Vorfälligkeitsentschädigung In drei Fällen kommst Du ohne Extrazahlung aus Deinem Baukredit
Finanztip-Experte für Baufinanzierung und Immobilien
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Schritt 3: Bist Du danach immer noch entschlossen, fordere eine Berechnung Deiner Bank an.
Nach dem Kauf eines Hauses oder einer Wohnung laufen die Dinge nicht immer wie geplant: Wer seine Immobilie etwa bereits nach einigen Jahren wieder verkaufen möchte oder nach einer Erbschaft seine Schulden rasch tilgen möchte, der muss sich erneut mit seiner Baufinanzierung auseinandersetzen. Innerhalb der vereinbarten Zinsbindungsfrist ist es nicht vorgesehen, dass Du aus dem Vertrag aussteigst. Allerdings gibt es Ausnahmen.
Wichtig: Unklare Angaben im Darlehensvertrag eröffnen die Möglichkeit, aus einem Baukredit ohne Vorfälligkeitsentschädigung auszusteigen (OLG Frankfurt, Az. 17 U 810/19).
Zwei Commerzbank-Kunden hatten vorgebracht, dass die Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung in ihrem Vertrag nicht den gesetzlichen Anforderungen genügten (§ 502 BGB). Das Gericht gab ihnen Recht. Fast 22.000 Euro an Vorfälligkeitsentschädigung sollte die Bank zurückzahlen. Um das zu verhindern, hatte die Bank den Bundesgerichtshof angerufen, allerdings ohne Erfolg. Der BGH wies im Juni 2021 die Beschwerde zurück (Az. XI 320/20). Das Urteil ist damit rechtskräftig.
Das bedeutet für Dich: Wenn Du Deinen Darlehensvertrag nach dem 21. März 2016 abgeschlossen hast und jetzt vorzeitig beenden möchtest, lohnt es sich besonders, Deinen Vertrag überprüfen zu lassen.
Es gibt drei Fälle, in denen Darlehensnehmer ihren Immobilienkredit vorzeitig beenden können, ohne dass eine Vorfälligkeitsentschädigung anfällt. Den ersten dieser Fälle kannst Du sehr einfach selbst überprüfen, bei den anderen beiden benötigst Du Unterstützung. Dabei geht es immer um Immobilienkredite mit fester Zinsbindung.
Selbst wenn Du ein Baufinanzierungsdarlehen mit einer 15- oder 20-jährigen Zinsbindung abgeschlossen hast, kannst Du Deinen Vertrag nach zehn Jahren kündigen. Und zwar ohne Vorfälligkeitsentschädigung (§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Stichtag für die Zehn-Jahres-Frist ist das Datum, an dem Du das Darlehen vollständig ausgezahlt bekommen („empfangen“) hast. Anschließend musst Du noch eine Kündigungsfrist von sechs Monaten einhalten. Du kannst Dein Darlehen also in jedem Fall frühestens zehn Jahre und sechs Monate nach der letzten Auszahlungsrate ablösen. Dazu ein Beispiel:
Datum des Darlehensvertrags | 1. Januar 2013 |
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Letzte Teilauszahlung | 1. September 2013 |
Kündigung möglich ab (zehn Jahre später) | 1. September 2023 |
Ablösung des Darlehens zum (Sechs-Monats-Frist) | 1. März 2024 |
Quelle: Finanztip: aus §§ 489 Abs. 1 Nr. 2; 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB (Stand: Juli 2023)
Viele Banken verwenden bis heute falsche Widerrufsbelehrungen in ihren Verträgen. Findet sich ein solcher Fehler auch in Deinem Vertrag, kannst Du Dein Darlehen widerrufen. Dann zahlst Du den Kredit zurück – ohne Vorfälligkeitsentschädigung.
Du benötigst für diesen Weg die Unterstützung eines Experten und musst bereit sein, gerichtlich gegen Deine Bank vorzugehen. Was Du dabei beachten musst und an wen Du Dich wenden kannst, liest Du in unserem Ratgeber Fehlerhafte Widerrufsbelehrung.
Seit 21. März 2016 (Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie) müssen Banken ihre Baukredit-Kunden korrekt darüber informieren, wie sie eine Vorfälligkeitsentschädigung berechnen. Macht die Bank im Vertrag dazu nur unzureichende Angaben, entfällt der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung (§ 502 Abs. 2 BGB).
Es gibt dazu mittlerweile einige Urteile zugunsten der Bankkunden. So hat das Oberlandesgericht Frankfurt in einem Fall gegen die Commerzbank entschieden. Sie muss die Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von rund 22.000 Euro erstatten. Das Urteil ist rechtskräftig (Az. 17 U 810/19).
Für die Prüfung Deines Vertrags brauchst Du anwaltliche Unterstützung und musst bereit sein, gegen Deine Bank vorzugehen, falls diese Dein Anliegen zurückweist. Überprüfen kannst Du übrigens nicht nur noch zu zahlende Entschädigungen an die Bank, sondern auch Zahlungen, die Du bereits geleistet hast: Bis zu drei Jahre nach der Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung kannst Du das Geld von der Bank zurückfordern.
Für eine Erstberatung und Prüfung des Darlehensvertrags verlangen die jeweiligen Anwaltskanzleien in der Regel noch kein Honorar. Sobald sich der Anwalt aber in Deinem Auftrag an die Bank wendet, stellt er Dir seine Leistungen in Rechnung.
Ob Du dieses Geld später in Form einer geringeren Entschädigung wieder herausholst, ist nicht sicher: Die Bank kann Verhandlungen über die Vorfälligkeitsentschädigung auch ablehnen und es auf eine gerichtliche Klärung ankommen lassen. Dieses Kostenrisiko kannst Du nur dann vermeiden, wenn Du eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hast und diese dann auch zusagt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Deshalb solltest Du gleich nach dem Gespräch mit dem Anwalt klären, ob Deine Rechtsschutzversicherung die Kosten übernimmt.
Grundsätzlich kann jeder spezialisierte Rechtsanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in dieser Sache für Dich tätig werden. Wir empfehlen Dir allerdings, Anwaltskanzleien zu kontaktieren, die bei dem angrenzenden Thema der Widerrufsbelehrung erfolgreich waren.
Während die drei letztgenannten Wege Baukredite mit fester Zinsbindung betreffen, gibt es zwei weitere Darlehensarten, bei denen ebenfalls keine Vorfälligkeitsentschädigung fällig wird.
Keine Entschädigung musst Du außerdem zahlen, wenn Du Deine Immobilie mit einem Bausparvertrag finanziert hast, und Du bereits das Bauspardarlehen erhalten hast. Dann kannst Du das Darlehen jederzeit kostenfrei zurückzahlen.
Auch bei einem Baukredit mit variabler Verzinsung kannst Du die Entschädigungszahlung an die Bank vermeiden. Diese Kredite kannst Du jederzeit mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen. Allerdings sind solche Kredite bei privaten Baufinanzierungen eher selten.
In Deutschland sind bei Immobilienfinanzierungen langfristige Zinsbindungen üblich. Das ist positiv für Dich als Kreditnehmer, aber auch für die Bank; beide Seiten können über diese Zeit mit den festgelegten Raten planen.
Zahlst Du Deinen Kredit dagegen vor Ende der Zinsbindungsfrist zurück, entgehen der Bank die Zinsen für die „abgeschnittene“ Zeit. Deshalb kannst Du den Vertrag nur unter bestimmten Bedingungen kündigen, und die Bank darf zum Ausgleich eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen.
Eine außerordentliche Kündigung des Immobilienkredits ist nur zulässig, wenn Du ein berechtigtes Interesse hast. Das ist etwa der Fall, wenn Du die Immobilie verkaufen musst. Dabei spielt es keine Rolle, ob das aus privaten Gründen geschieht oder wegen eines beruflichen Umzugs. Ein berechtigtes Interesse hast Du auch, wenn Du einen zusätzlichen Kredit für Deine Immobilie benötigst, diesen aber nicht von Deiner bisherigen Bank erhältst. Die Kündigungsfrist für eine solche außerordentliche Kündigung beträgt sechs Monate. Allerdings hat Deine Bank dann Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung (§ 490 Abs. 2 Satz 3 BGB).
Ausnahme: Die Bank hat das Darlehen selbst außerordentlich gekündigt, weil der Kreditnehmer mit seinen Raten in Verzug geraten ist, so der Bundesgerichtshof (BGH, 19.01.2016, Az. XI ZR 103/15). Dann darf sie auch keine Vorfälligkeitsentschädigung in Rechnung stellen.
Grundsätzlich gilt: Der vorzeitige Ausstieg ist teuer. Nach einer Untersuchung der Verbraucherzentrale Bremen aus dem November 2019 verlangten die Banken im Schnitt 10 Prozent der offenen Restschuld von ihren Kunden. Bei unserer Beispielabfrage, in der wir mit einigen Online-Rechnern eine Ablösung nach sechs Jahren berechnet haben, kamen wir auf Prozentwerte von 6 bis knapp 7 Prozent der Restschuld.
Damit kostet der vorzeitige Ausstieg aus der Baufinanzierung prozentual ein Vielfaches der Ablösung eines Ratenkredits, bei der die Entschädigung auf 0,5 bis 1 Prozent der Restschuld gedeckelt ist.
Kern des Problems bei der Baufinanzierung: Wie die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet wird, steht nicht im Gesetz. Deshalb gibt es zwischen Banken und Verbrauchern immer wieder Streit darüber, wie viel die Bank verlangen darf. Die Rechtsprechung hat dazu im Lauf der Jahrzehnte Leitlinien festgelegt (BGH, 01.07.1997, Az. XI ZR 197/96; XI ZR 267/96). Die Urteile legen also den Rahmen fest. Letztlich haben die Banken bei der Berechnung aber einen Gestaltungsspielraum, den sie tendenziell zu ihren Gunsten nutzen dürften. In der genannten Untersuchung errechnete die Verbraucherzentrale Bremen Entschädigungen, die im Durchschnitt 5 Prozent niedriger lagen als die Forderungen der Banken.
Restschuld | Durchschnittliche Vorfälligkeitsentschädigung nach Berechnung der Bank (10 %) | Durchschnittliche Abweichung zu Ungunsten der Verbraucher (5 % der Forderung) |
100.000 € | 10.000 € | 500 € |
Quelle: Finanztip, Grundlage des Durchschnittssatzes der Verbraucherzentrale Bremen (Stand: März 2020)
Überschlägig winken in diesem Beispiel bis zu 500 Euro, wenn Du die Forderung der Bank nicht einfach hinnimmst, sondern eine eigene Berechnung vorlegst. Ob sich eine Auseinandersetzung bei diesem Betrag lohnt, solltest Du nach einem Gespräch mit einem Experten entscheiden.
Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung ist abhängig von der Restlaufzeit des Darlehens, dem ursprünglich vereinbarten Zins und dem aktuellen Zinsniveau. Hat die Bank die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung mitgeteilt, kannst Du diese überschlägig zunächst selbst überprüfen:
Kontrollier die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung, die Dir Deine Bank zugeschickt hat. Ist diese detailliert genug? Für eine spätere Überprüfung sollten in jedem Fall die folgenden Punkte aus der Aufstellung hervorgehen:
Falls Du eine Abrechnung mit fehlenden Angaben erhalten hast, kannst Du unser Musterschreiben verwenden.
Ob die Bank die Vorfälligkeitsentschädigung zu ihren eigenen Gunsten berechnet hat, kannst Du mit einem kostenlosen Rechner aus dem Internet überprüfen. In unserem Ratgeber zu kostenlosen Online-Rechnern für Vorfälligkeitsentschädigungen erklären wir Dir genauer, wie diese Rechner funktionieren.
Für ein individuelles Gutachten zur Vorfälligkeitsentschädigung empfehlen wir Dir die Zusammenarbeit mit einem Experten. Folgende Möglichkeiten stehen Dir zur Verfügung:
Sofern ein professionelles Gutachten eine niedrigere Vorfälligkeitsentschädigung ausweist als von Deiner Bank berechnet, schreib das Geldinstitut an. Leg das Gutachten bei und fordere Deine Bank auf, die Berechnung zu korrigieren.
Natürlich kann es sein, dass die Bank sich stur stellt. An diesem Punkt solltest Du Dir überlegen, einen Anwalt zu beauftragen. Frag bei Deiner Rechtsschutzversicherung nach, welche Kosten sie für Dich übernehmen würde.
Wir haben im Sommer 2023 Rechtsschutztarife mit den Bausteinen Privat, Beruf und Verkehr untersucht. Unsere Empfehlungen aus diesem Test sind:
WGV PBV Optimal
Huk-Coburg PBV Plus
Der Kunde hat am 1. Januar 2015 einen Immobilienkredit in Höhe von 200.000 Euro aufgenommen und möchte diesen zum 1. Januar 2021 ablösen.
Darlehensvertrag vom | 01.01.2015 |
---|---|
Darlehensbetrag | 200.000 € |
Zinssatz (gebundener Sollzinssatz) | 2 % |
anfängliche Tilgung (in % der Darlehenssumme) | 2 % |
Sondertilgung (mögliche) | 5 % pro Jahr (10.000 €) |
Ablösung zum | 01.01.2021 (nach 6 Jahren) |
Restschuld zum 31.12.2019 | 178.984,21 € |
monatliche Rate | 666,67 € |
Die Ergebnisse zeigen, dass die einzelnen Rechner die Größenordnung der Vorfälligkeitsentschädigung recht gut abbilden. Die Berechnung zeigt auch, dass mit den wenigen Angaben, die die Rechner in der Regel verlangen, durchaus unterschiedliche Ergebnisse zustande kommen.
FMH | Wehrt | |
---|---|---|
errechnete Vorfälligkeits- | 11.822,46 | 9.761,63 – 10.239,17 |
Prozent der Restschuld (von 178.984,21 €) | 6,6 % | 5,4 % - 5,7 % |
Zinssatz aus der Zeitreihe der Bundesbank zum Neugeschäft bei Wohnungsbaukrediten entnommen (Zinsbindung über fünf bis zehn Jahre)
Quelle: eigene Berechnung (Stand: 28. Februar 2020)
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