Haben Indexfonds ein systematisches Problem?

  • Nachdem ich mich einige Zeit mit der genauen Funktionsweise von Indexfonds beschäftigt hatte, kam mir dieses völlig starre, regelbehaftete Handeln ohne jegliche Flexibilität eigentlich immer ein wenig merkwürdig vor. Das muss von denkenden Handelspartnern auf der anderen Seite des Handels doch ausnutzbar sein.

    Allerdings wurde es irgendwie nirgends thematisiert.


    Umso erstaunter war ich vom neusten Video von Ben Felix, dessen YouTube-Kanal hier vermutlich einige kennen.

    Er präsentiert Studien, die den Schaden durch sturres Handeln anhand dieser Regeln auf 0,6% pro Jahr und mehr beziffert. Das ist beachtlich.


    Die Hauptgründe sind eigentlich offensichtlich, wenn man sich mit der Funktionsweise von Indexfonds auseinandersetzt.


    1.) Indexfonds kaufen immer dann neue Aktien zu, wenn das Unternehmen neue Aktien ausgibt (auch über Aktienoptionen an Mitarbeiter). Das tut ein Unternehmen oder seine Mitarbeiter immer dann, wenn sie selbst ihre Aktien für zu teuer halten.

    Wenn ein Unternehmen Aktien zurückkauft, dann verkaufen Indexfonds. Das ist dann der Fall, wenn ein Unternehmen die eigenen Aktien für zu billig hält.

    Indexfonds handeln also immer genau andersrum, wie das Unternehmen selbst.

    Ganz extrem sind Börsengänge, die natürlich dann geschehen, wenn die Bewertung eines Unternehmen möglichst hoch ist. Und Indexfonds kaufen genau dann.


    2.) Kurz vor der Aufnahme in einen Index sind Aktien in der Tendenz besonders teuer und laufen nach der Aufnahme besonders schlecht. Zum Teil, weil aktive Marktteilnehmer die Indexaufnahme natürlich vorhersehen und wissen, dass sie überteuert an die Indexfonds verkaufen können. Zum Teil auch einfach, weil Aktien dann in den Index aufsteigen, wenn sie besonders teuer sind.


    Zusammengefasst kann man sagen, Indexfonds betreiben "buy high and sell low" und Indexfondsmanagern ist es vermutlich bewusst, aber ihr Ziel ist es halt nicht, das Problem zu umgehen, sondern die Tracking-Differenz niedrig zu halten.


    Was meint ihr? Ist vielleicht doch Platz für "aktive Indexfonds", wenn sich das Problem doch eigentlich umgehen lässt und scheinbar Kosten verursacht, die einem Vielfachen der TER entsprechen?


    Hier das Video:

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  • Ich sehe es so: Auch wenn Indexfonds tatsächlich "buy high and sell low" machen, dafür ist die risikoadjustierte Rendite die nach Abzug der Kosten und der Zeitersparnis bei mir landet beachtlich auf lange Sicht. Was will man mehr? Vorallem was ist die Alternative? Aktive Indexfonds sehe ich nicht als den Gamechanger an. Ganz im Gegenteil. Nach meinem Empfinden viel zu viel Werbung um aktive Indexfonds weil die ganzen Aktive Fonds Branche sieht wie das Geld der Anleger in passive kostengünstige Produkte fließt. Warum sollte ein Aktiver Manager oder eine Gruppe davon es besser machen als die Summe bzw der Querschnitt des Marktes? Falls doch, auch auf lange Sicht?

  • Angenommen die Annahmen treffen zu. Was sind denn die Alternativen für uns? An die Dimensional Funds kommt man nicht so leicht und kostengünstig ran. Richtige aktive Fonds sind zu teuer.

    Avantis (ähnlich Dimensional) hat vor ein paar Monaten einen „aktiven“ (regelbasiert, klebt nicht am Index) ETF auf den World IMI herausgebracht. Wie der genau funktioniert, hab ich aber nach Lektüre der Homepage noch nicht. TER ist irgendwas um 0,25 %. Könnte man sich mal anschauen, wenn das Thema interessiert.

  • Ich begrüße jeden aktiven Anleger. Seine Auswahl hat Auswirkungen auf meine Durchschnittsrendite. Ich hoffe für jeden, dass er richtig fette Renditen einfährt, da mir das auch zu Gute kommt. :)


    Natürlich gilt das auch für die 50% der Anleger, die weniger Rendite einfahren als mein Index aber so ist es mit dem Durchschnitt.


    Und jeder der sagt, er könne mehr als diese 6-8% Rendite einfahren, der hat Recht. Ich möchte diese Chance nicht ergreifen, das dürfen die anderen machen.

  • Du schreibst es selbst, der Schaden beläuft sich auf 0,6% pro Jahr, dafür kosten die aktiven Fonds in der Regel zwischen 3 und 5% im Gegensatz zu ETFs, die bei 0,2-0,5% liegen. Mit einem ETF bist du also dennoch deutlich im Plus. 🙂

  • Ich begrüße jeden aktiven Anleger. Seine Auswahl hat Auswirkungen auf meine Durchschnittsrendite. Ich hoffe für jeden, dass er richtig fette Renditen einfährt, da mir das auch zu Gute kommt. :)


    Natürlich gilt das auch für die 50% der Anleger, die weniger Rendite einfahren als mein Index aber so ist es mit dem Durchschnitt.


    Und jeder der sagt, er könne mehr als diese 6-8% Rendite einfahren, der hat Recht. Ich möchte diese Chance nicht ergreifen, das dürfen die anderen machen.

    Ja nur für jeden der eine Rendite über den 6-8% erzielt, sitzt aber auch ein anderer gegenüber der eine Minderrendite erzielt hat. Ergo kann nicht jeder eine Überrendite erzielen. Das vergessen so manche Anleger. Aber ich sehe es wie du und bleibe bei der Gesamtmarktrendite.

  • Das Argument zielt aber darauf ab, dass Indexfonds eben gerade nicht die Durchschnittsrendite einfahren.

    Das würde nur gelten, wenn man die Trades im Index ignoriert.


    Beim Indextracking macht man aber Trades, nur eben dann, wenn andere Leuten es einem vorgeben, also zum tendenziell ungünstigen Zeitpunkt.


    Warren Buffet hat auf einer Hauptversammlung mal gesagt, er freut sich über jeden Aktienrückkauf von Apple. Dann steigt sein Anteil an Apple, während Indexfonds verkaufen müssen


    Im Video heißt es ja, man kann Indexinvesing machen, man darf nur die Trades nicht mechanisch dann machen, wenn es die Gegenseite will.

  • Wenn ein Unternehmen Aktien zurückkauft, dann verkaufen Indexfonds. Das ist dann der Fall, wenn ein Unternehmen die eigenen Aktien für zu billig hält.

    Stimmt das ? Bitte Nachweis.

    Die Allianz SE und die Münchner Rück kaufen seit Jahren massiv eigene Aktien zurück. Die eingezogenen Aktien werden dann eingezogen.

    Ein ETF bildet die Gewichtung im Index ab, die dadurch nicht sinkt…

  • Doch, bei einem Rückkauf von Aktien sinkt der Anteil im Index. Der ist ja gerade gegeben durch die Anzahl der freien Aktien * deren Preis.


    Kauft ein Unternehmen 10% der Aktien zurück, verkauft ein Indexfonds 10% seiner Aktien.

    Gibt ein Unternehmen 10% neue Aktien aus, stockt ein Indexfonds seinen Bestand um 10% auf.


    Und zwar ohne zu zögern genau dann, wenn das Unternehmen es will. Daher ja dieses "Buy high, Sell Low".

    Und diese Asymmetrie in der Entscheidungsfreiheit soll es ja sein, die die Underperformance gegenüber Buy-and-Hold erzeugt.

    Indexfonds betreiben kein Buy-and-Hold, sondern sind mittlerweile eine riesige Handelspartei bei neuen Aktien oder Aktienrückkauf.


    Wie im Video kurz erwähnt, ist dies gerade in Phasen wie der Dotkom-Bubble relevant.

    Der Indexfonds kauft alle neuen Unternehmen direkt rein, wofür er die alten Unternehmen teilverkauft und rennt somit voll zyklisch in die Blase. Und zwar nicht Buy-And-Hold in die Blase, sondern mit zyklischen Handeln.

    Und das kostet.


    Da man Indexfonds mit dem Index vergleicht, fällt es nicht auf.

    Aber Buy and Hold Anleger wären deutlich besser durch die Dotkom-Bubble gekommen als der Index. Der ist durch die prozyklischen Trades auf die Nase gefallen

  • Es gibt doch genug ETFs, die ihren Index ziemlich genau treffen. Die beiden Punkte im ersten Post haben doch auf den Index selbst keinen Einfluss. Wo tritt also der Schaden von 0,6 Prozent auf?


    Ich denke zumindest bei so breit diversifizierten Indizes wie MSCI World und Co. sind solche Effekte vernachlässigbar.

  • Weiss nicht recht. Da wäre ja die Annahme, dass der Aktienpreis bei Rückkauf oder Neuausgabe von Aktien konstant bleibt, was ja üblicherweise nicht der Fall ist.

    Unabhängig davon, verkauft der Indexfonds erstmal Aktien. Klar kann es sein, dass die noch verbleibenden Aktien durch den Rückkauf im Preis steigen und somit der Geldanteil ähnlich bleibt. Aber das macht den Verkauf ja möglicherweise noch zyklischer.


    Wie kann ich das umgehen ohne mir andere Kosten reinzuholen?

    Wenig, da dem Problem irgendwie wenig Beachtung geschenkt wird.

    Irgendwie habe ich das Gefühl, dass man mit dem Weggang von aktivem Management das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat.

    Denn auch Indexfonds müssen handeln um dem Index zu folgen.

    Und in dem Moment ist einfach keine "Waffengleichheit", denn die anderen Seite darf denken und das Timing entscheiden.

    Gäbe es keine neuen Aktien oder Aktienrückkauf, würde die Indexidee aufgehen, so aber hat sie ein Konstruktionsproblem.

    Aber ob es besser geht? Vermutlich schon.

  • Es gibt doch genug ETFs, die ihren Index ziemlich genau treffen. Die beiden Punkte im ersten Post haben doch auf den Index selbst keinen Einfluss. Wo tritt also der Schaden von 0,6 Prozent auf?

    Das ist ja das Problem, man sieht den Schaden nicht, da er schon im Index ist.

    Im Video wurden Ideen präsentiert, wie man den Schaden zeigen kann.


    Man könnte aber auch beispielsweise mit einem Buy-And-Hold Portfolio vergleichen. Denn Indexing ist eben kein Buy-And-Hold.


    Aber langfristig ist das halt auch keine Lösung, man will ja auch neue Unternehmen aufnehmen.

  • Unabhängig davon, verkauft der Indexfonds erstmal Aktien. Klar kann es sein, dass die noch verbleibenden Aktien durch den Rückkauf im Preis steigen und somit der Geldanteil ähnlich bleibt. Aber das macht den Verkauf ja möglicherweise noch zyklischer.

    Hast du dafür eine Quelle? Der MSCI World Index z.B. wird ja überhaupt nur 4 mal im Jahr rebalanced.

  • Selbst wenn die 0,6% Performance-Einbußen stimmen sollten, wie hoch wäre der Aufwand um dies auszugleichen? Wahrscheinlich mehr als 0,6% und ohne Garantie.


    Der Autor des Videos verdient sein Geld mit Portfoliomanagement, Finanzcoaching usw. Das lässt vielleicht auf die Motivation hinter dem Video schließen.

  • Ohne mir jetzt hunderte Seiten Indexdokumente durchzulesen findet man im Corporate Events Dokument beispielsweise:

    "Primary equity offerings and debt-to-equity swaps that meet the implementation thresholds defined

    in section 4.2 are implemented as of the close of the first trading day of the new shares if all

    necessary information is available at that time."


    Aber das ist auch kein Fehler im Index. Der Index soll den Markt beschreiben und keine optimale Investmentstrategie.

    Wenn ein Unternehmen an die Börse geht, neue Aktien ausgibt, Mitarbeiter Aktienoptionen ausüben oder Wandelanleihen gegen Aktien getauscht werden, gibt es mehr Aktien am Markt. Will man den Markt beschreiben, muss man das berücksichtigen, sonst beschreibt man den Markt nicht.

    All diese Dinge werden aber dann passieren, wenn die Aktien teuer sind. Denn die anderen Seite halt die Wahl.

    Die andere Seite des Trades bestimmt den Zeitpunkt - und das natürlich in seinem Sinne.


    Indizes gibt es schon viel länger als Indexfonds, sie wurden nicht erfunden, um in sie zu investieren.
    Und du kannst halt nicht Buy-And-Hold machen und gleichzeitig dem Markt folgen, auf dem Aktien entstehen und verschwinden. Das widerspricht sich.

    Das wäre ja auch kein Problem, gäbe es nicht die Asymmetrie, dass die eine Seite entscheidet und die andere folgen *muss*.

  • Natürlich kann ich Buy and Hold mit einem Index-ETF machen. Es geht dabei ja um den Index, der einen gewählten Markt abbildet, und nicht um einzelne Aktien.


    Am Ende läuft das doch auf die Diskussion hinaus ob passive oder aktive Fonds besser sind. Dazu gibt es zahlreiche Studien, die darlegen, dass auf Strecke die passiven Indexfonds überlegen sind. Und da wären die ominösen 0,6% ja auch mit eingerechnet. Ohne Beleg stelle ich jedoch in Frage, ob es da einen nachweisbaren Effekt gibt.


    Das wirkt für mich einfach nach einer Verkaufsmasche. Die DVAG findet ETFs ja auch ganz schlecht. Warum wohl?