Vorerbe und Nacherbe Vorerbschaft und Nacherbschaft im Testament
Finanztip-Expertin für Recht
Der Erblasser ist in der Festlegung der Erben frei. Daher kann er auch sein Vermögen an mehrere Personen in zeitlich versetzter Reihenfolge übertragen. Der Erblasser kann somit einen Erben bestimmen, der aber erst Erbe (Nacherbe) wird, nachdem zunächst eine andere Person (Vorerbe) geerbt hat (§ 2100 BGB). Der Vorerbe ist praktisch ein „Erbe auf Zeit“. Der Vorerbe und der Nacherbe sind beide Rechtsnachfolger des Erblassers. Im Gegensatz zur Erbengemeinschaft erben sie aber nicht gleichzeitig, sondern zeitlich versetzt hintereinander. Der Nacherbe hat ein Anwartschaftsrecht auf die Nacherbschaft.
Mit dem Eintritt des Falles der Nacherbfolge hört der Vorerbe auf, Erbe zu sein, und die Erbschaft fällt dem Nacherben an (§ 2139 BGB). Beim Tod des Vorerben kommt es zu zwei Erbfällen: Der „normale“ Erbfall durch den Tod der Person und der Erbfall aufgrund der Nacherbschaft, wonach dieses Sondervermögen auf den Nacherben übergeht. Der Testierende kann aber auch einen Anlass oder einen Zeitpunkt für den Eintritt der Nacherbfolge anordnen. Beispiel: Bestehen der Meisterprüfung oder die Volljährigkeit des Nacherben.
Es kann durchaus sein, dass der eingesetzte Nacherbe im Zeitpunkt des Nacherbfalles schon verstorben ist. Auch für diesen Fall kann der Erblasser vorsorgen und eine weitere Person als Nacherben benennen.
Die sogenannte Vorerbschaft und Nacherbschaft wird häufig von Eheleuten praktiziert, die sich zunächst gegenseitig als Vorerben einsetzen und als Nacherben die gemeinsamen Kinder bestimmen. Mit dieser testamentarischen Anordnung stellen die Eheleute sicher, dass das gemeinsame Vermögen auch in der eigenen Familie verbleibt. Der länger lebende Ehegatte kann so das geerbte Vermögen nach einer Wiederheirat nicht an den neuen Ehegatten vererben.
Diese Variante hat aber auch Nachteile. Ehegatten sind daher gut beraten, auch über Alternativen nachzudenken. Der Artikel Gemeinschaftliches Testament geht unter anderem auf die Alternativen ein: Überlebender Ehegatte als Alleinerbe, als Vorerbe und als Vermächtnisnehmer.
Der Vorerbe kann nur eingeschränkt über den Nachlass verfügen. Das Erbrecht legt dem Vorerben gewisse Verfügungsbeschränkungen auf. Denn im Nacherbfall soll das Vermögen des Erblassers, das zunächst dem Vorerben zur Verfügung steht, dem Nacherben ungeschmälert zufallen.
Beispiel: Der Vorerbe darf kein Grundstück aus dem Nachlass ohne die Zustimmung des Nacherben veräußern oder verschenken (§ 2113 BGB). Bei einer Missachtung dieser Verfügungsbeschränkungen sind die daraus resultierenden Rechtsgeschäfte unwirksam. Der Erblasser hat aber die Möglichkeit, den Vorerben von einigen Beschränkungen und Verpflichtungen zu befreien (§ 2136 BGB). Hier ist genaues Lesen angesagt, denn diese Rechtsvorschrift klammert zum Beispiel bewusst die Schenkung (§ 2113 Abs. 2 BGB) oder die Surrogation bei Veräußerungen (§ 2111 BGB) aus. Der Vorerbe darf einen Erbschaftsgegenstand für sich verwenden. Er ist nach dem Eintritt der Nacherbfolge dem Nacherben gegenüber nur zum Ersatze des Wertes verpflichtet (§ 2134 BGB).
Der Nacherbe hat bereits vor Eintritt des Nacherbfalls wichtige Rechte gegenüber dem Vorerben. Dazu zählen zum Beispiel das Auskunftsrecht (§ 2121 BGB) und die Hinterlegung, Umschreibung und der Eintrag von Sperrvermerken bei Wertpapieren (§ 2116 ff. BGB). Die Vorerbschaft ist als Sondervermögen des Vorerben zu behandeln. Nach Paragraf 2112 BGB kann der Vorerbe über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände verfügen, soweit nicht die Verfügungsbeschränkungen greifen. In diesem Fall tritt an die Stelle des Gegenstandes der Veräußerungserlös.
Sofern zur ordnungsmäßigen Verwaltung, insbesondere zur Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten, eine Verfügung erforderlich ist, die der Vorerbe nicht mit Wirkung gegen den Nacherben vornehmen kann, ist der Nacherbe dem Vorerben gegenüber verpflichtet, seine Einwilligung zu der Verfügung zu erteilen (§ 2120 BGB). Auf Verlangen hat der Vorerbe dem Nacherben ein Bestandsverzeichnis über die zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände zu überlassen (§ 2121 BGB).
Wenn der Vorerbe zu den pflichtteilsberechtigten Personen zählt, hat er das Wahlrecht, ob er die Vorerbschaft ausschlagen soll und stattdessen lieber den Pflichtteil beansprucht. Ist ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder ist er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, so kann er den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt (§ 2306 BGB). Nach Absatz 2 steht es einer Beschränkung der Erbeinsetzung gleich, wenn der Pflichtteilsberechtigte als Nacherbe eingesetzt ist.
Mit der Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge können Pflichtteilsansprüche reduziert werden. Während durch das Berliner Testament die Pflichtteilsberechtigten sowohl am Vermögen des erstverstorbenen als auch an dem des letztversterbenden Ehegatten partizipieren, greift das Pflichtteilsrecht im Vergleich dazu bei der Vor- und Nacherbfolge nur auf das der Nacherbschaft unterliegende Vermögen.
Durch eine testamentarische Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft soll das Erbe erhalten bleiben. Damit wird auch erreicht, dass die Gläubiger des Vorerben nicht in den Nachlass vollstrecken dürfen, soweit hierdurch das Recht des Nacherben beeinträchtigt würde (§ 2115 BGB). Dies gilt auch gegenüber den Sozialhilfeträgern. So kann zum Beispiel durch die Einsetzung eines behinderten Kindes als Vorerbe der Nachlass insoweit vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers geschützt werden.
Ein gewichtiger Nachteil der Anordnung einer Vorerbschaft und Nacherbschaft kann in der erbschaftsteuerrechtlichen Doppelbelastung liegen. Denn nach dem Erbschaftsteuergesetz handelt es sich um zwei Erbfälle. Grundsätzlich ist bei Tod des Vorerben der Erwerb als vom Vorerben der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Auf Antrag ist jedoch der Versteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen (§ 6 Abs. 2 ErbStG)
Das Verhältnis des Nacherben zum ursprünglichen Erblasser kann höhere Freibeträge und eine günstigere Steuerklasse bei der Erbschaftsteuer bedeuten. Trotz dieses Antrages wird der Nacherbe sonst steuerlich so behandelt, als ob er das Vermögen aus der Nacherbschaft vom Vorerben geerbt hätte. Beispiel: Zusammenrechnung früherer Erwerbe im Sinne des Paragrafen 14 ErbStG (vgleiche auch Artikel zu Mehrfach-Schenkungen).
Häufig wird im Nacherbfall neben dem Vermögen des ursprünglichen Erblassers auch eigenes Vermögen des Vorerben übertragen. Die Erwerbe werden dann hinsichtlich der Anwendung der Steuerklasse getrennt und die Erbschaftsteuer ist für jeden Erwerb jeweils nach dem Steuersatz zu erheben, der für den gesamten Erwerb gelten würde. Der Freibetrag kann für das eigene Vermögen des Vorerben jedoch nur gewährt werden, soweit der Freibetrag für das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen nicht verbraucht ist.
Tritt die Nacherbfolge nicht durch den Tod des Vorerben ein, ist der Erwerb als vom Verstorbenen (Erblasser) stammend der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. In diesem Fall ist dem Nacherben die vom Vorerben entrichtete Steuer abzüglich desjenigen Steuerbetrags anzurechnen, welcher der tatsächlichen Bereicherung des Vorerben entspricht (§ 6 Abs. 3 ErbStG).
Die Anordnung einer Nacherbfolge kann sich maximal über einen Zeitraum von 30 Jahren erstrecken. Sind 30 Jahre nach dem Erbfall vergangen, so verliert die Nacherbeneinsetzung ihre rechtliche Wirkung. Der Vorerbe wird dann Vollerbe und der Nacherbe „schaut in die Röhre“. So heißt es im Paragrafen 2109 Abs. 1 BGB: „Die Einsetzung eines Nacherben wird mit dem Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall unwirksam, wenn nicht vorher der Fall der Nacherbfolge eingetreten ist.“
Die gleiche Rechtsvorschrift nennt zwei Ausnahmen: „Die Nacherbschaft bleibt auch nach 30 Jahren wirksam, wenn die Nacherbfolge für den Fall angeordnet ist, dass in der Person des Vorerben oder des Nacherben ein bestimmtes Ereignis eintritt, und derjenige, in dessen Person das Ereignis eintreten soll, zur Zeit des Erbfalls lebt oder wenn dem Vorerben oder einem Nacherben für den Fall, dass ihm ein Bruder oder eine Schwester geboren wird, der Bruder oder die Schwester als Nacherbe bestimmt ist.“
Schlägt ein als Nacherbe berufener Abkömmling des Erblassers die Erbschaft aus, um den Pflichtteil zu verlangen, sind im Zweifelsfall auch die als Ersatznacherben in Betracht kommenden Abkömmlinge des Ausschlagenden von der Erbfolge ausgeschlossen.
Dies gilt jedoch nicht, wenn ein anders lautender tatsächlicher oder hypothetischer Wille des Erblassers festgestellt werden kann. Im Regelfall ist aber davon auszugehen, dass es nicht der Wille des Erblassers war, die Ersatznacherben (zum Beispiel seine Enkelkinder) als Erben zu bedenken, wenn der Nacherbe (zum Beispiel sein Kind) den Nachlass ausgeschlagen hat, um vorzeitig an seinen Pflichtteil zu kommen (Beschluss des BayObLG vom 2. März 2000).
Ein anderes Beispiel: Ein Erblasser setzte seine langjährige Lebensgefährtin als Vorerbin ein. Zur Bestimmung des Nacherben enthielt das hinterlassene Testament folgende Ausführungen: „Als Nacherbe kommt der würdigste meiner Verwandten in Betracht. Würdig ist, wer nach höchstem akademischen Ausbildungsstand, Beruf und Einkommen auf ein Erbe nicht angewiesen ist, vor allem nicht um es zu verschleudern. Die befreite Vorerbin bestimmt diesen Nacherben im Rahmen dieser letztwilligen Verfügung nach eigenem Ermessen.“ Die Vorerbin hielt diese Nacherbeneinsetzung für unwirksam und meinte daher, Alleinerbin geworden zu sein.
Das Landgericht München gab ihr aber nur ein wenig im Ansatz Recht. Die Bestimmung eines Nacherben darf nicht dem freien Willen des Vorerben überlassen bleiben (§ 2065 Absatz 2 BGB). Die Person des Nacherben muss ebenso wie diejenige des Erben so bestimmt sein, dass sie aufgrund der in der letztwilligen Verfügung enthaltenen Willensäußerung des Erblassers festgestellt werden kann.
Nach diesen Grundsätzen erklärte das Gericht die Nacherbenbestimmung für unwirksam. Dies bedeutete jedoch nicht zugleich, dass die als Vorerbin eingesetzte Lebensgefährtin des Verstorbenen zugleich auch Alleinerbin wurde. Vielmehr ist durch Auslegung des letzten Willens zu ermitteln, wen seiner gesetzlichen Erben der Erblasser bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Nacherbenbestimmung hätte einsetzen wollen.
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