Pflegezeit und Familienpflegezeit Pflegende Angehörige bekommen jetzt länger Auszeit

Kathrin Gotthold
Finanztip-Expertin für Vorsorge und Ver­si­che­rung

Das Wichtigste in Kürze

  • Angehörige können nun pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person Pflegeunterstützungsgeld in Anspruch nehmen. Bislang war es auf einmalig insgesamt zehn Tage je pflegebedürftiger Person beschränkt.

  • Für Notfälle kannst Du Dich zehn Arbeitstage freistellen lassen und Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatz beantragen.

  • Mit der Pflegezeit kannst Du sechs Monate komplett aus Deinem Beruf aussteigen. Mit Familienpflegezeit lässt sich die Arbeitszeit bis zu 24 Monate lang reduzieren.

  • Als weitere Möglichkeit bleibt die sogenannte Brückenteilzeit.

So gehst Du vor

  • Wenn Du eine der oben genannten Möglichkeiten nutzen willst, musst Du Deinem Arbeitgeber die Pflegebedürftigkeit nachweisen, etwa durch ein ärztliches Attest oder eine Bescheinigung der Pfle­ge­ver­si­che­rung.
  • Je nach Art der Auszeit gelten unterschiedliche Fristen, innerhalb derer Du die Auszeit ankündigen musst. Details dazu erklärt dieser Ratgeber.
  • Beantrage bei einer Auszeit bis zu zehn Tagen Pflegeunterstützungsgeld bei der Pflegekasse des Angehörigen, den Du betreust.

Wenn eine Angehörige pflegebedürftig wird, stellen sich viele Fragen. Allen voran: Wie kann eine gute Pflege sichergestellt werden? Kümmern sich Familienmitglieder, ein ambulanter Pflegedienst oder ist ein Umzug in ein Pflegeheim die beste Option? Die Pflege zu organisieren, kostet Kraft und Zeit. Deshalb gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, mit denen Du Dir eine Auszeit vom Job nehmen kannst, um Dich um die Pflege eines Familienmitglieds zu kümmern oder es in den letzten Lebensmonaten zu begleiten.

Die soziale Pfle­ge­ver­si­che­rung wird schrittweise reformiert. Zunächst sind für viele Mitglieder der gesetzlichen Pflegekassen die Beiträge zum 1. Juli 2023 gestiegen. In weiteren Schritten sollen auch die Leistungen verbessert werden. Unter anderem ist auch der Zugang zur Familienpflegezeit seit dem 1. Januar 2024 erleichtert. Wir erklären Dir, was die Änderungen für Dich bedeuten.

Wann bekommst Du Pflegeunterstützungsgeld?

Wenn Du kurzfristig die Pflege eines nahen Angehörigen organisieren oder ihn selbst versorgen musst, kannst Du Dich für zehn Arbeitstage von der Arbeit freistellen lassen. Dieses Recht haben alle Angestellten – unabhängig davon, wie groß die Firma ist (§ 2 Pflegezeitgesetz). Es gibt auch keine gesetzliche Frist, wie lange vorher Du diese kurzzeitige Verhinderung ankündigen musst, denn diese Regelung ist für akute Notfälle gedacht. Allerdings musst Du Deinem Arbeitgeber auf Wunsch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes über die Pflegebedürftigkeit Deines Angehörigen vorlegen.

Du kannst Dir die freien Tage für die Pflege auch mit anderen Familienmitgliedern teilen. Bei zwei Geschwistern kann dann zum Beispiel jeder fünf Tage nehmen.

Wenn Du während der Freistellung keinen Lohn bekommst, solltest Du bei der Pflegekasse Deines pflegebedürftigen Angehörigen schnellstmöglich Pflegeunterstützungsgeld beantragen – entweder mit einem formlosen Schreiben oder auf einem Formular, das die Kasse bereitstellt.

Das Pflegeunterstützungsgeld beträgt 90 Prozent Deines ausgefallenen Nettoentgelts. Es wird nach denselben Regeln berechnet wie das Kinder­kranken­geld. Hast Du in den letzten zwölf Monaten Einmalzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachts­geld bekommen, sind es 100 Prozent. Du zahst So­zial­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge darauf.

Damit Du Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld hast, muss Deinem Angehörigen noch kein Pflegegrad zugesprochen worden sein. Es reicht, wenn eine ärztliche Bescheinigung über die voraussichtliche Pflegebedürftigkeit vorliegt.

Mehr Tage Geld durch Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz

Das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) bringt schrittweise Änderungen. Seit 1. Juli 2023 zahlen viele Versicherte höhere Beiträge; Familien mit mehr als zwei Kindern werden hingegen faktisch etwas entlastet. Von den angekündigten Leistungserweiterungen kannst Du profitieren, wenn Du Familienpflegezeit nehmen willst: Seit 1. Januar 2024 bekommen Angehörige von Pflegebedürftigen für zehn Arbeitstage pro Jahr Pflegeunterstützungsgeld. Statt wie bisher nur einmalig für zehn Tage. 

Pflegenotfall bis April 2023 aufgrund Corona

Wie beantragst Du Pflegezeit?

Brauchst Du mehr als nur ein paar Tage für einen Pflegenotfall frei, ist die sogenannte Pflegezeit eine Option. Mit ihr können Angestellte bis zu sechs Monate ganz oder teilweise aus dem Job aussteigen, um einen Angehörigen oder eine Angehörige zu pflegen. Voraussetzung dafür ist, dass die pflegebedürftige Person einen Pflegegrad hat. Wie sie den bekommt, erklären wir ausführlich in unserem Ratgeber zum Pflegegrad beantragen.

Einen Rechtsanspruch auf die Pflegezeit hast Du, wenn das Unternehmen, in dem Du arbeitest, mindestens 16 Beschäftigte hat. Die Pflegezeit musst Du Deinem Arbeitgebenden mindestens zehn Tage vor Beginn der Freistellung schriftlich ankündigen. Dafür kannst Du dieses Mus­ter­schrei­ben des Familienministeriums verwenden.

Der große Haken dabei: Du wirst unbezahlt freigestellt und bekommst keinen Ersatz für den Verdienstausfall. Du kannst lediglich ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) beantragen. Das Darlehen wird in monatlichen Raten ausgezahlt und deckt grundsätzlich die Hälfte des fehlenden Nettogehalts ab. Du kannst aber auch einen geringeren Darlehensbetrag in Anspruch nehmen.

Ein weiterer Nachteil bei der Pflegezeit: Du musst Dich selbst um Deine Kran­ken­ver­si­che­rung kümmern, falls Du Deine Wochenarbeitszeit vorübergehend auf Null reduzierst. Das bedeutet, Du zahlst selbst den gesamten Betrag ohne Beteiligung eines Arbeitgebers ein. Oder Du lässt Dich, wenn Dein Partner oder Deine Partnerin in der gesetzlichen Kran­ken­ver­si­che­rung ist, über ihn oder sie familienversichern – das ist dann kostenfrei. Immerhin genießt Du während der Pflegezeit Kündigungsschutz.

Was ist Familienpflegezeit?

Arbeitest Du in einer Firma mit mindestens 26 Mitarbeitern, kannst Du Familienpflegezeit beantragen und damit bis zu 24 Monate lang Deine Arbeitszeit reduzieren. So kannst Du die Pflege zumindest teilweise übernehmen, arbeitest aber weiterhin mindestens 15 Stunden die Woche in Deinem bisherigen Job.

Willst Du Familienpflegezeit nehmen, dann musst Du das Deinem Arbeitgeber normalerweise mindestens acht Wochen vorher schriftlich ankündigen (§ 2a Abs. 1 FPfZG). Du solltest dabei auch gleich angeben, wie viele Stunden die Woche Du weiterarbeiten möchtest. Die Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit musst Du mit Deinem Chef oder Deiner Chefin schriftlich festhalten.

Wie bei der Pflegezeit kannst Du für die Dauer der Familienpflegezeit ein zinsloses Darlehen vom Staat beanspruchen. Du kannst auch zeitgleich mit Deinen Geschwistern für die Pflege beruflich kürzertreten. So musst Du Deine Arbeitszeit möglicherweise weniger stark reduzieren und hast auch geringere Gehaltseinbußen.

Welche Möglichkeiten gibt es noch, um weniger zu arbeiten?

In Unternehmen mit mehr als 45 Beschäftigten kannst Du unabhängig von den Regelungen zu Pflegezeit und Familienpflegezeit für einen begrenzten Zeitraum in Brückenteilzeit gehen. Damit kannst Du für einen festgelegten Zeitraum zwischen einem und fünf Jahren in Teilzeit gehen und hast anschließend ein Recht darauf, wieder in Vollzeit zurückzukehren. Einen Grund für die Reduzierung Deiner Arbeitszeit musst Du nicht angeben. Eine ausführliche Erklärung dazu, wie die Brückenteilzeit funktioniert, findest Du in unserem Ratgeber zur Teilzeitarbeit.

Für Beamte gelten das Pflegezeit- und das Familienpflegezeitgesetz übrigens nicht. Sie müssen eine Freistellung für die Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen mit ihrem Dienstherrn besprechen.

Wo kannst Du Dich beraten lassen?

Zu möglichen Lösungen für die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger kannst Du Dich kostenfrei bei einer Pflegeberatungsstelle beraten lassen. Die Beraterinnen und Berater können Dich ganz individuell unterstützen und Deine Fragen beantworten. Über die Datenbank des Zentrums für Qualität in der Pflege findest Du die Telefonnummern von Angeboten in Deiner Nähe. Die Beratungshotline des Familienministeriums erreichst Du unter 030 20179131. Und auch viele Kran­ken­kas­sen haben eine eigene Pflegeberatung. Bei der Suche nach einem ambulanten Pflegedienst oder einem Pflegeheim kann Dir auch das Portal Pflegelotse des VDEK helfen.

Wichtig ist: Mute Dir nicht zu viel zu! Auch Pflegende brauchen Pausen. Wenn Du eine Auszeit von der Betreuung brauchst, können zum Beispiel Kurzzeitpflege, Ver­hin­de­rungs­pfle­ge oder Tages- und Nachtpflege helfen. Diese Angebote geben Dir die Möglichkeit, Deinen pflegebedürftigen Angehörigen stunden- oder tageweise von anderen Familienangehörigen oder Bekannten betreuen zu lassen oder ihn zeitweise in einer Pflegeeinrichtung unterzubringen, etwa während Du nach einer anderen Lösung für die Pflege suchst oder in Teilzeit arbeitest. Mit dem monatlichen Ent­last­ungs­be­trag lassen sich zusätzlich weitere Hilfen, etwa im Haushalt oder in Form von Betreuungs- und Bewegungsangeboten finanzieren.

In weiteren Finanztip-Ratgebern erklären wir, mit welchen Kosten fürs Pflegeheim Du rechnen musst und was Du tun kannst, wenn das Pflegeheim die Preise erhöht.

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Autoren
Julia Rieder
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