(Nach-) Vereinbarung zur vertraglichen Schadenspauschale

  • Hallo zusammen,


    Zu meiner Situation:

    Ich habe eine Wohnung in einem Neubauprojekt gekauft. Der Bauträger hat im Kaufvertrag eine Fertigstellung bis Mitte Dezember 2024 "garantiert". Sollte dieser Termin nicht gehalten werden, wäre eine "Schadenspauschale" von 18,33€ täglich zu zahlen (je Tag ein Dreißigstel von 10€/m2 und 40€ für den TG-Stellplatz / Tag), bzw. von der letzten Kaufpreisrate abzuziehen.


    Nun soll der Neubau in den nächsten zwei Wochen fertig werden. Damit wären sie circa 120 Tage zu spät.


    Sie schreiben mir, es wäre "nachweislich nicht durch den Bauträger zu vertreten gewesen". Als Gründe wurde schlechtes Wetter und der Ukrainekrieg genannt. "Kulanterweise" würde man mir aber 825€ anbieten, die von der letzten Rechnung abgezogen werden.


    Nun meine Frage:

    Hat hier jemand Erfahrung mit so etwas?

    An sich wurden im Kaufvertrag "Behinderungen bei der Erstellung des Objekte, die nicht durch den Veräußerer zu vertreten sind" explizit ausgeschlossen und als Beispiele wurden "Höhere Gewalt wie Naturkatastrophen oder Lieferengpässe durch den Ukrainekrieg" genannt, trotzdem wirkt diese "Abwicklungsvereinbarung" mit einem Angebot, welches 45 anstatt 120 Tagen "aus Kulanz" entschädigt, auf mich, als würde der Veräußerer versuchen, sich aus der Pflicht zu winden.


    Sollte ich auf diese Vereinbarung nicht eingehen, müsste ich im nächsten Schritt wahrscheinlich die Erfüllung des Vertrags verlangen und ggf. vor Gericht erstreiten, denke ich... aber wird in dem Fall dann erstmal die letzte Rate voll bezahlt? Oder können die sich weigern, den Vertrag abzuschließen und mir die Schlüssel auszuhändigen, ehe dieser Streit beigelegt ist? Dann würde sich die Abnahme der Wohnung ja noch weiter verzögern...


    Wie seht ihr den Sachverhalt?

    Auf eure Meinungen bin ich gespannt!

  • Kater.Ka

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Das kann gut sein. Das Abweisen von Reklamationen ist bei Handwerkern im weitesten Sinne erfahrungsgemäß die am besten beherrschte und auch am leidenschaftlichsten verfolgte Disziplin.

    Sollte ich auf diese Vereinbarung nicht eingehen, müsste ich im nächsten Schritt wahrscheinlich die Erfüllung des Vertrags verlangen und ggf. vor Gericht erstreiten, denke ich. Aber wird in dem Fall dann erstmal die letzte Rate voll bezahlt? Oder können die sich weigern, den Vertrag abzuschließen und mir die Schlüssel auszuhändigen, ehe dieser Streit beigelegt ist? Dann würde sich die Abnahme der Wohnung ja noch weiter verzögern.

    Das siehst Du dann. Der Bauträger ist Dir gegenüber jedenfalls in der stärkeren Position, auch rechtlich. Der Bauträger hat sicherlich mehr als einen Prozeß geführt und somit seinen wohlinformierten Stamm-Rechtsanwalt hinter sich, Du hingegen bist vermutlich Laie, der hoffentlich noch nie einen Prozeß hat führen müssen (Meist eine unerquickliche Erfahrung).


    Ich würde vermutlich anders an die Sache herangehen. Ich würde mich fragen: Um wieviel Geld geht es? In welchem Verhältnis steht dieser Betrag zum Kaufpreis der Wohnung (und eventuell zu den Kosten, die Du für andere Dinge ausgeben müßtest)? Ist Dir die Frage eine (ggf. selbst zu bezahlende) Konsultation eines Rechtsanwaltes wert? Wenn ja, dann mach das. Dann hast Du immerhin eine rechtliche Einschätzung eines Fachmanns und nicht nur die Einschätzung eines Rechtslaien in einem Forum.


    Wo wohnst Du jetzt? Hast Du den Umzug schon determiniert? Ich würde niemals knapp auf Termin in eine Wohnung einziehen, in der bis gestern noch der Pinsel geschwungen wurde, sondern würde mir eine Überlappung von mindestens einem Monat gönnen. Das kostet auch Geld, vielleicht vergleichbar viel Geld wie diese Konventionalstrafe jetzt, aber Du ärgerst Dich, wenn Du unmittelbar nach dem Einzug feststellst, daß man noch etwas machen muß, was in der leeren Wohnung viel leichter gewesen wäre als jetzt, wo alles vollgestellt ist.


    Shit happens! Wenns nicht mehr ist als das, kannst Du Dich noch glücklich schätzen.

  • Hallo Raoul,


    Sie haben die klassische Differenz zwischen Recht haben und Recht bekommen.


    Die Frage mit dem Wetter ist weitgehend ausgeurteilt. Kurz zusammengefasst, übliches Wetter in der planmäßigen Bauzeit gilt nicht als Ausrede; d.h. im Winter gibt es mal Frost oder es schneit. Da muss wirklich die Naturkatastrophe eingetreten sein.


    Außerdem gilt die Grundregel, wer sich auf eine Regelung berufen will, muss den Beweis führen. Also z.B. die Duschtasse haben wir bisher vom Werk X in der Ukraine bezogen; nun mussten wir auf den Hersteller Y in Frankreich ausweichen.


    Ihr großes Problem hat Achim Weiss schon aufgeführt. Sie sind in der unterlegenen Position und haben gegen einen ausgebufften Bauträger allein keine Chance. Ohne Anwalt läuft da gar nichts und eine sehr spezielle Rechtsschutzversicherung, die Bausachen einschließt, dürften Sie nicht haben. Also überlegen Sie, was wird teurer, Salz oder Suppe.


    (Als kleine Rache können Sie den Bauträger ja nach dem Einzug mit Mängelrügen nerven – wenn Ihnen so etwas Spaß macht.)


    Gruß Pumphut

  • Vielen Dank für die bisherigen Meinungen!


    Ach, auf Rache oder ärgern habe ich wirklich keine Lust, an sich bin ich doch ein sehr friedliebender Mensch!

    Wie ihr auch schon richtig gesagt habt, geht es mir da ein Stück weit um Fairness und ich habe auch die Befürchtung, dass der Bauträger mehr Karten in der Hand hält (um hier mal eine Trump‘sche Metapher zu nennen..).


    Die eigentlich vertraglich zustehende Summe beträgt auch nicht mal einen Prozent des Gesamtpreises, der angebotene Ausgleich liegt dementsprechend noch ein gutes Stück drunter.

    Auf das Geld angewiesen sind wir nicht wirklich, aber ich empfinde es, als würde man versuchen, uns „großzügigerweise“ mit Brotkrumen abzuspeisen.


    Vielleicht noch weitere Hintergründe:

    Ich plane gar nicht, in die Wohnung selbst einzuziehen, sondern habe sie als Kapitalanlage gedacht. Mieter ist auch schon gefunden und wartet natürlich auch darauf, schnell einziehen zu können.

    Ich hoffe nicht, dass jetzt eine Grundsatzdiskussion über Eigentum als Kapitalanlage entsteht (wie gesagt: friedliebender Mensch und so) und Ja, mir sind die ERHEBLICHEN Risiken einer gehebelten Geldanlage in eine Baustelle bewusst :)


    Ich wünsche Euch noch ein hoffentlich sonniges Wochenende!

  • Mit dieser Einschätzung dürftest Du recht haben. Stellt sich trotzdem die Frage, ob Du das akzeptierst oder nicht. In der Wirtschaft versucht man rechtlichen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen und möglichst eine buchhalterische Lösung zu finden. Das Angebot, das Dir vorliegt, ist so eine. Sie ist zu Deinem Nachteil, das weißt Du selber, dennoch könnte es eine Überlegung sein, das einfach so hinzunehmen, weil man sich halt nicht streiten will.


    Ein guter Verhandler könnte daran denken, nicht gleich das erste Angebot anzunehmen, sondern z.B. 500 € mehr herauszuholen. Fragt sich halt, ob man ein guter Verhandler ist.


    Ich beobachte staunend, was sich aktuell an den Börsen tut, weil ein blonder Egomane sich auslebt. Da geht es schon bei mir um andere Beträge und ich stelle mir die Frage, ob man sich um ein paar hundert Euro einen Kopf machen sollte. Eher wohl nicht. :)

  • Hallo,


    mehr für die passiven Mitleser: Die Bauträgerbranche ist ein Haifischbecken, dass muss jedem bewusst sein, der so einen Vertrag unterschreibt. Der von Raoul geschilderte Fall ist wirklich Peanuts. Wer vor den größten Problemen verschont bleiben will, sollte sich selbst eine Baubetreuer suchen. Da merkt der Bauträger zumindest, ich rede mit keinem unbedarften Laien.


    Gruß Pumphut

  • Ja, auch im Vergleich zu meinem sonstigen Vermögen (und den aktuellen temporären „Rücksetzern“, ausgelöst durch den erwähnten orangefarbenen Mann) ist der Streitwert hier eher klein und ich bin in der dankbaren Position, darauf nicht angewiesen zu sein, falls es hart auf hart kommen würde..


    Ein Update für alle, die es interessiert:


    Ich habe dem Bauträger geschrieben, sie sollen mir doch bitte die Umstände genauer erklären, die dazu geführt haben, dass sich der Abschluss verzögert.

    Wenn die Verzögerung wirklich so „nachweisbar“ an höheren Mächten liegt, dann sollte es ja kein Problem sein, es mir zu erklären :)

  • Ein Update für alle, die es interessiert:


    Ich habe dem Bauträger geschrieben, sie sollen mir doch bitte die Umstände genauer erklären, die dazu geführt haben, dass sich der Abschluss verzögert.

    Wenn die Verzögerung wirklich so „nachweisbar“ an höheren Mächten liegt, dann sollte es ja kein Problem sein, es mir zu erklären :)

    Ich würde solche Mätzchen lassen.

  • Das Abweisen von Reklamationen ist bei Handwerkern im weitesten Sinne erfahrungsgemäß die am besten beherrschte und auch am leidenschaftlichsten verfolgte Disziplin.

    Dein Weltbild wollte ich nicht haben, nicht mal geschenkt. Finde das den gesamten ehrbaren Handwerk gegenüber eine blanke Unverschämtheit.

  • Ich habe eine Wohnung in einem Neubauprojekt gekauft. Der Bauträger hat im Kaufvertrag eine Fertigstellung bis Mitte Dezember 2024 "garantiert".

    Wann hast du denn den Vertrag unterschrieben?

    Über den Daumen gepeilt war da schon 1-1,5 Jahre Krieg in der Ukraine...als unerwartet kann man das dann wirklich nicht mehr bringen. Ob die Klausel rechtens ist, kann dir hier keiner sagen. Geh zum Fachanwalt. Eine Erstberatung kostet nicht viel und dann kannst du immer noch schauen, wie du weitermachst.


    Und die Spielchen würde ich auch sein lassen. Wenn es doof läuft, stellt sich der Bauträger quer und händigt dir die Schlüssel erst aus, wenn ihr euch einigt. Wenn dein Mieter deshalb später einzieht, hast du gleich den nächsten Schaden. Insofern würde ich hier genau das tun, was der Anwalt empfiehlt. Nicht mehr und nicht weniger.


    PS:

    Sachverständigen für die Abnahme mitnehmen. Da kommen fast immer nochmal Mängel ans Licht. Und bezahlt wird natürlich erst vollständig, wenn die behoben sind.