühen uns, die einschlägigen Bestimmungen einzuhalten, nicht in jedem Fall geht das. Zum Glück (auch für die Mitarbeiter!) gibt es bei uns noch keine elektronische Zeiterfassung. Manchmal sind Überstunden einfach spontan notwendig. Kein verantwortlicher Mitarbeiter wird sich ihnen im Notfall verschließen. Er möchte dann aber nicht von der Lohnbuchhaltung die Überschreitung der Arbeitszeit vorgehalten bekommen, weswegen man ihm die geleistete Arbeitszeit streichen müsse. Arbeit ist immer auch Geben und Nehmen, gerade solche Sachen lassen sich vor Ort flexibler ohne Einschaltung der Verwaltung zu allseitiger Zufriedenheit regeln.

  • Die Karte mit betrieblichen Gründen kann die Firma theoretisch fast immer ziehen. In der Praxis muss sie das im Zweifelsfall aber auch konkret begründen können.


    Ich habe mir 2019 den kompletten August unbezahlt freigenommen, mit der Vereinbarung, dass ich 2 Wochen Urlaub auf den nächsten Sommer schieben kann. Ist jetzt nicht die klassische Teilzeit, aber relativ attraktiv, wenn man größere Reisen plant oder Hobbys fröhnen möchte, die blockweise besser funktionieren

  • Hallo zusammen,


    ich arbeite auch in 80%iger Teilzeit. Ich kann es nur empfehlen (sofern es sich wirtschaftlich ausgeht).


    Ich habe seinerzeit proaktiv den Weg des Einvernehmens mit dem Arbeitgeber gesucht. Ich bin also auf den Vorgesetzten zugegangen mit dem Wunsch nach Teilzeit und dem Vorschlag, die konkrete Ausgestaltung gemeinsam zu besprechen, bevor ich den eigentlichen Antrag stelle. Das schien mir zielführend und fair.


    Leider wurde dieses Entgegenkommen arbeitgeberseitig keineswegs goutiert. Die Verhandlung war zäh und voller in den Weg gelegter Stolpersteine. Es wäre rückblickend einfacher gewesen, schlicht den Antrag zu stellen -- und den Arbeitgeber vor vollendete Tatsachen.


    Moral von der Geschicht': Lese Dir das Teilzeit- und Befristungsgesetz in aller Genauigkeit durch. Sei auf der Hut gegenüber Fallen, die Dir "offeriert" werden.

  • KaffeeOderTee Ja, das kenne ich, dass gemauert wird. Als ich den ersten Antrag auf Teilzeitarbeit mit der Dokumentvorlage von Finanztip bei der Personalabteilung eingereicht hatte, passierte erst einmal länger - gar nichts.


    Es war offensichtlich, dass niemand wusste, wie mit so einem offiziellen Antrag zu verfahren ist.


    Irgendwann wurde ich von der Personalabteilung zu einem klärenden Gespräch mit meinem Abteilungsleiter eingeladen. Dort wurde mir von der Personalleitung erklärt, in unserem Unternehmen gäbe es keine Teilzeitarbeit.


    Daraufhin habe ich einige Kolleginnen aufgezählt, die Teilzeit arbeiten und der Personalleiterin die rechtliche Lage erläutert, wie sie im Finanztip-Artikel dargelegt wird.


    Mit dem Recht auf Teilzeit die Arbeitszeit reduzieren
    Als Arbeitnehmer hast Du einen gesetzlichen Anspruch auf Teilzeit. Dafür musst Du einen Antrag auf Teilzeit stellen.
    www.finanztip.de


    Nachdem sie sich informiert und Rücksprache mit dem Hausjuristen gehalten hatte, ging das dann doch ohne weitere Probleme.

  • Danke! - an alle, die ihre Erfahrungen geteilt haben. Das ist sehr hilfreich.

    Insbesondere für den Hinweis auf "erneuerbare Befristung" von Chili.
    Und auch für den Tipp, es erst mal kooperativ zu probieren, sich dann aber auch nicht auf die lange Bank schieben zu lassen, falls das nicht fruchtet.