Grobe Fahrlässigkeit bei Kaskoversicherung Unfall an roter Ampel: so zahlt Deine Versicherung trotzdem
Finanztip-Expertin für Vorsorge und Versicherung
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Du hast im Stau eine halbe Sekunde zu spät gebremst? Die rote Ampel übersehen und auf die Kreuzung gefahren? Das Handy klingelt auf dem Beifahrersitz, und Du schielst hin? Viele Male geht das alles vielleicht gut. Doch dann knallts – und Du kommst hoffentlich nur mit einem Blechschaden davon. Doch in all diesen Fällen handelst Du in der Regel grob fahrlässig – und das kann im Fall der Fälle Folgen für Deinen Kfz-Versicherungsschutz haben.
Es gibt aber Möglichkeiten, Dich gegen Vorwürfe der Versicherung zu wappnen. Was Du, außer einem umsichtigen Fahrverhalten, tun kannst, damit Deine Autoversicherung auch zahlt, erklären wir Dir.
Der Begriff der Fahrlässigkeit ist ein Rechtsbegriff, den das Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) definiert als „das Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt“. Umgangssprachlich kannst Du Fahrlässigkeit dahingehend übersetzen, dass jemand unvorsichtig oder auch verantwortungslos handelt. Mit Blick auf die Autoversicherung ist grob fahrlässiges Verhalten relevant – also besonders schlimme Verstöße gegen Sorgfaltspflichten.
Beispiele, in denen Deine Autoversicherung von grober Fahrlässigkeit sprechen wird:
Kommt es im Straßenverkehr zum Unfall, kann es diese Folgen haben, wenn Dein Verhalten grob fahrlässig war:
Wenn es um die Frage geht, ob Du grob fahrlässig auf der Straße unterwegs warst, geht es in der Regel um Vollkasko-Schäden. Denn im Unterschied zur Teilkaskoversicherung ist die Vollkaskoversicherung unter anderem dafür da, Schäden zu bezahlen, die Du selbst Deinem Auto zufügst. Die Teilkasko dagegen springt beispielsweise ein, wenn Hagel Dein Dach zerbeult hat, Dir ein Reh vors Auto gesprungen ist oder ein Marder Deine Kabel anknabbert – dafür kannst Du in aller Regel nichts.
Bis vor einigen Jahren galt das Alles-oder-Nichts-Prinzip. Die Kaskoversicherung musste überhaupt nicht zahlen, wenn sie dem Versicherten grobe Fahrlässigkeit nachweisen konnte. Das Prinzip gilt nicht mehr – inzwischen wird quotiert. Das bedeutet: Die Versicherung darf einen Teil der Kosten verweigern, wenn grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Diesen Teil muss der Versicherte aus eigener Tasche zahlen. Tabellen oder ähnliches zur Quotierung gibt es nicht. Schwarz-Weiß-Denken ist hier nicht angesagt, vielmehr muss immer die Einzelsituation als Ganzes bewertet werden.
Kommt es zum Rechtsstreit über die Frage, ob ein Autofahrer grob fahrlässig gehandelt hat, müssen Gerichte entscheiden. Sie wägen immer die besonderen Umstände ab, um zu beurteilen, ob der Fahrer die erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße missachtet hat.
Für Dich in diesem Zusammenhang relevant sind Paragraf 81 des Versicherungsvertragsgesetzes und A.2.9 der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung AKB 2015. Wenn Du Deinen Versicherungsvertrag vor 2015 geschlossen hast, können frühere AKB für Dich greifen, beispielsweise A.2.16 der AKB 2008. Hinter all diesen Regelungen steht der Gedanke, dass derjenige, der sich völlig sorglos oder sogar verwerflich verhält, nicht von seiner Versicherung zu schützen sein muss.
Es kann immer Gründe geben, die ein auf den ersten Blick unvorsichtiges oder gar verantwortungsloses Verhalten in einem anderen Licht dastehen lassen. Schlagwort Augenblicksversagen: Gab es einen Grund dafür, dass der Autofahrer über die rote Ampel gefahren ist? War er – für einen Augenblick – abgelenkt und hat deshalb die Situation falsch eingeschätzt?
Folgende Beispiele für mögliches Augenblicksversagen, welche zu einem Unfall führen, solltest Du kennen:
Wer deshalb ein anderes Lichtsignal für eine grüne Ampel hält und über die Kreuzung fährt, der handelt zwar wahrscheinlich dennoch fahrlässig. Aber vielleicht nicht grob fahrlässig. Es kommt also auf eine Beurteilung der Handlung im Zusammenhang der Umstände an, erklären unter anderem die Richterinnen und Richter des IV-Zivilsenats am Bundesgerichtshof (BGH) unter Az. IV ZR 173/01.
Es kommt also immer drauf an, wie Juristen gerne sagen. Das Gute für Dich: Es ist vor allem für Deine Versicherung kompliziert. Denn zum einen muss sie beweisen, dass Du überhaupt grob fahrlässig gehandelt hast. Zum anderen auch, dass die Höhe der gekürzten Leistung in Ordnung ist. Eine pauschale Kürzung musst Du nicht hinnehmen. Deine Versicherung muss die sogenannte Quotelung begründen – in aller Regel wird sie das schriftlich tun.
Sollte sich Deine Versicherung weigern, den vollen Schaden zu übernehmen, und Du bist damit nicht einverstanden, kannst Du gegen den Bescheid Einspruch einlegen. Du kannst Dich unter anderem an den Versicherungsombudsmann wenden. Das ist eine wichtige Schlichtungsstelle für alle Verbraucher, die Probleme mit ihrer Versicherung haben – das Widerspruchsverfahren dort ist für Dich kostenlos.
Besonders Versicherungsunternehmen haben aus Kostengründen auf dem Schirm, wie lang und teuer Gerichtsverfahren rund um das Thema grobe Fahrlässigkeit werden können. Viele Versicherer haben daher in ihre Versicherungsverträge einen Verzicht auf Einrede der groben Fahrlässigkeit aufgenommen. Wenn der Vertrag die Klausel „Keine Einrede grober Fahrlässigkeit“ enthält, zahlt Dein Versicherer auch dann in vollem Umfang, wenn Du einen Schaden an Deinem Auto grob fahrlässig verursacht hast. Achte schon beim Vergleichen der besten Angebote für Dich darauf, dass diese Klausel enthalten ist. Auf den von uns empfohlenen Vergleichsportalen kannst Du ein Häkchen dafür setzen, um die Sucherergebnisse zu filtern.
Es gibt Situationen, in denen jede Autoversicherung die Zahlung verweigert. Ein Freibrief für alles ist also auch die Klausel des Verzichts zur Einrede grober Fahrlässigkeit nicht.
Erstens: Wenn Du vorsätzlich, also mit Absicht Schäden an Deinem Auto verursachst, zahlt die Versicherung nicht.
Zweitens wird Deine Kaskoversicherung den Schaden nicht übernehmen, wenn Du unter Einfluss von Drogen einen Unfall baust. Dass sie das darf, geht aus der sogenannten Trunkenheitsklausel hervor (Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung AKB 2015, D.1.2 in Verbindung mit A.2.9.1.).
Die Trunkenheitsklausel befreit den Versicherer von seiner Leistungspflicht, wenn der Versicherungsnehmer oder die Versicherungsnehmerin betrunken Auto fährt. Bei Alkohol ist in Anlehnung an Regelungen des Straßenverkehrsgesetzes der Vorwurf abgestuft nach Promillegrenze (§ 24a, StVG). Bis 0,5 Promille Alkohol im Blut können o.k. sein. Aber Achtung: Auch wenn Deine Blutkonzentration niedrig ist, kann Dein Kaskoversicherer ganz von seiner Leistungspflicht befreit sein, wenn der Unfall durch alkoholtypische Ausfallerscheinungen passierte.
Deine Kfz-Haftpflichtversicherung zahlt Schäden des Unfallgegners. Allerdings gilt auch hier: da der Versicherungsnehmer nicht alkoholisiert fahren darf, kann sie sich bis zu 5000 Euro zurückholen. Im Versicherungsdeutsch heißt das: Die Versicherung nimmt in Regress.
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