PKV - Entwicklung im Alter aufgrund mehrjähriger Niedrigzinsphase

  • Hallo zusammen,

    ich habe mich in letzter Zeit ziemlich intensiv mit dem Thema PKV auseinandergesetzt. Die PKV-Versicherten haben seit ca. 2010 so richtig schön die Niedrigzinsphase miterlebt. Der kalkulatorische Rechnungszins der meisten PKVs wurde seitdem von 3,5 % auf 2,0-2,5% herabgesetzt, was sich für die Versicherten durch Beitragserhöhungen bemerkbar machte. Dies ist für mich auch begründbar, da durch den geringeren Rechnungszins die Altersrückstellungen durch den höheren zu zahlenden Beitrag ausgeglichen werden müssen.

    Nun gibt es aber noch die Überzinsen, also die Zinsen, die die PKV oberhalb des Rechnungszinssatzes erwirtschaften kann. Wenn ich mir die Nettoverzinsung in den Geschäftsberichten der PKVs anschaue, dann sind die erwirtschafteten Überzinsen seit 2012 auch sehr gering (teilweise sogar unter 0,5%).

    Diese Überzinsen werden nach §150 VAG zu 90% den Versicherten gutgeschrieben. Wenn ich es richtig verstanden habe, werden die Überzinsen den einzelnen Versichertenkohorten oder sogar den einzelnen Versicherten gutgeschrieben. Auf jeden Fall nicht dem gesamten Versichertenkollektiv des PKV-Tarifs. Dieser Spartopf soll dann ab dem Alter von 65 Jahren zur Beitragsstabilisierung oder -limitierung verwendet werden.

    Wenn man nun in die Jahre 1990-2008 zurückblickt, so haben damals die PKVs oftmals Überzinsen von weit über 2% erwirtschaftet, da sie für ihre Kapitalanlagen Renditen von bis zu 6-7 % bekommen haben.

    Betrachten wir nun folgendes Beispiel: Eine Person wechselt im Alter von 40 Jahren im Jahr 2010 in die PKV. Diese Person geht im Jahr 2035 im Alter von 65 Jahren in Rente. Nehmen wir mal an, dass die PKVs auch bis zum Jahr 2030 keine großen Überzinsen erwirtschaften, dann dürfte doch eigentlich der Spartopf mit den Überzinsen für diese Person im Jahr 2035 relativ klein ausfallen.

    Daher meine Frage:

    Hat dies vergleichsweise hohe Beitragssteigerungen ab dem Alter von 65 zur Folge, weil zu wenige Mittel zur Reduzierung/Limitierung vorhanden sind? Dr. Schlemann hat in einem anderen Forenbeitrag geschrieben, dass er pauschal von durchschnittlich 3,5% Steigerung pro Jahr im Rentenalter ausgeht. Ich bin da ziemlich skeptisch bei dem von mir beschriebenen Szenario, wenn man in der Ansparphase bis zum Alter von 65 Jahren zum Großteil eine Niedrigzinsphase durchlaufen musste, in der nur sehr geringe Überzinsen erwirtschaftet wurden.


    Wie seht ihr das???

  • Elena H.

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Hallo Felice , Sie sprechen einen wichtigen Punkt an und Ihre Überlegungen zu Rechnungszins und Überzinsen haben Hand und Fuß. Niedrigzinsen haben die PKV-Gesellschaften inzwischen eingepreist. Das war Ursache einiger stärkerer Beitragsanpassungen. Insofern sehe ich für die Zukunft eine asymmetrische Wahrscheinlichkeitsverteilung, d.h. eher das Potential für beitragsentlastende Effekte durch steigende Zinsen.


    Für die Beitragsentwicklung eines Rentners sind neben Rechnungszins und Überzins noch einige weitere Faktoren relevant:


    Altersrückstellungen & Kapitalerträge

    Tarifliche Altersrückstellungen plus gesetzlicher Zuschlag sind der größte Vermögensposten der PKV (~344 Mrd. € in der Branche, siehe https://www.zukunftsuhr.de/). Ihre Verzinsung trägt maßgeblich zur Stabilisierung der Beiträge im Alter bei. Dazu kommen stille Reserven und Neubewertungsgewinne aus Kapitalanlagen.


    Kosten- und Leistungsentwicklung

    Der wichtigste Faktor ist die Entwicklung der Leistungskosten. Inwieweit der Anstieg durch Kostendämpfungsmaßnahmen der Versicherer (Netzwerke, Leistungsmanagement, Digitalisierung) gebremst werden kann wird sich zeigen.


    Begrenzung von Beitragssteigerungen im Alter

    Einerseits reduziert § 150 VAG (Beitragsentlastung durch Überzinsen) Anpassungen. Planbarer für den Versicherten sind Beitragsentlastungstarife. Dazu gibt's noch Optimierungsmöglichkeiten über das Tarifwechselrecht nach § 204 VVG.


    Fazit: Rechnungs- und Überzins sind wichtig, aber nicht alles. Ein pauschaler Ansatz, wie die Annahme einer durchschnittlichen Beitragssteigerung von 3,5 % pro Jahr, auch im Rentenalter, kann als grober Richtwert für den Durchschnitt der privaten Krankenversicherer dienen. Der PKV Verband errechnet von 2005 bis 2025 sogar nur 3,1% (vs. 3,8% in der GKV). Die von mir genannten 3,5% sind also schon etwas pessimistisch geschätzt. Natürlich berücksichtigt eine solche Faustformel nicht alle individuellen Feinheiten. Es gibt Gesellschaften / Tarife, die liegen in der Vergangenheit darunter, andere liegen drüber.


    Wären Sie mit dieser Sichtweise einverstanden Felice ?

    Dr. Schlemann unabhängige Finanzberatung GmbH & Co. KG
    Von Finanztip empfohlene Spezialisten für Berufsunfähigkeit und private Krankenversicherung | Angaben gem. § 11 VersVermV, § 12 FinVermV: https://schlemann.com/erstinformationen | Beiträge in der Finanztip Community erstelle ich mit größtmöglicher Sorgfalt, jedoch ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität. Deren Nutzung erfolgt auf eigene Gefahr.

  • Hallo @Dr. Schlemann,

    besten Dank für Ihre ausführliche und nachvollziehbare Antwort.


    Mit der Entwicklung der Leistungskosten haben Sie einen wichtigen Punkt angesprochen. Hier kann keiner absehen, wie sich diese zukünftig entwickeln werden und welche Möglichkeiten die PKV-Unternehmen haben zur Gegensteuerung. Durch die neue GOÄ, die eingeführt werden soll, werden voraussichtlich auf die PKV-Versicherten Mehrkosten von 9-13% zukommen. Auch hört man immer wieder von einer Überversorgung bei Patienten. Und im Laborbereich werden angeblich viele Untersuchungen durchgeführt, die überflüssig sind. Hier sehe ich eigentlich keine Chance für die PKV-Unternehmen zu intervenieren.


    Was die von Ihnen genannte angenommene durchschnittliche Beitragssteigerung von 3,5% pro Jahr (auch im Rentenalter) betrifft, so sehe ich solch eine pauschale Aussage als sehr kritisch an. Denn Ihr Wert sowie die genannten 3,1 % des PKV-Verbands beziehen sich auf alle Vollversicherten, also Beihilfe- und Nicht-Beihilfeberechtigte. Wenn man diese Werte nun differenzieren würde, käme für die Nicht-Beihilfeberechtigten ein höherer Wert heraus. Und gerade die Nicht-Beihilfeberechtigten sind diejenigen, die sich bei Abschluss einer PKV bewusst über die Beitragsentwicklung im Rentenalter sein sollten. Ich habe mir den aktuellen Assekurata-Ratingbericht zur größten PKV, also der Debeka, angeschaut (U_Ratingbericht_Debeka-Kranken_2025.pdf). Dieser verdeutlicht meine Aussage: Im 10-Jahreszeitraum sind es im Schnitt pro Jahr 2,3% bei den Beihilfeberechtigten und 4,1% bei den Nicht-Beihilfeberechtigten. Im 5-Jahreszeitraum liegt das Verhältnis sogar schon bei 3,3% zu 5,5%. Also für die Nichtbeihilfeberechtigten liegen die Werte weit über den von Ihnen genannten Werten. Ich habe auch gehört, dass zum Jahreswechsel 2024/2025 Rentner bei der Debeka Beitragserhöhungen von 170 EUR und mehr erhalten haben, während Personen im Erwerbsleben im selben Tarif Betragserhöhungen von "nur" 100-120 EUR hatten. Unter Beitragsstabilität im Alter verstehen die meisten Menschen mit Sicherheit etwas anderes.


    Aber auch Aussagen vom PKV-Verband zum Thema "Beitrage im Alter" sehe ich teilweise als irreführend. So steht auf Private Krankenversicherung: So hoch sind die Beiträge im Al im Text "In allen Lebensaltern lag der Durchschnittsbeitrag in der privaten Krankenversicherung rund 600 Euro – und in sehr hohen Altersjahrgängen sogar deutlich niedriger. Es zeigt sich, dass der Beitrag ab den Altersstufen von 60 und 65 Jahren sogar spürbar sinkt." Der letzte Teil dieses Zitats suggeriert, dass für einen Versicherten im Rentenalter die Beträge sinken bzw. nicht mehr an das Niveau vom Alter 60/65 herankommen. Dies stimmt nicht. Auch die Grafik mit dem Beitragsverlauf auf der Seite wird von manchen Personen falsch interpretiert, indem sie denken, dass man z. B. mit 80 Jahren weniger zahlt als mit 60 Jahren. Wahr ist, dass die Beiträge im Rentenalter weiter ansteigen, sobald die Mittel aus dem Gesetzlichen Beitragszuschlag aufgebraucht sind. Wenn man 75 oder älter ist, werden die Beiträge aller Voraussicht weit über den Beiträgen mit 60/65 sein. Der komplette Chart in der Grafik wandert quasi mit jeder Beitragserhöhung weiter nach oben.


    Was die von Ihnen angesprochenen Optimierungsmöglichkeiten über das Tarifwechselrecht nach § 204 VVG betrifft, so möchte ich anmerken, dass es korrekt ist, dass man damit seine Beiträge im Alter reduzieren kann. Jedoch sollte man dabei berücksichtigen, dass man meistens damit einhergehend auch seinen Leistungsumfang reduzieren muss. Bei PKV-Unternehmen, die keine Parallelwelt bei den Tarifen haben (z. B. die Debeka), bedeutet dies oftmals, dass dann ältere Personen auf 1-/2-Bettzimmer und Chefarztbehandlung verzichten um eine Beitragsreduzierung zu erzielen. Aber gerade im höheren Alter sind dies Leistungen, die man gerne abgesichert haben möchte, weil sie statistisch häufiger in Anspruch genommen werden.


    Wichtig ist zu beachten, dass die weiter oben genannten durchschnittlichen Beitragserhöhungen pro Jahr solche Beitragsveränderungen aufgrund von Leistungsreduzierungen beinhalten. Auch der Chart in der Grafik auf der Seite des PKV-Verbands stellt nur den durchschnittlichen Beitragsverlauf dar. Will heißen: Wenn jemand seinen Leistungsumfang im Rentenalter nicht reduzieren möchte, wird sein Beitragsverlauf im Rentenalter voraussichtlich stärker ansteigen als im Chart.

    Der PKV-Verband, aber auch gerade die einzelnen Versicherungsunternehmen könnten hier eine wesentlich höhere Transparenz anbieten, indem sie auch reale Beitragsverläufe veröffentlichen, bei denen keine Leistungserweiterungen und -reduzierungen im gesamten Versicherungsverlauf stattgefunden haben. Dies würde manch einem PKV-Versicherten ein wesentlich besseres Bild zu einem möglichen zukünftigen Beitragsverlauf seines Vertrags bieten.

  • Hallo @Dr. Schlemann,

    besten Dank für Ihre ausführliche und nachvollziehbare Antwort.



    Was die von Ihnen genannte angenommene durchschnittliche Beitragssteigerung von 3,5% pro Jahr (auch im Rentenalter) betrifft, so sehe ich solch eine pauschale Aussage als sehr kritisch an. Denn Ihr Wert sowie die genannten 3,1 % des PKV-Verbands beziehen sich auf alle Vollversicherten, also Beihilfe- und Nicht-Beihilfeberechtigte. Wenn man diese Werte nun differenzieren würde, käme für die Nicht-Beihilfeberechtigten ein höherer Wert heraus. Und gerade die Nicht-Beihilfeberechtigten sind diejenigen, die sich bei Abschluss einer PKV bewusst über die Beitragsentwicklung im Rentenalter sein sollten. Ich habe mir den aktuellen Assekurata-Ratingbericht zur größten PKV, also der Debeka, angeschaut (U_Ratingbericht_Debeka-Kranken_2025.pdf). Dieser verdeutlicht meine Aussage: Im 10-Jahreszeitraum sind es im Schnitt pro Jahr 2,3% bei den Beihilfeberechtigten und 4,1% bei den Nicht-Beihilfeberechtigten. Im 5-Jahreszeitraum liegt das Verhältnis sogar schon bei 3,3% zu 5,5%. Also für die Nichtbeihilfeberechtigten liegen die Werte weit über den von Ihnen genannten Werten. Ich habe auch gehört, dass zum Jahreswechsel 2024/2025 Rentner bei der Debeka Beitragserhöhungen von 170 EUR und mehr erhalten haben, während Personen im Erwerbsleben im selben Tarif Betragserhöhungen von "nur" 100-120 EUR hatten. Unter Beitragsstabilität im Alter verstehen die meisten Menschen mit Sicherheit etwas anderes.


    Niemals relative und absolute Werte durcheinander werfen. Was sollen diese 170 bzw. 100 Euro aussagen? Das sind allenfalls Individualbeispiele die man nicht ins Verhältnis setzen kann.

    Die unstetigen Beiträge kommen von der Hochinflationsphase der vergangenen Jahre. Diese war "nicht vorgesehen" und sie wirft grundsätzlich alle Prognose bezüglich langfristiger Preisentwicklungen durcheinander. Wenn, dann muss du dir auch die Beitragssteigerungen der GKV anschauen und ins Verhältnis setzen.

  • Niemals relative und absolute Werte durcheinander werfen. Was sollen diese 170 bzw. 100 Euro aussagen? Das sind allenfalls Individualbeispiele die man nicht ins Verhältnis setzen kann.

    Die unstetigen Beiträge kommen von der Hochinflationsphase der vergangenen Jahre. Diese war "nicht vorgesehen" und sie wirft grundsätzlich alle Prognose bezüglich langfristiger Preisentwicklungen durcheinander. Wenn, dann muss du dir auch die Beitragssteigerungen der GKV anschauen und ins Verhältnis setzen.

    Ich habe keine relativen und absoluten Werte durcheinander geworfen. Mit meinem Post wollte ich nur aufzeigen, dass man die Beitragsentwicklung im Rentenalter nicht unterschätzen darf.

    Anhand mehrerer Beitragsrechnungen von Rentnern, die bei der Debeka versichert sind, habe ich gesehen, dass bei allen der Tarif PN bzw. PNW um exakt 170 EUR erhöht wurde. Die Debeka hat hier offenbar sogar Limitierungsmittel aus der RfB verwendet, damit die Erhöhungen nicht noch höher ausgefallen sind. Und in den Beitragsrechnungen von Erwerbstätigen, die ich gesehen habe, beliefen sich die Beitragserhöhungen für die Tarife PN bzw. PNW irgendwo zwischen 100-120 EUR.


    Was ich damit aufzeigen wollte, ist, dass Beitragserhöhungen im Rentenalter in EUR höher sein können als für jüngere Personen. Eigentlich auch logisch, wenn man nur auf die medizinische Inflation als Faktor schaut. Denn je älter man ist, umso höher sind die medizinischen Kosten pro Jahr, die man produziert. Und damit gilt dann: umso höher ist der durchschnittliche Mehrbedarf pro Jahr in EUR, der durch eine Beitragsanpassung abgedeckt werden muss. Ergo: Die Beitragserhöhung fällt in EUR betrachtet damit dann auch höher aus als für jüngere Versicherte.


    Daher sollte man eine Aussage wie "Beitragsstabilität im Rentenalter" sehr mit Vorsicht genießen.

    Solche pauschalen relativen Durchschnittswerte (also in Prozent), die im Internet kursieren, beinhalten in der Regel auch (a) die Beihilfeberechtigten, die per se geringeren prozentualen Steigerungen ausgesetzt sind, und (b) auch die Personen, die im Rentenalter aufgrund der Beitragssteigerungen ihren Versicherungsumfang reduzieren mussten (Abspecken des Leistungsumfangs oder höherer Selbstbehalt). Aber bleibt eine Person über ihrem gesamten Versicherungsverlauf in ein und demselben Tarif, dann sollte diese Person mit einer höheren relativen Erhöhung (also in Prozent) rechnen.


    Übrigens sind mir schon Versicherungsmakler begegnet, die tatsächlich behauptet haben, dass die PKV-Beiträge im Rentenalter sich seitwärts bewegen und dass man im Alter von 60 Jahren den höchsten Beitrag in seinem gesamten Versicherungsverlauf zahlt. Das ist absoluter Humbug. Sobald die Mittel aus dem Spartopf des gesetzlichen Beitragszuschlags von 10 % nach dem Lebensalter von 65 aufgebraucht sind, steigen auch wieder die Beiträge des Rentners, sobald das PKV-Unternehmen die Beiträge anpassen muss.