Deckungszusage bei Rechtsschutzversicherung So zahlt Deine Versicherung bei einem Rechtsstreit wirklich
Finanztip-Expertin für Versicherungen
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Ärger mit dem Vermieter oder Arbeitgeber? Ohne Rechtsschutzversicherung geben viele angesichts der hohen Gerichts- und Anwaltskosten klein bei, obwohl sie sich mit guten juristischen Argumenten durchaus wehren könnten. Doch wer glaubt, mit einer Rechtsschutzversicherung auf der sicheren Seite zu sein, weil sie die Kosten übernehmen wird, muss aufpassen. Der erste Schritt, bevor Du Dich in einen Rechtsstreit begibst, ist die Deckungszusage Deiner Versicherung einzuholen.
Damit Deine Rechtsschutzversicherung die Anwalts- und Gerichtskosten in einem Rechtsstreit übernimmt, musst Du Dir zuvor die sogenannte Deckungszusage holen. Das bedeutet: Die Versicherung bestätigt Dir, in welchem Umfang für den angegebenen Streitfall Versicherungsschutz besteht. Erst wenn Dir die Versicherung die Deckung zusagt, musst Du die Kosten des Rechtsstreits nicht selbst tragen. Lediglich die eventuell vereinbarte Selbstbeteiligung wird dann fällig.
Es gibt zwei Möglichkeiten, die Deckungszusage zu bekommen: Entweder Du kümmerst Dich selbst darum oder Du überlässt das Deinem Anwalt. Kümmert sich der Anwalt, ist das eine zusätzliche Leistung, die er auch zusätzlich abrechnen kann. Diese Kosten übernimmt Deine Rechtsschutzversicherung dann nicht. Viele Anwälte erheben allerdings kein Entgelt dafür.
Zunächst kannst Du selbst klären, ob Versicherungsschutz besteht. Das geht in der Regel telefonisch oder online bei Deinem Versicherer. Manchmal ist es aber auch sinnvoll, dass der Rechtsanwalt aktiv wird. Er kann in komplizierten Fällen die Erfolgsaussichten möglicherweise besser darstellen als Du. Bekommst Du oder der Anwalt eine Ablehnung, kann es sich auch lohnen, noch einmal persönlich nachzuhaken.
Achte darauf, dass Du bei Bescheiden und Strafbefehlen die Einspruchs- beziehungsweise Widerspruchsfrist von drei Wochen einhältst, während Du auf die Zusage durch Deine Rechtsschutzversicherung wartest. Ansonsten werden die Bescheide rechtskräftig. Auch bei einer Kündigungsschutzklage gegen Deinen Arbeitgeber musst Du grundsätzlich in dieser Frist nach Zugang des Kündigungsschreibens Klage erheben.
Sagt der Anbieter die Übernahme der Kosten zu, musst Du kein Geld vorstrecken – weder einen Kostenvorschuss an den Anwalt noch eventuelle Gerichtskosten. Oft erteilt die Versicherung allerdings erst eine Deckungszusage für außergerichtliche Tätigkeiten des Anwalts. Willst Du danach vor Gericht ziehen, musst Du das nochmals mit der Rechtsschutzversicherung abstimmen.
Eine einmal erteilte Deckungszusage kann der Anbieter in der Regel nicht mehr zurückziehen. Unabhängig davon, ob Du den Prozess gewinnst oder verlierst, muss er die Kosten tragen (Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 5. Juli 2010, Az. 3 U 83/10). Mit einer Ausnahme: Stellt sich nachträglich heraus, dass Du bestimmte Informationen falsch oder nicht weitergegeben hast, kann der Rechtsschutzanbieter eine zunächst erteilte Deckungszusage zurückziehen oder einschränken.
Wenn Du Dich in einen Rechtsstreit begibst, bevor Du eine Deckungszusage erhalten hast, besteht die Gefahr, dass Du auf den Kosten ganz oder teilweise sitzen bleibst.
Wer nur eine erste Einschätzung zu einer eher allgemeinen Rechtsfrage braucht, kann sich zunächst an die anwaltliche Telefonberatung seines Versicherers wenden. Diese ist in der Regel kostenfrei und es fällt keine Selbstbeteiligung an. Auch gilt eine solche Erstberatung bei den allermeisten Versicherern nicht als kündigungsrelevanter Schadensfall. Die konkreten Regelungen dazu findest Du in den Allgemeinen Vertragsbedingungen unter „Kündigungsregeln“, „Kündigungsrecht“ oder „Ende des Vertrags“.
Anhand Deiner Angaben prüft die Versicherung, ob fünf wichtige Kriterien erfüllt sind:
Je nachdem, wie die Versicherung die einzelnen Kriterien beurteilt, gibt sie eine Deckungszusage oder lehnt ab. Die Kriterien haben einen gewissen Interpretationsspielraum und sind zum Teil auch sehr subjektiv. Allerdings ist inzwischen durch viele Entscheidungen des Bundegerichtshofes (BGH) der Spielraum einer Deckungsablehnung für die Versicherer immer schmaler geworden.
Konkret werden folgende Fragen abgewägt:
Entscheidend ist, aus welchen Rechtsschutzkomponenten der Vertrag besteht. Hast Du zum Beispiel ein arbeitsrechtliches Problem, benötigst Du eine Privat- und Berufsrechtsschutzversicherung. Eine Privatrechtsschutz hilft Dir aber nicht bei Verkehrsrechtsfragen.
Nachdem Du eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hast, gilt in den meisten Fällen drei Monate Wartezeit. Erst für Streitigkeiten, die nach diesen drei Monaten beginnen, kannst Du die Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen. Eine Ausnahme ist der Verkehrsrechtsschutz, dieser ist meist sofort abgedeckt.
Versicherer lehnen es häufig ab, die Kosten zu übernehmen – mit der Begründung, der Rechtsschutzfall habe sich schon vor Beginn des Versicherungsschutzes ereignet. Der Zeitpunkt, an dem eine Rechtsstreitigkeit beginnt, ist immer wieder der Ursprung von Konflikten. Im Jahr 2022 war dieses Thema nach Auskunft des Ombudsmanns erneut Schwerpunkt der Beschwerden. Laut dem Jahresbericht 2022 betraf das mehr als 500 Fälle im Jahr 2022.
Beispiel 1: Verbraucher und Verbraucherinnen, die Lebens- und Rentenversicherungen zwischen Juli 1994 und Ende 2007 abgeschlossen haben, sind nicht ausreichend über ihr Widerspruchs- und Rücktrittsrecht aufgeklärt worden. Wer den Vertrag nicht mehr möchte, kann ihn widerrufen und rückabwickeln. Viele Betroffene haben sich dafür an ihre Rechtsschutzversicherungen gewandt. Diese lehnten die Deckung regelmäßig ab, mit der Begründung, dass die betroffene Lebensversicherung vor der Rechtsschutzversicherung abgeschlossen wurde, also der Ausgangszeitpunkt des Rechtsstreits nicht in der versicherten Zeit liegt. Diese Begründung ist aber nicht zulässig: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass nicht die fehlerhafte Belehrung beim Abschluss einer Lebensversicherung entscheidend und Startpunkt des Rechtsstreits ist. Es reicht, wenn der Versicherte vorträgt, dass die Lebensversicherung seinen Widerruf nicht anerkannt hat und diese Nicht-Anerkennung damit der Beginn des Rechtsschutzfalls ist. (Urteil vom 24. April 2013, Az. IV ZR 23/12).
Beispiel 2: Um zu verhindern, dass Kunden erst einen Rechtschutzvertrag abschließen, wenn ein Rechtsstreit absehbar ist, haben viele Versicherer in neueren Verträgen eine sogenannte Vorerstreckungs-Klausel (§ 4 Abs. 3 Buchst a) ARB 2008) ergänzt. Hierin wurde festgelegt, dass Rechtsschutzfälle nicht versichert sind, wenn der früheste mögliche Zeitpunkt eines Rechtsschutzfalls vor dem Vertragsbeginn mit der Rechtsschutzversicherung liegt. Mit Blick auf Beispiel 1 könnten die Versicherer damit den Abschluss der Rentenversicherung als frühestmöglichen Zeitpunkt definieren.
Diese Klausel ist allerdings laut BGH intransparent und unwirksam (BGH, Urteil vom 4. Juli 2018, Az. IV ZR 200/16), denn Versicherungsnehmer können nicht erkennen, wann dieser Zeitpunkt jeweils sein soll. Versicherer können sich nach der Rechtsprechung des BGH nicht mehr auf diesen Ausschluss berufen, um eine Deckungszusage abzulehnen.
Beispiel 3: Ein Versicherter will seine Rentenversicherung widerrufen, mit der Begründung, keine Belehrung erhalten zu haben. Laut Beispiel 1 wäre Beginn des Versicherungsfalles die Ablehnung der Gegenseite, den Widerruf anzuerkennen. Wenn die Gegenseite, im Beispiel der Lebensversicherer, jedoch anbringt, er hätte die Belehrung erteilt, setzt er damit den Zeitpunkt des Streitbeginns nach vorn und der Versicherte hätte keinen Rechtsschutz.
Diese Klausel, die bei der zeitlichen Zuordnung des Streitbeginns also vor allem die Beurteilung der Gegenseite beinhaltet, wurde 2021 vom BGH als unwirksam erklärt (BGH, Urteil vom 31. März 2021, IV ZR 221/19 ). Denn nur die Einschätzung des Versicherten ist relevant.
Es gibt viele Rechtsfragen, bei denen die Versicherung in der Regel nicht zahlt, weil sich in den Versicherungsbedingungen sogenannte Risikoausschlüsse finden. Hierin liegt enormes Streitpotenzial, weil die Ausnahmen vom Versicherungsschutz den Versicherten nicht immer bekannt sind. Zu den typischen Risikoausschlüssen gehören folgende Bereiche:
Das ist eine Wertungsfrage. Die Versicherung schätzt anhand der eingereichten Unterlagen ein, ob Dein Rechtsfall vor Gericht Erfolg haben könnte. Beurteilt sie den Fall als nicht erfolgsversprechend, muss sie Gründe angeben.
Beispiel: Ein Versicherungsnehmer wollte Wirecard auf Schadensersatz verklagen. Die Rechtsschutzversicherung lehnte ab mit Hinweis auf Schadensminderungsobliegenheit. Bedeutet: Der Versicherte hatte die Pflicht, den Schaden durch ein bestimmtes Verhalten zu mindern. Die Versicherung sah daher nur geringe Erfolgsaussichten. Der Versicherte sollte zunächst den Ausgang anderer Prozesse gegen Wirecard abwarten. Diese Begründung war unwirksam, der Versicherte bekam Recht.
Auch das ist eine Wertungsfrage. Der Versicherer geht von Mutwilligkeit aus, falls die voraussichtlich entstehenden Kosten in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg des Kunden stehen. Die Versicherung vermutet, dass es dem Kunden nur ums Prinzip gehe. Auch in solchen Fällen muss die Gesellschaft begründen, warum sie die Kosten nicht übernehmen will.
Von Versicherern kommt oft ein Einwand, wenn die Summe, um die es geht, eher klein ist. Aber das Argument zieht in vielen Fällen nicht. Allein die Tatsache, dass ein Rechtsschutzkunde sich mit jemandem um einen kleinen Betrag streitet, rechtfertigt noch nicht, den Fall wegen Mutwilligkeit abzulehnen (Amtsgericht Stuttgart, Urteil vom 27. Januar 2003, Az. 13 C 4703/02).
Falls der Versicherer es ablehnt, die Kosten zu übernehmen, solltest Du nachhaken und Dir näher erläutern lassen, warum er ablehnt. Bewegt sich die Versicherung dann immer noch nicht, kannst Du die Entscheidung überprüfen lassen. Dafür hast Du drei Möglichkeiten:
Stichentscheid - Will die Versicherung keine Deckungszusage erteilen, kannst Du einen sogenannten Stichentscheid fordern. Voraussetzung: Dein Vertrag sieht diese Möglichkeit vor. In neueren Verträgen werden die Kosten für den Stichentscheid von der Versicherung übernommen, wenn sie die Deckungszusage wegen geringer Erfolgsaussichten oder Mutwilligkeit ablehnte. Dein Anwalt muss dann in einer Stellungnahme begründen, warum er gute Erfolgsaussichten sieht oder warum die Kosten in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehen. Die Rechnung Deines Anwalts für diese Stellungnahme übernimmt die Versicherung. Die Entscheidung des Anwalts ist für beide Seiten bindend. Nach dem Stichentscheid durch den Rechtsanwalt kann die Versicherung keine weiteren Ablehnungsgründe nachschieben (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 14. Oktober 2015, Az. I-20 U 92/10).
Schiedsgutachten - Du kannst auch ein Schiedsgutachten erstellen lassen (§ 128 VVG). Den Gutachter in einem solchen Verfahren bestimmt die Rechtsanwaltskammer. Fällt die Entscheidung zu Deinen Gunsten aus, ist die Versicherung daran gebunden und muss die Kosten für den Gutachter übernehmen. Bestätigt der Gutachter allerdings, dass die Versicherung die Deckungszusage zu Recht abgelehnt hat, musst Du den Gutachter zahlen. Deshalb solltest Du als Versicherungskunde den Stichentscheid vorziehen, sofern Du zwischen beiden Verfahren wählen kannst.
Versicherungsombudsmann - Es gibt auch die Möglichkeit, sich an den Ombudsmann für Versicherungen zu wenden. Er überprüft, ob die Versicherung zu Recht die Kosten nicht übernimmt. Das Verfahren kostet nichts. Sollte der Ombudsmann gegen Dich entscheiden, kannst Du immer noch klagen. Bis zu einem Beschwerdewert von 10.000 Euro ist die Entscheidung des Ombudsmanns für den Versicherer bindend.
Wir haben im Sommer 2023 Rechtsschutztarife mit den Bereichen Privat, Beruf und Verkehr untersucht. Das beste Preis-Leistungsverhältnis boten die Tarife
Wie wir getestet haben, erfährst Du ausführlich in unserem Ratgeber zu Rechtsschutzversicherungen.
* Was der Stern bedeutet:
Finanztip gehört zu 100 Prozent der gemeinnützigen Finanztip Stiftung. Die hat den Auftrag, die Finanzbildung in Deutschland zu fördern. Alle Gewinne, die Finanztip ausschüttet, gehen an die Stiftung und werden dort für gemeinnützige Projekte verwendet – wie etwa unsere Bildungsinitiative Finanztip Schule.
Wir wollen mit unseren Empfehlungen möglichst vielen Menschen helfen, ihre Finanzen selber zu machen. Daher sind unsere Inhalte kostenlos im Netz verfügbar. Wir finanzieren unsere aufwändige Arbeit mit sogenannten Affiliate Links. Diese Links kennzeichnen wir mit einem Sternchen (*).
Bei Finanztip handhaben wir Affiliate Links aber anders als andere Websites. Wir verlinken ausschließlich auf Produkte, die vorher von unserer unabhängigen Experten-Redaktion empfohlen wurden. Nur dann kann der entsprechende Anbieter einen Link zu diesem Angebot setzen lassen. Geld bekommen wir, wenn Du auf einen solchen Link klickst oder beim Anbieter einen Vertrag abschließt.
Ob und in welcher Höhe uns ein Anbieter vergütet, hat keinerlei Einfluss auf unsere Empfehlungen. Was Dir unsere Experten empfehlen, hängt allein davon ab, ob ein Angebot gut für Verbraucher ist.
Mehr Informationen über unsere Arbeitsweise findest Du auf unserer Über-uns-Seite.
Klickst Du auf eine Empfehlung mit *, unterstützt das unsere Arbeit. Finanztip bekommt dann eine Vergütung. Empfehlungen geben wir immer nur redaktionell unabhängig und nach strengen Finanztip-Kriterien. Mehr Infos