Berliner Testament & Pflichtteil Hände weg vom Berliner Testament?

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Wer verheiratet ist, möchte oft auch gemeinsam entscheiden, was nach dem Tod eines Partners geschehen soll. Wollt Ihr den Lebensstandard des anderen auch nach dem eigenen Tod sichern und einen Streit ums Erbe verhindern? Dann könnt Ihr ein gemeinschaftliches Testament aufsetzen. Der Klassiker ist das Berliner Testament. Wir erklären Euch die Vor- und Nachteile und wie Ihr es selbst erstellen könnt.
Das Berliner Testament ist eine besondere Variante des gemeinschaftlichen Testaments. Es ist in Deutschland vor allem unter Eheleuten mit Kindern weit verbreitet. Doch der Trend geht weg vom gemeinsamen Testament. Nach einer Studie des Instituts für Demoskopie in Allensbach aus dem Jahr 2024 wird das Berliner Testament seltener gewählt. Nur noch 42 Prozent der Erblasser entschieden sich dafür, wohingegen 2018 noch 59 Prozent aller Testamente Berliner Testamente waren. Für diesen Rückgang gibt es gute Gründe – vor allem steuerliche. Mehr dazu weiter unten.
Im Wesentlichen setzen sich die Ehegatten mit einem Berliner Testament gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen, dass nach dem Tode des länger lebenden Partners der gemeinsame Nachlass, meist den Kindern, zufallen soll. Die Kinder werden dann als sogenannte Schlusserben eingesetzt.
So könntet Ihr im Testament formulieren:
„Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein. Nach dem Tode von uns beiden sollen unsere Kinder zu gleichen Teilen erben.“
Übrigens: Werden in einem Berliner Testament die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben eingesetzt, dann ist das Testament so auszulegen, dass damit auch die Enkel gemeint sind (OLG Oldenburg, 11.09.2019, Az. 3 U 24/18). Das ist wichtig, falls ein Kind bereits verstorben ist.
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Das Berliner Testament hat einige Vorteile:
Ein Berliner Testament kann erhebliche steuerliche Nachteile haben, wenn es viel zu vererben gibt. Es kann für die Kinder teuer werden, wenn sie das gesamte Vermögen beider Elternteile auf einmal bekommen und deshalb mehr als den Freibetrag erben.
Der Freibetrag von 400.000 Euro steht normalerweise jedem Kind pro Erbfall von jedem seiner Elternteile zu (§ 16 ErbStG). Anders beim Berliner Testament: Dadurch geht den Kindern ein Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro verloren, weil der länger lebende Elternteil als Alleinerbe zunächst einmal alles erbt.
Zusammengefasst sind das die beiden Nachteile:
In unserem Ratgeber Steuern beim Berliner Testament erfährst Du, wie sich das verhindern lässt, etwa durch eine Schenkung mit Nießbrauch.
Das Berliner Testament kann auch aus Sicht der Kinder von Nachteil sein. Sie bekommen ihr Erbe vielleicht erst sehr viel später als es nach dem Gesetz vorgesehen ist. Ihren Erbteil hätten sie aber eventuell früher gut gebrauchen können, weil sie zum Beispiel selbst eine Immobilie kaufen wollen.
Ein wichtiger Nachteil für den länger lebenden Ehepartner besteht auch darin, dass er die Festlegungen im Berliner Testament nicht mehr ändern kann, obwohl er es vielleicht gerne würde. Das gilt ganz besonders, wenn viele Jahre zwischen dem Tod der Eheleute liegen und sich die familiären Beziehungen verändert haben.
Kinder sind durch ein Berliner Testament beim Tod des ersten Elternteils zunächst einmal enterbt. Sie erben erst, nachdem auch der andere Elternteil verstorben ist.
Dieses Konstrukt können die Kinder aus den Angeln heben. Denn ihnen steht bei einem Berliner Testament immer ihr Pflichtteil zu. Fordern sie Pflichtteil, können sie den überlebenden Elternteil in finanzielle Schwierigkeiten bringen – etwa, wenn der Nachlass im Wesentlichen aus einem Haus besteht, das verkauft werden müsste, um den Pflichtteil der Kinder bezahlen zu können. Wer nicht verkaufen will, hat noch andere Möglichkeiten: Er kann zum Beispiel auch ein Darlehen in Höhe des Pflichtteils aufnehmen, das mit einer Grundschuld auf das Haus abgesichert ist.
In vielen Berliner Testamenten finden sich sogenannte Pflichtteils-Strafklauseln. Damit sollen die Kinder davon abgehalten werden, beim Tod des ersten Elternteils ihren Pflichtteil einzufordern. Wer den Pflichtteil verlangt, enterbt sich selbst. Eine solche Klausel könnte so formuliert sein:
Beispiel für eine Pflichtteils-Strafklausel:
„Verlangt eines unserer Kinder beim Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil, so werden er und seine Abkömmlinge nicht Erben des Letztversterbenden.“
Trotz einer solchen Klausel kann das Kind nach dem Tod des ersten Elternteils den Pflichtteil verlangen, also die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Stirbt dann auch der länger lebende Elternteil, kann der Nachkomme erneut seinen Pflichtteil einfordern. Wirtschaftlich ist er deshalb meist nicht sehr viel schlechter gestellt als die anderen Erben, gerade wenn das Vermögen durch Kosten für ein Pflegeheim oder eine andere Betreuung des länger lebenden Elternteils nahezu aufgezehrt wurde. Dazu zwei Beispiele.
Albert ist mit Berta verheiratet. Beide haben jeweils ein Vermögen von 400.000 Euro angespart. Sie haben zwei gemeinsame Kinder, Clara und Dirk. Stirbt Albert, würde Berta nach gesetzlicher Erbfolge die Hälfte erben (200.000 Euro), und die beiden Kinder je ein Viertel (100.000 Euro).
Die Eltern haben ein klassisches Berliner Testament mit Pflichtteils-Strafklausel aufgesetzt. Demnach erbt die Mutter nach Vaters Tod zunächst alles, die Kinder erst nach dem Tod der Mutter. Verlangt Tochter Clara nach dem Tod des Vaters ihren Pflichtteil, bekommt sie sofort die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, somit ein Achtel von 400.000 Euro (=50.000 Euro). Den Rest erbt die Mutter (350.000 Euro).
Stirbt nach einer gewissen Zeit auch Berta, erben die Kinder eigentlich jeweils die Hälfte ihres gesamten Vermögens, also jeder die Hälfte von 750.000 Euro – unterstellt, dass das Vermögen nicht weniger geworden ist. Da aber Clara den Pflichtteil nach dem Tod des Vaters verlangt hatte, bekommt sie auch jetzt nur den Pflichtteil aus Bertas Nachlass, also nur ein Viertel (187.500 Euro). Dirk dagegen erbt drei Viertel 562.500 Euro.
Clara stellt sich mit ihrem Widerstand gegen das Berliner Testament daher erheblich schlechter, sie bekommt insgesamt nur 237.500 Euro. Ihr Bruder mehr als das Doppelte.
Wird das Vermögen von Menschen im Alter weniger, weil zum Beispiel Pflegeheimkosten anfallen, kann der finanzielle Nachteil für denjenigen, der seinen Pflichtteil verlangt, geringer ausfallen, wie das zweite Beispiel zeigt:
Bis zum Tod der Mutter ist ihr gesamtes Vermögen auf 200.000 Euro zusammengeschmolzen. Stirbt sie, erben die Kinder eigentlich jeweils die Hälfte. Da Clara den Pflichtteil nach dem Tod des Vaters verlangt hatte (50.000 Euro), bekommt sie auch jetzt nur den Pflichtteil, also nur ein Viertel der 200.000 Euro (=50.000 Euro). Dirk erbt 150.000 Euro. Clara stellt sich also immer noch schlechter, sie erbt insgesamt nur 100.000 Euro.
Sind in Bertas Nachlass insgesamt nur noch 100.000 Euro vorhanden, erhält Clara ihren Pflichtteil von 25.000 Euro, Dirk erbt die verbleibenden 75.000 Euro. Clara hatte aber nach dem Tod des Vaters bereits einen Pflichtteil von 50.000 Euro bekommen. In diesem Fall bekommen beide Kinder insgesamt die gleiche Summe. Clara konnte aber viel früher über einen Teil des Geldes verfügen.
Wer eine Strafklausel in das gemeinschaftliche Testament aufnehmen will, sollte sich rechtlich beraten lassen. Es gibt eine Vielzahl von Regelungen, die gerade nicht zu dem gewollten Ergebnis führen.
Wichtig: In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, dass die Kinder ihren Pflichtteilsanspruch durchsetzen, etwa wenn sie dadurch Freibeträge bei der Erbschaftsteuer ausschöpfen können.
Ihr könnt als Ehepaar Euren letzten Willen selbst verfassen. Dabei reicht es, wenn einer von Euch das Testament mit der Hand schreibt und der andere die gemeinschaftliche Erklärung mit vollem Namen mitunterzeichnet (§ 2267 BGB). Derjenige, der nur unterschreibt, sollte angeben, wo und wann er unterschrieben hat.
Ihr müsst klar schreiben, dass der überlebende Ehegatte für den ersten Erbfall Alleinerbe sein soll. Fehlt eine solche ausdrückliche Erbeinsetzung, dann gilt im Zweifel die gesetzliche Erbfolge. Allein eine Formulierung wie „nach unserem Tod erbt unser Sohn“ reicht als Andeutung nicht aus, um den länger lebenden Ehegatten als Alleinerben einzusetzen. Auch dass sich Ehegatten üblicherweise gegenseitig bedenken, lässt nicht den Schluss zu, dass der eine den anderen zum Alleinerben machen wollte (OLG München, 12.11.2019, Az. 31 WX 183/19). Es reicht nicht aus, zu schreiben, dass Ihr Euer Vermögen durch ein Berliner Testament vererben wollt (OLG Celle, 07.07.2022, Az. 6 W 77/22).
Besteht das Testament aus mehreren Seiten, solltet Ihr diese durchnummerieren und jeder sollte jede Seite einzeln unterschreiben. Ihr könnt aber auch zwei getrennte Dokumente erstellen, sofern Ihr den Willen habt, gemeinschaftlich den Nachlass zu regeln. Dann solltet Ihr beide Texte zusammen in einen Umschlag stecken oder mit einer Heftklammer verbinden.
Da Ihr das Testament mit der Hand selbst schreiben müsst, stellen wir kein Muster zur Verfügung. Ein mit dem Computer erstelltes Testament ist nicht wirksam, auch wenn Du es ausdruckst und persönlich unterschreibst.
Jeder Erblasser, jede Familie und jeder Nachlass ist anders, sodass eine allgemeine Vorlage für ein Berliner Testament aus unserer Sicht nicht hilfreich ist. Beispiel: So könnte allerdings ein handgeschriebenes Berliner Testament als PDF aussehen.
Ihr könnt als Paar auch gemeinsam zum Notar gehen und ein sogenanntes öffentliches Testament aufsetzen lassen. Das hat den Vorteil, dass Ihr beraten werdet und der Notar Euren Willen eindeutig und rechtssicher aufschreibt und dann amtlich verwahren lässt. Die Kosten bestimmen sich nach dem Vermögen (§ 102 GNotKG).
Beispiel: Beläuft sich der Nachlass auf 200.000 Euro, zahlen die Erblasser 870 Euro. Bei einem Vermögen von 800.000 Euro müsst Ihr mit 2.830 Euro rechnen, jeweils zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer.
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Mit der Scheidung verliert ein gemeinschaftliches Testament seine Wirksamkeit (§ 2077 Abs. 1 BGB). Gleiches gilt, wenn vor dem Tod eines Partners die Scheidung schon beantragt war und alle Voraussetzungen dafür erfüllt waren.
Da die meisten Ehegatten bei der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments gar nicht an eine Scheidung denken, empfiehlt es sich, bei der Trennung reinen Tisch zu machen und das gemeinschaftliche Testament zusammen aus der Welt zu schaffen. Ein handschriftliches Testament könnt Ihr einfach vernichten. Habt Ihr ein notarielles Testament gemacht, müsst Ihr es aus der amtlichen Verwahrung zurückverlangen und vernichten. Dadurch verliert es seine Gültigkeit.
Es kann allerdings sein, dass das gemeinschaftliche Testament ausnahmsweise – trotz Scheidung – weiter gilt. Dies ist der Fall, wenn das Testament auch für den Fall der Scheidung in Kraft bleiben soll. Werden beispielsweise im gemeinschaftlichen Testament die gemeinsamen Kinder als Erben eingesetzt, so kann es sein, dass die Ehegatten diese Verfügung auch getroffen hätten, wenn sie das Scheitern der Ehe vorhergesehen hätten.
Wer vermeiden will, dass der geschiedene Ehegatte im Erbfall versucht, seine Ansprüche geltend zu machen, kann im gemeinschaftlichen Testament aufnehmen, dass es im Fall der Scheidung nicht mehr gelten soll.
Heiratet die verwitwete Mutter oder der verwitwete Vater erneut, erlangt der neue Ehegatte mit der Eheschließung Erbrecht. Für die Kinder aus erster Ehe, die in einem gemeinschaftlichen Testament als Schlusserben eingesetzt sind, besteht das Risiko, dass sich dadurch der spätere Nachlass verringert.
Eine Wiederverheiratungsklausel kann das verhindern. Demnach soll der Nachlass ganz oder teilweise bereits dann auf die Kinder übergehen, wenn der überlebende Elternteil noch einmal heiratet. Wer eine solche Regelung möchte, sollte sich rechtlich beraten lassen, um sicherzugehen, dass die Klausel auch wirksam ist. Greift sie zu stark in die Rechte des länger lebenden Ehegatten ein, kann die Klausel sittenwidrig und damit unwirksam sein (vgl. OLG Zweibrücken, 14.03.2011, Az. 3 W 150/10).
Fehlt eine solche Klausel, kann der Wiederverheiratete das gemeinschaftliche Testament innerhalb eines Jahres nach der Heirat anfechten, wenn er etwa seinen neuen Partner bedenken will (§§ 2079, 2281 BGB). Es gilt dann rückwirkend ab dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten die gesetzliche Erbfolge.
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