Vermächtnis im Erbrecht Wann ein Vermächtnis sinnvoll ist
Finanztip-Expertin für Recht
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Du möchtest jemandem, der nicht mit Dir verwandt ist, nach Deinem Tod etwas aus Deinem Vermögen zukommen lassen? Oder willst Du einen Deiner Erben besserstellen als die anderen? Dann kannst Du in Deinem Testament ein Vermächtnis anordnen. Wir erläutern Dir, was die Unterschiede zwischen Erben und Vermächtnisnehmer sind und was Du bei einem Vermächtnis beachten musst.
Für Dich macht es einen großen Unterschied, ob Du Erbe wirst oder ob Dir etwas vermacht wird. Rechtlich ist der Erbe in einer viel stärkeren Position als der Vermächtnisnehmer.
Als Erbe trittst Du an die Stelle des Verstorbenen; Du wirst Eigentümer aller Gegenstände sowie Inhaber aller Forderungen und Rechte, die zum Nachlass gehören – allerdings oft nicht allein, sondern gemeinsam mit anderen in einer Erbengemeinschaft.
Mit einem Vermächtnis bekommst Du nur einen Teil des Vermögens aus dem Nachlass eines Verstorbenen, ohne selbst Erbe zu werden (§ 1939 BGB). Als Vermächtnisnehmer tauchst Du in keinem Erbschein auf. Du haftest weder für Schulden des Verstorbenen, noch musst Du Dich mit anderen Erben auseinandersetzen. Die Erben müssen Dir als Vermächtnisnehmer die vermachten Gegenstände aushändigen oder das Geldvermächtnis auszahlen.
Beispiel: Albert ist Eigentümer von zwei Häusern in Berlin und Potsdam. In seinem Testament setzt er seinen Sohn Bastian als Alleinerben ein, das Haus in Potsdam vermacht er seiner Tochter Charlotte.
Nach dem Tod des Vaters wird Bastian zunächst Eigentümer von beiden Häusern. Charlotte erwirbt nur einen Anspruch auf Eigentumsübertragung des Hauses in Potsdam gegen den Bruder. Um das Vermächtnis zu erfüllen, muss Bastian zum Notar und das Haus in Potsdam seiner Schwester übertragen. Erst mit Eintragung im Grundbuch wird die Tochter Eigentümerin der Immobilie, nicht sogleich mit dem Erbfall.
Wichtig: Erbschaftssteuer muss auch der Vermächtnisnehmer zahlen, selbst wenn er kein Erbe geworden ist.
Es ist nicht immer leicht zu verstehen, ob der Verstorbene in seinem Testament jemanden als Erben einsetzen wollte oder nur als Vermächtnisnehmer. Soll jemand nur einen einzelnen Gegenstand bekommen, so ist er im Zweifel Vermächtnisnehmer (§ 2087 Abs. 2 BGB).
Steht im Testament, „meine goldene Uhr soll meine Nichte erben“, dann ist die Formulierung juristisch nicht ganz korrekt. Denn eine solche Formulierung ist als Vermächtnis auszulegen. Umgekehrt ist die Formulierung, „mein gesamtes Vermögen vermache ich meiner Tochter“, als Erbeinsetzung auszulegen, obwohl der Erblasser das Wort „vermachen“ verwendet hat.
Tipp: Wenn Du als Erblasser nicht willst, dass es nach Deinem Tod zu Missverständnissen kommt, solltest Du auf klare Formulierungen in Deinem Testament achten. Bist Du Dir unsicher oder gehören mehrere Immobilien zum Nachlass, solltest Du Dich von einem Notar oder Fachanwalt für Erbrecht beraten lassen, der für Dich ein rechtssicheres Testament erstellt.
Die wichtigsten Unterschiede zwischen Erbe und Vermächtnis haben wir in der folgenden Tabelle für Dich zusammengefasst.
Erbe | Vermächtnisnehmer (VN) | |
---|---|---|
Formulierung im Testament | „Ich setze meine Tochter aus erster Ehe als Alleinerbin ein.“ | „Ich vermache meine goldene Uhr meiner Nichte Rita.“ |
Erbengemeinschaft | Erbe bildet gemeinsam mit anderen Erben eine Gemeinschaft. | VN ist nicht Mitglied der Erbengemeinschaft. |
Eigentumsverhältnisse | Erbe wird Eigentümer vom gesamten Nachlass. | VN erwirbt kein Eigentum. |
Erbschein | Erbe kann einen Antrag stellen. | VN wird nicht im Erbschein benannt. |
Ausschlagung | Erbe kann das Erbe gegenüber dem Nachlassgericht ausschlagen. | VN kann gegenüber den Erben ausschlagen. |
Erbschaftssteuer | Erbe ist erbschaftssteuerpflichtig. | VN ist erbschaftssteuerpflichtig. |
Schulden | Erbe haftet für Schulden des Verstorbenen. | VN haftet grundsätzlich nicht für Schulden des Verstorbenen. |
Quelle: Finanztip-Recherche (Stand: 2022)
Als Vermächtnisnehmer musst Du für die Nachlassschulden grundsätzlich nicht geradestehen. Aber keine Regel ohne Ausnahme: Besteht das Vermächtnis aus einer noch nicht abgezahlten Immobilie, kann sich aus den Umständen ergeben, dass Du die Finanzierung samt Grundschuld übernehmen und die Raten weiter regelmäßig an die Bank zahlen musst (§ 2165 Abs. 2 BGB).
Tipp: Mit einer klaren Regelung im Testament zu den Schulden, lässt sich Streit verhindern. Hier findest Du zwei Formulierungen für ein Immobilienvermächtnis mit und ohne Übernahme der Schulden:
Immobilie ohne Schulden: „Mein Haus in Potsdam soll meine Nichte Dorothee erhalten. Für die Immobilie besteht ein Immobilienkredit. Eine noch nicht getilgte Restschuld soll meine Nichte nicht übernehmen."
Immobilie mit Schulden: „Mein Haus in Potsdam soll meine Nichte Dorothee erhalten. Im Zeitpunkt des Vermächtnisfalls sind auf dem Grundbesitz ruhende Belastungen von meiner Nichte zu übernehmen, einschließlich der durch sie gesicherten Verbindlichkeiten. Letztere anstelle der Erben.“
Du kannst das Vermächtnis auch ausschlagen (§ 2176 BGB). Dabei musst Du dich nicht an Fristen halten wie der Erbe, der nur innerhalb von sechs Wochen das Erbe ausschlagen kann. Die Ausschlagung musst Du gegenüber den Erben erklären und nicht gegenüber dem Nachlassgericht.
Es gibt viele verschiedene Varianten von Vermächtnissen. Erblasser können damit flexibel anordnen, wer was bekommen soll. Gegenstand der Zuwendung muss immer ein Vermögensvorteil sein (§ 1939 BGB). Die drei wichtigsten Vermächtnisse erläutern wir Dir mit entsprechenden Beispielen:
Das bekannteste Vermächtnis ist das Vorausvermächtnis. Damit kannst Du einem Erben mehr zukommen lassen als den anderen. In diesem Fall wird ein Erbe zugleich Vermächtnisnehmer.
Beispiel: Soll ein Kind mehr vom Nachlass bekommen, könntest Du den Nachlass zu gleichen Teilen an Deine Kinder vererben, aber zusätzlich einem Kind zum Beispiel eine Immobilie als Vorausvermächtnis zukommen lassen. Dieses Kind kann seinen Anspruch noch vor der eigentlichen Erbauseinandersetzung geltend machen. Damit wird das Haus nicht auf sein Erbteil angerechnet.
Oft ist es nicht leicht, das Vorausvermächtnis von der sogenannten Teilungsanordnung abzugrenzen. Mit einer Teilungsanordnung will der Erblasser nur festlegen, wer was bekommen soll – im Ergebnis sollen aber alle Erben nicht mehr als ihre Erbquote bekommen. Deshalb werden die einzelnen zugewiesenen Gegenstände bewertet auf den Erbteil angerechnet (§ 2048 BGB). Das ist ein großer Unterschied zum Vorausvermächtnis. Deshalb solltest Du im Testament klar und eindeutig formulieren.
So könnte ein Vorausvermächtnis lauten:
„Meine beiden Kinder setze ich zu meinen Vollerben jeweils zu gleichen Teilen ein. Meine Tochter erhält darüber hinaus im Wege des Vorausvermächtnisses, also ohne Anrechnung auf ihren Erbteil, die Immobilie in Potsdam.“
So könnte eine Teilungsanordnung lauten:
„Meine Tochter erhält im Wege der Teilungsanordnung und somit in Anrechnung auf ihren Erbteil die Immobilie in Potsdam.“
Was geschieht, wenn ein Vermächtnisnehmer zum Zeitpunkt der Testamentseröffnung schon verstorben ist? Dann verliert das Vermächtnis seine Gültigkeit (§ 2160 BGB). Der Anspruch aus dem Vermächtnis geht nicht auf die Erben des Vermächtnisnehmers über. Du kannst aber für diesen Fall ein Ersatzvermächtnis anordnen (§ 2190 BGB).
So könnte ein Ersatzvermächtnis lauten:
„Meine Freundin erhält als Vermächtnis meine Bibliothek. Sollte sie vor mir versterben, erhält ihre Tochter die Bibliothek.“
Du kannst im Testament auch ein sogenanntes Nießbrauchsvermächtnis festlegen. Der Vermächtnisnehmer hat dadurch neben dem Wohnrecht auch das Recht, zum Beispiel die Wohnung zu vermieten und die Einnahmen für sich zu behalten, wenn er diese nicht selbst bewohnt. Weitere Informationen zum Nießbrauch findest Du in unserem Ratgeber Nießbrauch.
Ein Nießbrauch durch ein Vermächtnis könnte so lauten:
„Meine Kinder Bastian und Charlotte sollen zu gleichen Teilen mein gesamtes Vermögen erben. Zugunsten meiner Ehefrau Agnes bestimme ich im Wege des Vermächtnisses einen lebenslangen, unentgeltlichen, im Grundbuch zu sichernden Nießbrauch an unserem Einfamilienhaus.“
In der Regel bekommst Du als Vermächtnisnehmer einen Brief vom Gericht. Denn das Gericht informiert sowohl die Erben als auch etwaige Vermächtnisnehmer über das Testament. Mit diesem Schreiben kannst Du Dich an die Erben wenden und Dein Vermächtnis einfordern.
Dein Anspruch gegen die Erben verjährt nach drei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem Du von Deinem Vermächtnis erfahren hast. Bei Grundstücken verjährt der Anspruch gegen die Erben erst nach zehn Jahren (§ 196 BGB).
Willst Du einen Deiner nahen Angehörigen enterben, hat er Anspruch auf den Pflichtteil. Dieses Recht kannst Du nicht umgehen, indem Du ihm ein kleines Vermächtnis zukommen lässt.
Dem Pflichtteilsberechtigten steht in einem solchen Fall ein Wahlrecht zu. Er kann entweder das Vermächtnis annehmen und die Differenz zwischen Pflichtteil und Wert des Vermächtnisses als Pflichtteilsrest einfordern. Oder er kann das Vermächtnis ausschlagen und seinen Pflichtteil verlangen (§ 2307 Abs. 1 BGB).
Dazu zwei Beispiele:
Der Witwer Albert mit einem Vermögen von 100.000 Euro hat in seinem Testament seine Tochter als Alleinerbin eingesetzt, seinem Sohn hat er 5.000 Euro vermacht. Der Sohn ist damit enterbt. Hätte der Verstorbene kein Testament verfasst, hätten Tochter und Sohn jeweils die Hälfte bekommen. Der enterbte Sohn kann sein Vermächtnis ausschlagen und seinen Pflichtteil verlangen, also ein Viertel, damit 25.000 Euro. Auf denselben Betrag kommt er auch, wenn er das Geldvermächtnis annimmt und die Differenz zum Pflichtteil fordert. Eine Wahl erübrigt sich.
Anders ist es, wenn das Vermächtnis aus einer Immobilie besteht.
Die Witwe Berta mit einem Vermögen von insgesamt 800.000 Euro hat in ihrem Testament ihre Tochter als Alleinerbin eingesetzt. Der Sohn soll als Vermächtnis eine Ferienwohnung im Wert von 150.000 Euro bekommen. Da die Mutter den Sohn als Erben übergangen hat, kann dieser seinen Pflichtteil von einem Viertel im Wert von 200.000 Euro verlangen. Jetzt hat er die Wahl zwischen Vermächtnis und Pflichtteil. Entscheidet er sich für das Vermächtnis bekommt er die Wohnung und zusätzlich noch eine Restzahlung in Höhe von 50.000 Euro. Will er seinen Pflichtteil, muss er das Vermächtnis gegenüber seiner Schwester ausschlagen. Dann kann er 200.000 Euro fordern und braucht sich nicht um eine ihm vielleicht lästige Immobilie zu kümmern.
Der Erbe kann dem Vermächtnisnehmer eine angemessene Frist setzen, bis wann er das Vermächtnis ablehnen oder annehmen soll. Was genau eine angemessene Frist ist, hängt vom Einzelfall ab. Der Pflichtteilsberechtigte muss zumindest wissen, wie groß der Nachlass ist, um zu entscheiden, ob er ausschlägt und den Pflichtteil verlangt. Läuft die Frist ab, ohne dass sich der Vermächtnisnehmer erklärt hat, gilt das Vermächtnis als ausgeschlagen (§ 2307 Abs. 2 BGB).