Berliner Testament So kannst Du Erbschafts­steuer vermeiden

Jörg Leine
Finanztip-Experte für Steuern

Das Wichtigste in Kürze

  • Beim Berliner Testament setzen sich Ehepartner gegenseitig als Erben und danach erst die Kinder als Schlusserben ein.
  • Dem erbenden Kind geht beim Berliner Testament ein persönlicher Freibetrag gegenüber einem seiner Elternteile verloren. Die Erbschafts­steuer kann dadurch relativ hoch ausfallen.
  • Oft droht dem Kind ein höherer Steuersatz. Denn nachdem beide Elternteile gestorben sind, erbt der Nachwuchs ein größeres Vermögen, das höher besteuert wird.

So gehst Du vor

  • Den persönlichen Freibetrag von 400.000 Euro kann das Kind alle zehn Jahre nutzen. Vorzeitige Schenkung spart daher Erbschafts- und Schenkungssteuer.
  • Statt eines Berliner Testaments kannst Du andere Varianten wählen, zum Beispiel die testamentarische Einräumung eines Nießbrauchsrechts oder ein Vermächtnis zugunsten des Kindes.

Es ist nach wie vor der Klassiker für Eheleute mit Kindern: das Berliner Testament. Dabei setzen sich die beiden Ehepartner (oder eingetragenen Lebenspartner) gegenseitig als Erben ein und die gemeinsamen Kinder als sogenannte Schlusserben. Wenn nach dem ersten Ehepartner irgendwann auch der zweite gestorben ist, erben die Kinder. Doch das kann steuerliche Nachteile nach sich ziehen. Es gibt aber Möglichkeiten, diese zu vermeiden.

Steuernachteile beim Berliner Testament

Das Berliner Testament ist eine gute Idee, falls Ehegatten sichergehen wollen, dass der eine Partner im Todesfall des anderen weiterhin gut versorgt ist. Für dessen Erben allerdings kann es ganz schön teuer werden, wenn sie das gesamte Vermögen beider Elternteile auf einmal bekommen, wie folgendes fiktives Beispiel zeigt:

Albert ist mit Berta verheiratet. Sie haben ein gemeinsames Kind: Christa. In ihrem gemeinschaftlichen Testament legen sie fest, dass nach dem Tod des ersten Ehepartners der andere erbt und erst nach dessen Tod Christa. Sowohl Albert als auch Berta haben jeweils 400.000 Euro Vermögen. Nun ist Albert gestorben. Berta beerbt ihn und muss keine Erbschafts­steuer zahlen, weil ihr persönlicher Freibetrag laut Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) 500.000 Euro beträgt (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Noch im selben Jahr verstirbt sie. Infolgedessen erbt Christa. Ihr Erbe beträgt nunmehr 800.000 Euro. Als Kind von Berta hat sie einen Freibetrag von 400.000 Euro. Das bedeutet: Auf die restlichen 400.000 Euro muss sie Steuern bezahlen, das wären 60.000 Euro. Wie das ermittelt wird und wie hoch generell Freibeträge beim Erben sind, kannst Du im Ratgeber Erbschafts­steuer nachlesen.

Das zeigt, dass der Versorgungswunsch der Eltern die Kinder viel Geld kosten kann, das der Staat kassiert.

Freibetrag bei jedem Erbfall

Der Freibetrag von 400.000 Euro steht normalerweise jedem Kind pro Erbfall und Schenkung von jedem seiner Elternteile zu. Anders beim Berliner Testament: Dadurch geht in unserem Beispiel der Tochter Christa ein Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro verloren, weil allein ihre Mutter Berta ihren Vater Albert beerbt hat und Christa anschließend beide Vermögensteile auf einmal erhält.

Das lässt sich folgendermaßen umgehen: Du kannst Deinem Kind bereits zu Lebzeiten Vermögen übertragen, um Deinem Nachwuchs später Erbschafts­steuer zu ersparen. Nutze die hohen persönlichen Freibeträge von 400.000 Euro pro Kind und Elternteil. Alle zehn Jahre kannst Du auf diese Weise Vermögen übertragen, ohne dass Schenkungssteuer anfällt.

Sterben die Eltern zehn Jahre nach der Schenkung oder später, wird die Schenkung nicht dem Erbfall zugerechnet, so dass die Erben den Freibetrag erneut beanspruchen können.

Pflichtteilsanspruch geltend machen

Im eingangs dargestellten Beispiel geht Christa beim Tod ihres Vaters wegen des Berliner Testaments leer aus. Sie wird folglich beim ersten Erbfall enterbt. Sie könnte daher gegenüber ihrer Mutter binnen drei Jahren einen Pflichtteilsanspruch geltend machen.

Ein Urteil des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 19. Februar 2013, Az. II R 47/11) kann ihr helfen, Erbschafts­steuer zu sparen – selbst bei einem erst nachträglich geltend gemachten Pflichtteilsanspruch, also erst, wenn auch Berta gestorben ist. Die Richter ermöglichten nämlich einen steuerlichen Abzug als Nachlassverbindlichkeit.

Mit Bertas Tod wird Christa sowohl Anspruchsinhaberin gegen Berta als auch deren Erbin. Zivilrechtlich erlischt dieser Anspruch auf den Pflichtteil – doch nicht steuerrechtlich, wie die BFH-Richter entschieden. Das bedeutet: Den Pflichtteilsanspruch, den Christa geltend gemacht hat, kann sie als Nachlassverbindlichkeit abziehen. Folglich sinkt ihre Erbschafts­steuerbelastung. 

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Begünstigte Besteuerung für Schlusserben

Im Erbschafts­steuergesetz ist vorgesehen, dass sich Schlusserben auf Antrag begünstigen lassen können, falls bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (§ 15 Abs. 3 ErbStG). Interessant ist das in Fällen, in denen der Schlusserbe ein näheres Verwandtschaftsverhältnis zum Erstverstorbenen hat.

Ein abgewandeltes Beispiel verdeutlich das: Die Ehe von Albert und Berta ist kinderlos geblieben. Als Schlusserbe wurde der Sohn aus Alberts erster Ehe eingesetzt. Dieser könnte nun diese gesetzlich vorgesehene Begünstigung beantragen. Das bedeutet: Als Steuerklasse wird diejenige im Verhältnis zum erstverstorbenen Ehegatten angewendet und nicht diejenige zum Letztverstorbenen. Im Beispiel gilt für den Sohn aus Alberts erster Ehe nunmehr die günstigste Steuerklasse I.

Immer wenn der Schlusserbe ein näheres Verwandtschaftsverhältnis zum ersten verstorbenen Elternteil hat, sollte sich dieser darauf berufen. Das spart Erbschafts­steuer.

Alternativen zum Berliner Testament

Ein Berliner Testament kann nicht mehr geändert werden, sobald einer der beiden Partner verstorben ist. Daher ist es sinnvoll, sich frühzeitig auch über Alternativen Gedanken zu machen.

Nießbrauch sichert dem überlebenden Ehegatten Einnahmen: Statt mit einem klassischen Berliner Testament lässt sich das Ziel, die Witwe oder den Witwer zu versorgen, auch anderweitig erreichen: durch die testamentarisch festgelegte Einräumung eines Nießbrauchsrechts. Gehört beispielsweise zum vererbten Vermögen ein vermietetes Haus, dann könnte die Miete nach dem Tod Alberts an Berta fließen, Christa aber Eigentümerin des Hauses werden.

Testamentsvollstreckung sichert Einfluss aufs Vermögen: Berta könnte als Testamentsvollstreckerin mit der Verwaltung des Vermögens beauftragt werden, das Albert seiner Tochter Christa vererbt. Auch so bleibt Bertas Einfluss gewahrt, die steuerlichen Nachteile des Berliner Testaments werden verhindert.

Letztwillige Verfügung statt Berliner Testament: Eine weitere zivilrechtliche Möglichkeit ist, ein Vermächtnis statt des klassischen Berliner Testaments aufzusetzen. Die Erbfolge könnte so gestaltet werden, dass bereits beim Tod des Vaters Albert die Tochter Christa dessen Vermögen erbt und nicht erst nach dem Tod der Mutter. Durch eine letztwillige Verfügung könnten beide Elternteile dem Kind ein Vermächtnis einräumen und so dessen persönlichen Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro ausnutzen. Dies setzt aber voraus, dass beide Elternteile das schon zu Lebzeiten so regeln.

Fazit: Anwaltliche Beratung angeraten

Das Berliner Testament hat aus steuerlichen Gründen zwei erhebliche Nachteile:

  1. Der Schlusserbe (Tochter Christa im Ausgangsbeispiel) verliert einen persönlichen Freibetrag.
  2. Beim letztverstorbenen Ehegatten (Berta im Beispiel) wird das Vermögen derart angehäuft, dass der Schlusserbe (Christa) viel mehr Erbschafts­steuern zahlen muss als nötig.

Vermeiden kannst Du solche Situationen, indem Du zu Lebzeiten entsprechend Deiner Versorgungswünsche Vereinbarungen triffst. Hol Dir dazu Hilfe von einem versierten Erbrechtsanwalt oder Notar – das könnte eine lohnenswerte Investition sein. Wie Du einen passenden Anwalt findest und mit welchen Kosten Du rechnen musst, liest Du in unserem Ratgeber.

Autoren
Udo Reuß

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